Liebe Leserinnen und Leser, ich komme auf die Eröffnung der neuen Galerie von Vito Schnabel in St. Moritz zurück. Was ist über diese doch schon geschrieben worden! Von wegen High Snobiety macht Party nicht Kunst. Stimmt aber nicht. Die Vernissage hat mich in Sachen Kunst durchaus erleuchtet. Wie könnte es auch anders sein? Über allem schwebte die Präsenz von Bruno Bischofberger – der exemplarisch vorführt, was eine unbedingte Hingabe an Kunst überhaupt bedeuten kann.
Was: Vernissage der Ausstellung von Sterling Ruby und Urs Fischer in der Galerie Vito Schnabel.
Wo: St. Moritz, Via Maistra 37
Wann: Vernissage 28.12.2015, Urs Fischer bis 31.1., Sterling Ruby bis 27.3.

Das feierliche Skulptur-Anzünden. Bruno Bischofberger hinter der Figur seiner Frau, Christine Bischofberger rechts, Vito Schnabel schaut zu. Foto: fotoswisspress/Cattaneo
Wir hier in der Schweiz sind mit dem Werk von Urs Fischer bestens vertraut, hat doch die Galeristin Eva Presenhuber den Künstler von ganz früh her vertreten. Im Kunsthaus Glarus haben wir die ersten verblüffenden Installationen des jungen Tausendsassa erlebt, und auch das Kunsthaus Zürich hat sehr früh mit einer grossen Schau von Fischer dessen Fähigkeit unter Beweis gestellt, grosse Räume mit einer sicheren Geste zu beherrschen.

Urs Fischers Werke «Strontium» (l.) und «Rubidium» (r.) , Heidi Klum mischt sich still unter die Vernissagegäste (Mitte). Foto: Hess
Gut, die brennenden Kerzenskulpturen, die Freunde des Künstlers abbilden, sind nichts Neues. Aber dadurch, dass Schnabel und Fischer mit einer solchen brennenden Skulptur Bruno Bischofberger und seine Frau Christine (die Yoyo genannt wird) ehren, machen sie alles richtig. Verdienter könnte eine solche Ehrerbietung nicht sein.
Seine erste Galerie in Zürich hat Bischofberger 1963 eröffnet, und schon wenige Jahre danach hat er hierzulande den amerikanischen Pop vorgestellt. Er zeigte Werke von Roy Lichtenstein, Andy Warhol, Robert Rauschenberg und Tom Wesselmann. Er hat etwa Warhol den grossen Sammlern vorgestellt, zum Beispiel Philippe Niarchos oder Peter Brant. Bischofberger und Brant waren die finanzielle Kraft hinter Warhols «Interview». Mit Warhol verband Bischofberger eine Art Symbiose, er hat den Künstler in vielem beraten, auch wenn es um die Ausgestaltung seiner Werke ging. Er hatte auch das Erstkaufrecht, von dem er – wenn man an seine immense Warhol-Sammlung denkt – offensichtlich oft Gebrauch machte. Vielen Künstlern in der Folge (etwa Jean-Michel Basquiat oder Vitos Vater Julian Schnabel) war er Freund, Berater, Ermutiger. Sie gingen bei ihm ein und aus, sein und Yoyos Haus war ihnen Heimat. Künstler wurden Paten von Bischofberger-Kinder, Warhol von Magnus, Jean Tinguely von Nina, die heute Architektin ist und das neue Privatmuseum von Bischofberger in Männerdorf erbaut hat.

Links: Archivfoto aus St. Moritz, Jean-Michel Basquiat (links) mit Bruno Bischofberger (rechts) und einer Dame, Rechts: Die Polaroidfotos machte Warhol in den 80-er Jahren, um ein Porträt von Yoyo Bischofberger zu malen
Geboren in Appenzell, hat Bischofberger an der Uni Zürich über die Schweizer Volkskunst dissertiert — die er bis heute sammelt. Sein tiefes Verständnis für Zeitgenössische Kunst, die doch etwas Anarchisches und Ursprüngliches hat, ist in meinen Augen mit seiner frühen Begeisterung für die mythischen Volksbräuche in den Bergen verwandt.
Kein Wunder also, dass Bischofberger als einer der Ersten eine Galerie in St. Moritz eröffnete. Wenn also der Winterkurort jetzt zu einem veritablen Kraftort der Kunst erstarkt, wie man es dieses Jahr deutlich sehen konnte, hat er dies auch dem grossen BB zu verdanken. Insofern ist es eine hundertprozentig richtige Geste von Vito Schnabel, den Paten der Kunst in seiner ersten Ausstellung zu inszenieren. Der übrigens gut auch sein eigener Pate sein könnte, denn Vater Julian Schnabel war ein Künstler der Galerie und ein oft gesehener Gast und im Haus der Bischofbergers, so dass der junge Schnabel von klein auf den Galeristen kannte und – wie er mir sagte, sehr bewunderte.

Die Skulptur und die Realität: die Hand von Christine Bischofberger in Wachs (l.) und in echt mit dem Eiswürfel (r.), Bruno Bischofberger lächelt seinem Konterfei zu (Mitte), Julian Schnabel mit Hut. Foto: Hess
Bischofberger hat das Gaudi um «seine» Skulpturenkerze («Bruno & Yoyo») an der Eröffnung sichtlich genossen. Er war etwas lädiert, darum sass er mitsamt seinen Krücken nahe an der Skulptur und lächelte glückselig, so dass man beinahe meinte, auch über seinem Gesicht würde ein schimmernder Regenbogenschein liegen. Urs Fischer hat die Skulptur des Ehepaars in einen solchen getaucht – wohl eine Anspielung an die in alle Arten von Regenbogen verliebte Pop Art. Frau Yoyo passierte ein Missgeschick – sie hat sich beim feierlichen Anzünden ihres Mannes die Hand verbrannt. Sie gab allen darauf ein kaltes Händchen zum Gruss, in der sie einen Eiswürfel schmelzen liess, um die Verbrennung zu lindern.
Die neuen Bilder von Fischer – dick mit pastoser Farbe übermalten und danach wieder fotografisch wiedergegebenen Augen – konnten dem kleinen Raum jene Intensität verleihen, die der Künstler immer sucht. Sie behaupteten sich auch inmitten des grossen Vernissagegedränges. Das Schauen und das Malen – zwei komplementäre Akte, die jedem menschlichen Wesen tief vertraut sind, zu einer starken Chiffre verdichtet – Urs Fischer at his very own.

Vito Schnabel mit seinem Künstler Sterling Ruby (l.), Rubys Werk «Stove» vor dem Hotel Kulm, der Galerist fotografiert hingebungsvoll die Installation seines Künstlers (r.) Fotos: FSP/Cattaneo, Hess
Sterling Ruby, 42, ein amerikanischer Shooting Star aus Pasadena, hat auf eine ähnliche Feldherren-Art mit seinen Öfen («Stoves») vor dem Hotel Kulm den Vogel abgeschossen (Disclaimer für Tierschützer: das ist nur eine Redewendung!). Zwei grobe Gesellen sind diese, gleichzeitig Skulpturen und brauchbare Holzöfen, aus Eisen in Form gegossen und mit hohen Kaminen ausgestattet. Darin brannte an der Vernissage ein Feuer – gleichzeitig bedrohlich wie wärmend, weckten diese schwarzen Ungetüme archaische Gefühle inmitten der Bergwelt. Man konnte glatt all die Luxushotels rundum vergessen.

Vanity-Fair-Autor Bob Colacello und der Zürcher Kinopionier This Brunner, Vito Schnabel und Heidi Klum Foto: Hess, FSP/Cattaneo
Im Vorfeld der Vernissage gab es viel Klatsch über die Braut des Galeristen, Heidi Klum, sie war auch da, aber nicht nur. Auch viele andere interessante Gäste kamen, solche, die kraft ihres Geistes aus der Masse hervorstechen. Etwa der Vanity-Fair-Autor Bob Colacello, dem die gegenwärtige Präsidentschafts-Kampagne in den USA das Republikanersein vermiest – er schämt sich für einen der Kandidaten. Do I need to say more? Oder der Choreograf William Forsythe, dessen Tochter Sara die Galerie leitet. Die Schauspielerin Maria Furtwängler kam etwas später und Urs Fischer war da, auch wenn er sich – wie so oft – nicht unter die Vernissagegäste mischte. Ich kann ihn gut verstehen – die Rolle des Künstlers an der eigenen Vernissage ist immer etwas heikel. Was sollen denn die Gäste anderes als ihn loben? Jedenfalls: ich hätte, und zwar nicht nur aus Höflichkeit.

Sterling Rubys «Stoves» vor der grandiosen Bergkulisse. Foto: FSP/Cattaneo