Kunstsammler, vor allem die grossen, stehen früher oder später vor einem Dilemma. Ihre Leidenschaft gilt dem Sammeln. Sie suchen, kaufen die schönsten Werke, stellen eine Sammlung zusammen, die in ihrer Gesamtheit bedeutungsvoll ist und ihre ganz eigene Weltanschauung widerspiegelt, und dann? Was tun damit?

Eines der spektakulärsten Privatmuseen: The Broad in Los Angeles, für 140 Millionen vom Developer Eli Broad erbaut und im September 2015 eröffnet. (Bild E. Daniels)
Ich spreche hier nicht nur von den Problemen, die sich im letzten Lebensabschnitt stellen, obwohl diese auch eine Knacknuss sind: Wem vererbt man die Sammlung? Wollen die Kinder ihr Leben fortan der gleichen Passion wie die Eltern widmen? Und wenn nicht, wem vermacht man den Schatz? Schenkungen an öffentliche Museen oder die Gründung eines eigenen Museums bergen als Lösungen ihre eigenen Tücken. Die klügsten unter den Sammlern, wie etwa der Basler Kunsthändler Ernst Beyeler, wissen ihr Lebenswerk auf eine für die Allgemeinheit nutzbringende Art auf eine eigene Umlaufbahn zu schicken (als die famose Fondation Beyeler). Auch die Dauerleihgabe an ein öffentliches Museum, wie es zurzeit mit der Stiftung Sammlung Bührle oder dem Zusammengehen der Fondation Hubert Looser und dem Kunsthaus Zürich angedacht ist, sind sinnvolle Alternativen.
Aber schon vorher gibt es eine Schwierigkeit. Denn gute Kunst will gesehen werden. Sie lebt von der Begegnung mit dem Publikum, erst diese macht ein Kunstwerk lebendig und aktuell. Und doch übersteigt der Aufwand einer hochstehenden Ausstellungsaktivität oft die Möglichkeiten eines vielbeschäftigten Individuums, auch wenn es über ein gewisses Reichtum verfügt. In der französischen Stadt Angers im Westen von Frankreich entsteht zurzeit ein Museumsmodell, das diesem modernen Problem (modern, weil das Kunstsammeln in den letzten Jahren zu einer überaus beliebten sinnstiftenden Beschäftigung geworden ist) Abhilfe schaffen soll.

Das geplante «Musée des collectionneurs» in Angers. (Rendering ©Steven Holl – Franklin Azzi Architecture – Paul Arene/ XO3D for Compagnie de Phalsbourg)
Angeregt durch einen von der Stadtverwaltung ausgeschriebenen Wettbewerb, hat der französische Immobiliengigant La Compagnie de Phalsbourg das «Musée des collectionneurs» konzipieren lassen. Die Idee ist, eine Museumsstruktur ins Leben zu rufen, die private Sammlungen auf Zeit beherbergen kann. So könnte sowohl das Publikum von den Schätzen der Millionäre profitieren, wie auch diese ein Museum temporär ihr Eigen nennen, und zwar, ohne die Mühsal des Baus und des Betriebs auf eigene Schultern zu nehmen. Kann eine solche Idee Schule machen? Vielleicht schon.
Zu den Vorteilen eines solchen Systems gesellen sich leider auch einige Nachteile – der grösste darunter könnte die mangelnde Nachhaltigkeit sein. Während aus dem Engagement Ernst Beyelers ein Pfeiler der Basler, der Schweizer Kultur gewachsen ist, riskiert eine nur temporär gezeigte Sammlung, eine solch längerfristige Wirkung auf ihre Umgebung zu verfehlen. Die Anlage, die vom Einkaufszentrum-Erbauer de Phalsbourg stammt, trägt auch konsumistische Züge: An das Museum ist ein Hotel angeschlossen, inklusive Spa und Einkaufsmeile. Kunst als Wellness … So ist grosse Kunst, wie ich sie verstehe, nicht gemeint.

Eingangsbereich in Angers. (Rendering ©Steven Holl – Franklin Azzi Architecture – Paul Arene/ XO3D for Compagnie de Phalsbourg)
Indes gehört das «Musée des collectionneurs» zu den Gewinnern des Wettbewerbs, also zu den zur Realisierung ausgewählten Projekten; hat also gute Chancen, das Licht der Welt zu erblicken. Die Architektur stammt vom US-Büro Steven Holl und mutet sehr futuristisch an. Ich könnte mir vorstellen, dass diese auf ihrer schmalen Seite stehenden Triangel die Türme des nahegelegenen Schlosses von Ludwig dem XV. umgekehrt spiegeln sollen. Andererseits sehen sie auch ein bisschen wie ausgerissene Zähne aus und erdrücken das hinter ihnen situierte Hotel auf eine eher unangenehme Art und Weise.
Beraten wird das westfranzösische Projekt, welches die Tradition der Loire-Schlösser mit einer modernen Sehenswürdigkeit fortführen will, von dem bekannten französischen Kulturfunktionär Jean-Jacques Aillagon. Er war (unter Jacques Chirac) schon französischer Kommunikationsminister und auch Generaldirektor des Privatsenders TV5. Er soll auch den Megasammler und Multimilliardär François Pinault beraten. Bis 2011 war Aillagon zudem Präsident des Château de Versailles und verantwortlich für die umstrittene Ausstellung des Japaners Takashi Murakami im Schloss der Schlösser.

Vorfabrizierte Museumskuben: Das Projekt «Reproducible Museums» von Robbie Antonio. (courtesy Revolution Precrafted Properties)
Die Entwickler aus Angers sind auf ihre Idee sehr stolz – und lassen verlauten, dass sie eine internationale Weltpremiere sei. Das stimmt allerdings nicht ganz, denn bereits im Frühling 2017 lancierte der philippinische Sammler und Immobilienentwickler Robbie Antonio eine Idee für temporäre Sammlermuseen. Er sah allerdings eine vorgefertigte Museumsstruktur vor, die für weniger als 1 Million Dollar an einem beliebigen Ort in nur 6 Monaten aufgestellt werden könnte und nach Bedarf auch wieder entfernt. Ironischerweise hat der in Manila stationierte Antonio nicht wie die Franzosen auf die US-Architekten gesetzt, sondern hat sich seine Museums-Präfabrikate von den Franzosen Jean Nouvel und Christian de Portzamparc entwerfen lassen.
Angers: Ein Zahnarzt hat es entworfen. ;-)
Gibt es auch nur ein Kunst-Museum, das Gewinn abwirft, wenn man die Ausstellungs- und Betriebskosten den Ticket-Einnahmen gegenüberstellt? In Museen wird in erster Linie Kunst ausgestellt. Viel seltener ist diese Kunst auch echte Kultur, das heisst ein Spiegel ihrer Zeit. Und noch viel seltener ist diese Kunst aktuelle Kultur, die uns darum auch beeinflussen kann.
Für Museen Geld auszugeben und dafür Geld bei Schulen/Universitäten einsparen zu müssen, ist so ziemlich das Dümmste, wofür sich ein Staat entscheiden kann. Strassen verlottern zu lassen oder die Sicherheit (Polizei) nicht zu gewährleisten genauso. Wacht endlich auf, Politiker, und setzt Prioritäten.