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Der Preis der Kunst

Ewa Hess am Mittwoch den 21. Februar 2018
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Hat Leonard DiCaprio die App geprüft, die er empfiehlt? Strassenkunst in Los Angeles. Foto: Paul Archuleta (Getty)

Was kostet Kunst? Es ist eine Geheimwissenschaft. Die Preise der Kunstwerke sind selten angeschrieben und die Kriterien für die Preisgestaltung lassen sich schlecht objektivieren. Das macht den Kunstmarkt intransparent und öffnet jeder Art von Unredlichkeit Tür und Tor. Daraus haben sich einige Firmen ein Geschäftssmodell gebastelt. Ich spreche von Portalen wie Artprice (Marktleader), Artnet, Artvalue etc. Damit machen gewisse Kunstvermittler dicke Gewinne (siehe den Streit zwischen dem russischen Oligarchen Dmitry Rybolovlev und dem Schweizer Freeport-Besitzer Nicolas Bouvier hier).

Eine App, die Kunstpreise kennt? Schön wärs! Foto: PD

Seit kurzem gibt es eine App, die sich rühmt, dem Missstand abhelfen zu können. Sie wurde von dem deutschen Tausendsassa Magnus Resch entwickelt und soll funktionieren wie die App Shazam für die Musik. Man hält das Smartphone auf ein Kunstwerk, und schon wird man mit Informationen beliefert: Wer ist der Künstler? Wie heisst das Kunstwerk? Und eben, die Frage aller Fragen: How much?

Auf Kunstsuche: Magnus Resch mit seinem Freund, dem Esel. Foto: PD

Vielleicht erinnern Sie sich noch an Magnus Resch? Ich berichtete hier über sein Buch über das Management von Galerien. Das war vor mehr als zwei Jahren, und ich war damals richtig sauer. Der deutsche Sunnyboy belehrte nämlich grossspurig die Galerienszene, wie sie ihr Geschäft besser machen sollte. Dabei entblösste er seine Unbedarftheit auf eine schmerzliche Weise. Das Buch soll sich aber ganz gut verkauft haben – wohl nach dem gleichen Prinzip, nachdem sich die vielen Lebensratgeber verkaufen, in welchen sieben mal nichts Neues steht. Denn der Galerienszene geht es schlecht – allein in Zürich sind im letzten Jahr an die zehn Galerien zugegangen. Und in der Krise greift man bekanntlich nach jedem Strohhalm.

Jetzt macht der fesche Magnus mit seiner neuen App wieder Schlagzeilen. Sie heisst – surprise, surprise – genau gleich wie er: Magnus. Und wieder will der Partytiger die Kunstszene belehren. «Rätselt nicht lange herum», ist die Botschaft. «Meine App sagt euch, was ihr wissen wollt.» Wirklich?

Einer scheint an das Wunder jedenfalls zu glauben: Leonardo DiCaprio ist ins Magnus-Geschäft eingestiegen. Er hat per Facebook der App erzieherische Qualitäten bestätigt. Ob er sich seine gute Meinung auch etwas kosten liess und wie viel, wird nicht mitgeteilt. Wahrscheinlich ist, dass der gut verdienende Hollywoodstar einer der Investoren ist. Man sagt ja, um so eine App zu entwickeln, brauche man schon einige Millionen Dollar.

Leonardo DiCaprios Unterstützung für Magnus. (Bild via Facebook)

Der Support von Leo ist viel Wert, schliesslich ist er ein einflussreicher Mann – und selber Sammler. Ein durchaus ernst zu nehmender, das schrieb ich hier. Hat er die Magnus-App überhaupt geprüft? Sie ist des Platzes nicht wert, den sie auf dem Smartphone einnimmt.

Wie sich der Erfinder das in etwa vorstellt, zeigt er gleich selber, in einem Filmchen auf seiner Website Magnus.net. Da steht etwa ein junger Mann an einer Galerieeröffnung mit der Dame seines Herzens vor einem Bild. Und hat keine Ahnung, was er sagen soll. Dann macht er mit der neuen App ein Foto des Werks und auf dem Display erscheint alles: Der Künstler heisst Math Wiley (Math who?), seine Galerie Cameron und das Werk kostet 12’500 Dollar. Der junge Mann flüstert darauf seiner Begleiterin ins Ohr: «Es ist kein Picasso», was diese derart begeistert, dass sie ihn sofort leidenschaftlich auf den Mund küsst. O, là, là!

Die Sache ist im Ganzen allerdings nicht so harmlos, wie sie auf den ersten Blick erscheinen könnte. Denn die Datensammlungen der Auktionspreise von Artprice und Artnet sind das Resultat eines jahrelangen Hortens. Prompt haben die Online-Datenbanken Artfacts.net und Artsy nach dem Launch der App den Erfinder verklagt, ihnen die Daten schlichtweg zu klauen. Viele Galerien haben die Beschwerde unterstützt und die App wurde vorübergehend aus dem Apple Store entfernt. Die Klage soll inzwischen zurückgezogen worden sein (schreibt Art Newspaper). Das hat wohl vor allem einen Grund: Die App funktioniert nicht.

Ich machte eine Probe aufs Exempel und erfasste einige Bilder, darunter auch eins von Georg Baselitz. Dieser Künstler ist bekanntlich ganz einfach zu erkennen, weil bei ihm meistens das Motiv auf dem Kopf steht. Doch die App hatte keinen blassen Schimmer und bot mir an, dass ich alle Daten selber eintippe, auf dass sie sie speichere.

Das hätte ich machen können, und zwar auch kreuzfalsch. Machte ich aber nicht. Und die App bot mir an, das Bild «manuell zu matchen», die Antwort sollte innerhalb von 12 Stunden kommen. Das klingt nach einem erstaunlich intensiven Manpower-Bedürfnis für eine App! Und einem noch erstaunlicheren langsamen Tempo. Ich warte.

Schweizer Auktionator Simon de Pury im Werbefilm für die Magnus-App. (magnus.net)

Was hat dieser Magnus, dass ihm die Herzen der einflussreichen Menschen zufliegen? In seinem Werbefilm tritt sogar Simon de Pury auf, der sympathische Schweizer Auktionator.

Vielleicht erinnert sie die Grossspurigkeit des Deutschen an die sorglose Bling-Bling-Ära der 1990er-Jahre. Das ist für die Kunstwelt so etwas wie eine Kindheitserinnerung. Damals ging es los mit den Fantastilliarden im Kunstmarkt. Inzwischen sind die Preise im obersten Segment weiter gewachsen, und die Kunstwelt hat gemerkt, dass eine solche Hausse auch bittere Konsequenzen hat: bei so verlockenden Gewinnen wächst die Kriminalität (Diebstahl, Fälschung, Schmuggel). Der Markt verwandelt sich, professionalisiert und konzentriert sich, die grossen Player übernehmen alles. Ja, ja, charmant geht anders.