#Bebbimegalife

Claudia Schmid am Mittwoch den 29. Juni 2016

Ist es ein schlechtes Zeichen für Zürich? Mehrere dynamische Junggalerien und Galerien wechseln nach Basel. Am Rande der Art Basel gab zu reden, dass Jean-Claude Freymond-Guth die Stadt gewechselt hat. Denn er hat mit seinem intelligenten Programm im Löwenbräu in Zürich wichtige Akzente gesetzt (Private View berichtete hier). Mit seiner ersten Ausstellung in Basel hat er auch sofort den Vogel abgeschossen: Hannah Weinberger, die eine Einzelausstellung in den neuen geheimnisvollen Herzog-&-de-Meuron-Räumen des heimkehrenden «Bebbi» Freymond-Guth hat, bekommt kurz nach der Vernissage den mit 20’000 Franken dotierten Kunstpreis der Schweizer Guggenheim-Stiftung (zum Preis gehört auch ein Finanzierungsbeitrag an eine spätere Ausstellung). Glückwunsch, hier geht es erst mal zum Vernissagenbericht unserer Basler Korrespondentin Claudia Schmid:

Zum gigantischen Galerienraum geht es hinunter: Die Galerietreppe und der Galerielift, mit Jean-Claude Freymond-Guth und der Designerin Julie Egli

Zum gigantischen Galerienraum geht es hinunter: Die Galerietreppe und der Galerielift, mit Jean-Claude Freymond-Guth und der Designerin Julie Egli.

Was: Previewtage der neuen Galerie Freymond-Guth & Eröffnung der Ausstellung «On seen» von Hannah Weinberger
Wann: Samstag 4. Juni, und Sonntag, 12. Juni 2016
Wo: Riehenstrasse 90 B (im Innenhof), Basel

Jean-Claude Freymond-Guth führt ein #Bebbimegalife. So heisst einer seiner lustigen Hashtags, den er auf Facebook beim Posten von Bildern seiner neuen Galerie benutzt. Wir finden den Ausdruck treffend, denn er sagt in einem Wort, worum es hier geht: Der Galerist, ursprünglich ein «Basler Bebbi», ist in seine Heimatstadt zurückgekehrt. Und dort ist es gerade mega. Denn der 37-Jährige lebt und arbeitet wieder in der Rheinstadt – in einer neu gebauten Galerie. Im gleichen Komplex befindet sich auch seine Wohnung.

Hannah Weinbergs Installation: Ein Spiel mit Reflexionen, Klängen, Bildern

Hannah Weinbergs Installation: Ein Spiel mit Reflexionen, Klängen, Bildern.

Nach Jahren in Zürich, zuletzt als Mieter im Zürcher Löwenbräuareal, entschied sich Freymond-Guth, auf Basel zu setzen. «Basel ist im Moment gerade einzigartig, was die Mischung aus Freiraum, Do-it-yourself, Hochkultur und Dynamik angeht.» In Zürich-West, wo sich das Löwenbräu befindet, war zuletzt «alles ziemlich kühl und durchgedacht. Es leben ja fast nur noch Expats dort.» Freymond-Guth ist nicht der Einzige, der die Museumsstadt Basel als Galerienstadt wiederentdeckt. Auch die Zürcher Oskar Weiss und Oliver Falk erhoffen sich etwas vom Rheinknie. Seit diesem Frühjahr betreiben sie an der Rheingasse die Galerie Weiss Falk.

Einblicke in die von Herzog & de Meuron entworfenen Räume. Links «On see» von Weinberger, rechts der Showroom mit Werken von Heide Bucher und anderen

Einblicke in die von Herzog & de Meuron entworfenen Räume. Links «On seen» von Weinberger, rechts der Showroom mit Werken von Heidi Bucher und anderen Künstlern der Galerie.

Im Fall von Freymond-Guths neuem Standort handelte es sich um ein Angebot, das er nicht ausschlagen konnte: Umgebaut von Herzog & de Meuron, birgt das architektonische Kleinod in den ehemaligen Räumlichkeiten des Basler Denkmalpflege-Archivs eine turnhallengrosse Ausstellungsfläche (850 Quadratmeter!). Aber eben nicht am Tageslicht, sondern im Keller. Den Untergrund muss man sich erst mal erobern – mittels einer steilen Wendeltreppe, die 41 Stufen nach unten führt. Unten Bunker-, oben Bungalow-Feeling. Ein kraftvoller Mix, der begeistert.

Location, location. location: Grad hinter der Messe Basel gelegen, wurde Jean-Claude Freymond-Guths «boîte magique» zum beliebten Treffpunkt der Messe

Location, location, location: Unweit der Messe Basel gelegen, wurde Jean-Claude Freymond-Guths «boîte magique» zum beliebten Treffpunkt der Messe.

Zudem liegt das neue Domizil von «Freymond-Guth Ltd. Fine Arts Depuis 1788» – so der stilvolle Claim der Galerie – nur wenige Meter hinter der Messe Basel. Eine bessere Position während der Art Basel gibt es nicht. Und eine friedlichere Aussicht auch kaum: Die Galerie liegt am Rande eines blühenden Gemeinschaftsgartens mitten in einer Siedlung. Die gestressten Messebesucher kamen in Scharen, und man wusste nicht recht, ob sie hingebungsvoller die Kunst verschlangen oder einfach nur ins Grüne schauten.

Friedliche Aussicht ins quartier: Ins Grüne schauen aus der Box heraus

Friedliche Aussicht ins Quartier: Ins Grüne schauen und Oranges trinken in der Box.

Der Eingangsraum besticht durch eine offene Front; die wie ein Riesenfenster wirkt. Man setzt sich in den «Rahmen» und ist gut drauf. Auf dieser Ebene gibt es auch eine Bar, Transportkisten als Hocker, dahinter das grosszügige Büro der Galerie mit Innenhof, daran schliesst sich die private Wohnung von Freymond-Guth an.

Künstlerin Hannah Weinberger (links) und die vielen Besucher ihrer Vernissage

Künstlerin Hannah Weinberger (links) und die vielen Besucher ihrer Vernissage.

Von aussen würde man niemals drauf kommen, dass sich im Untergeschoss eine Galerie versteckt. Eine Boîte Magique sei das, sagt Freymond-Guth, der die letzten Tage Freunde und Bekannte in sein neues Paradies eingeladen hat. Alle kamen vorbei: viele junge Künstler, darunter Pedro Wirz oder Johannes Willi, Galeristen wie Giangi Fonti mit Heike Munder und Familie, Leute von Herzog & de Meuron, darunter Senior Partner Ascan Mergenthaler, oder Liste-Chef Peter Bläuler. Es war ein toller Friends-and-Family-Anlass mit vielen schreienden Kindern und Babys.

Vernissagegäste: Roger Meier (Neutral Innovation), XY von xy, Giangi Fonti, Galerist aus Neapel

Vernissagegäste: Roger Meier (Neutral Innovation), Kiki Seiler vom Kunstraum Riehen, Giangi Fonti, Galerist aus Neapel und Partner der Migros-Museum-Chefin Heike Munder.

Eine Wendeltreppe führt nach unten (für Faule gibts auch einen Warenlift), dort beginnt der Kunstparcours von Hannah Weinberger. Die in Basel lebende Künstlerin hat mit «On seen» eine perfekt auf die Räumlichkeiten abgestimmte Video- und Audioinstallation geschaffen – es ist die bislang grösste Ausstellung der omnipräsenten Senkrechtstarterin (sie steigt auf der «Bilanz»-Künstlerliste direkt auf Platz 38 ein). Ihre Filme, auf denen schwimmende Quallen, Seifenblasen, Baustellen, ein kauendes Kamel im Amsterdamer Zoo, wippende Plastikmännchen im Schaufenster, Feuerwerke und weitere wundersame Dinge des Lebens zu sehen sind, führen immer tiefer in die Kellerräumlichkeiten hinein.

Rechts das Video mit dem Kamel (aus Weinbergers Installation), links die Bloody Mary Fraktion: Künstlerinnen Selina Grüter, Gina Folly und Michèle Graf

Links die Bloody-Mary-Fraktion mit den Künstlerinnen Selina Grüter, Gina Folly und Michèle Graf. Rechts: Ein kauendes Kamel aus dem Amsterdamer Zoo, zu sehen in der Bild-, Sound- und Ahnungslandschaft von Hannah Weinberger bei Freymond-Guth.

Der riesige, dunkle Ausstellungsraum mit seinen schweren Bunkertüren wird so nicht nur durch die Videos, sondern auch durch schwere Vorhänge geprägt, die einen, geheimen Gängen gleich, in neue Räume lotsen, und auf denen auch Videos gezeigt werden. Auf den Betonwänden und den Vorhängen entstehen, durch Reflektionen von Videos, plötzlich eigenständige Lichtinstallationen. Auch speziell komponiert wurden die Tonspuren. Weinberger ist denn auch als Audiokünstlerin bekannt, viele ihrer Arbeiten bestehen hauptsächlich aus Klang. Hier bei Freymond-Guth vermischt sich etwa der Klang, der entsteht, wenn man die Wendeltreppe runterkommt, mit dem metallenen «Wendeltreppen»-Schritt aus Lautsprechern.

Fenstergespräche: In und vor der Boîte versammelt sich das Kunstvolk gerne. Links Künstler Pedro Wirz (der Bart ist etwas kürzer)

Fenstergespräche: In und vor der Boîte versammelt sich das Kunstvolk gerne. Rechts Künstler Pedro Wirz (der Bart ist etwas kürzer).

«On seen» ist ein prominenter Auftritt für die erst 28-jährige Hannah Weinberger, die noch vor drei Jahren die Master-of-Fine-Arts-Schulbank an der ZHDK drückte. Mit einem weiteren Teil ihrer Video-Komposition war sie während der Art auch an den Swiss Art Awards zu sehen – wenige Meter von der Galerie entfernt. Neben Weinbergers Ausstellung ist im Galeriekeller übrigens auch Freymond-Guths Showroom untergebracht. An den rohen Betonwänden hängen Arbeiten von Heidi Bucher, Sylvia Sleigh oder Sullivan Billy. Aber zurück zur «Boîte magique» oben. Als hätte Hannah Weinberger eine Audiospur darüber gelegt, erklingt jetzt auch noch das Orchester des Circus Knie, der auf der Rosentalanlage bei der Messe gastiert.

Ach, diese Ex-Bebbi! Sie wissen, dass es sich neben einem Zirkus bestens leben lässt  – ob es Knie ist oder die Art Basel, spielt eigentlich keine Rolle

Das geheimnisvolle Logo der Galerie - der Eintritt in die Welt des Galeristen Jean-Claude Freymond-Guth

Das Logo der Galerie – die Pforte zur Welt von Jean-Claude Freymond-Guth.

 

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