Er hätte gerne auf den zusätzlichen Werbeeffekt für die Gauguin-Schau verzichtet, gestand mir Fondation-Beyeler-Chef Sam Keller, ihm wäre es viel lieber, wenn das bisher im Kunsthaus ausgestellte Werk «Nafea faa ipoipo» in Basel bliebe. Während sich die Vernissagengäste vor dem Bild scharten, vielleicht zum letzten Mal in Basel, war der soeben bekannt gewordene Verkauf (der Staechelin-Familientrust veräusserte es für angeblich 300 Millionen) natürlich das Thema unter den anwesenden Insidern (Herr Staechelin mit Frau und Sohn war übrigens auch da). Hier schon mal fünf Antworten auf die drängenden Fragen.
Frage 1: Warum verkauft der Sammler ausgerechnet sein Spitzenwerk?
Kein Zweifel, Gauguins Mädchen sind das beste und wertvollste Werk der staechelinschen Sammlung, es könnte eigentlich nur von Van Goghs «Jardin de Daubigny» unter gewissen Umständen konkurrenziert werden (das Bild mit der Katze, über dessen Authentizität viel spekuliert wurde – eine andere Version befindet sich in der geheimnisumwitterten Hiroshima-Sammlung). Die anderen Manets, Monets, Degas, Cézannes etc. sind natürlich auch äusserst wertvoll (einige wichtige sind unten aufgelistet: *), aber doch in einer anderen Kategorie. Es spricht einiges dagegen, ausgerechnet das Spitzenwerk zu verkaufen, also das Aushängeschild, nach dem die Bedeutung des ganzen Konvoluts beurteilt wird. Die Antwort gibt indirekt Rudolf Staechelin selber im Interview, das er der «Basler Zeitung» gab. Er sagt, er wolle von der gegenwärtigen Hausse des Kunstmarkts profitieren, denn wer weiss, wie lange die noch andauern wird. Diese Hausse ist eine Tatsache. Auch eine Tatsache ist, dass ausgerechnet in einer um viele Milliardäre reicher gewordenen Welt ausserordentliche Spitzenwerke einen ganz besonderen Marktwert haben. Denn teure Kunst leisten sich heute viele. Darum sind Ausnahme-Meisterwerke, die aus dem Werk eines einzelnen Malers herausstechen und als Ausdruck einer bestimmten Epoche legendär geworden sind, die allerheissesten Trophäen in einem heissen Umfeld. Die sich obendrein nur ganz wenige weltweit leisten können – diese dafür umso lieber.
* Van Gogh: «Tête d’une vieille femme», «Les harengs saurs», «Le jardin de Daubigny». Corot: «Olevano la Serpentera». Hodler: «La malade», «La morte», «Le Mont Blanc aus nuages roses». Pissarro: «La carrière, Pontoise», «Le sentier du village», «Vue de la Seine». Cézanne: «La maison de Docteur Gachet», «Verre et pommes». Picasso: «Arlequin au loup». Degas: «Femme à sa toilette». Manet: «Tête de femme». Monet: «Temps calme, Pourville» und noch ein Gauguin: «Paysage aux toits rouges».

Kunstkennerin mit unbeschränkten Mitteln: Sheikha Al Mayassa Al Thani (hier mit Robert de Niro). Foto: AFP
Frage 2: Wer ist der geheimnisumwitterte Käufer?
Vielleicht sollte es heissen: Käuferin. Denn vieles deutet darauf hin, dass das Bild nach Katar ging. Was heissen würde, dass der Kauf eine Entscheidung der Schwester des amtierenden Emirs von Katar, Sheikha Al Mayassa Al Thani war. Wenn es um grosse Gesten und raffiniertes Kennertum geht, ist sie die amtierende Königin der Kunstwelt – zumal sie über einen Ankaufsetat von jährlich einer Milliarde Dollar verfügt. Die erst 32-Jährige ist zwar keine Kunsthistorikerin – sie hat Literatur und Politikwissenschaften an der Duke University in den USA studiert –, doch ihre Kunstgeschichte kennt sie aus dem Effeff. Sie wurde als Besucherin schon manches Mal in Basel gesichtet. Für ihr künftiges Museum, in dem die arabische Kunst vor dem Hintergrund der westlichen Spitzenwerke umso heller leuchten soll, könnte dieser wunderbare Gauguin genau richtig sein. Schliesslich spricht das Bild Bände über das Verhältnis zwischen einer alten naturnahen Kultur und der verführerischen, aber auch etwas traurig machenden westlichen Moderne. Ich halte Abu Dhabi für den weniger wahrscheinlichen Anwärter auf den Spitzen-Gauguin. Denn die dortigen Museen entstehen als Joint Ventures mit Louvre und Guggenheim, und die haben eigene Sammlungen. Natürlich kauft Abu Dhabi auch eigene millionenteure Werke, bisher aber doch nicht in dieser Preisklasse.
Frage 3: Wird der Rest der Staechelin-Sammlung verkauft?
Die Mächtigen des Kunstmarkts zittern bereits, dass das ganze Staechelin-Konvolut verkauft wird, was zu einer enormen Erschütterung führen würde. Die Werke würden den Markt überfluten. Die Auktionshäuser würden lange keine Werke von dieser Qualität mehr bekommen. Die Provisionsbestimmungen der Auktionshäuser (Sotheby’s nimmt 25 Prozent) sind hart, private Verkäufe dieser Grössenordnung könnten eine brutale Konkurrenz bedeuten. Doch: Dass gerade ein Spitzenwerk veräussert wird, könnte ein Zeichen dafür sein, dass der Rest nicht zum Verkauf steht. Was Staechelin auch so sagt (wobei, wie man weiss, der Trust sich jederzeit anders entscheiden könnte).
Frage 4: Wenn die Sammlung nicht verkauft wird, wo wird sie eine neue Bleibe finden?
In Zürich sicher nicht. Mit der fest versprochenen Bührle-Sammlung hat das Kunsthaus bessere Karten im Spiel. Es wäre schlecht beraten, mit dem mittlerweile als Trouble-Maker verschrienen Staechelin-Familientrust gemeinsame Sache zu machen. Aber bestimmt sind auch die verbleibenden Werke ein ganz besonderer Leckerbissen für ein weniger gut dotiertes Museum. Nur, im Interesse der Besitzer wäre gerade ein bedeutendes Haus besser. Je bekannter das Haus, in dem die Sammlung präsentiert wird, desto höher später ihr Marktwert. Darum kann Familie Staechelin sich beim Kunstmuseum Basel ruhig bedanken. Wer weiss, ob der hohe Verkaufspreis auch erzielt worden wäre, wäre die Sammlung nicht jahrzehntelang in einem der ersten Häuser Europas ausgestellt gewesen. Man muss wohl abwarten, wer an die Spitze des Kunstmuseums Basel kommt. Die Bewerbungsfrist ist abgelaufen, die Findungskommission müsste in nicht allzu langer Zukunft ihre Wahl bekanntgeben. Vielleicht kann sich der/die Neue mit den Staechelins doch noch einigen. Ansonsten gibt es nicht wenige US-Museen, die interessiert wären. Schliesslich war die Sammlung schon mal in Texas – als der Besitzer sie aus Protest gegen die Einführung des Unidroit-Kulturgüterschutzrechts dorthin verfrachtete. Und wenn meine Fantasie mit mir durchgeht, sehe ich die gerade angekündigte Dépendance der Fondation Beyeler als ein mögliches Domizil vor meinem geistigen Auge. Das Renommee der Fondation ist riesig. Was aber heisst, dass sie auch Bedingungen stellen kann. Und die könnten hart ausfallen, denn:
Frage 5: Muss die ganze Sache mit Dauerleihgaben auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt werden?
Ganz sicher. Denn selten ist der Unterschied zwischen einer Dauerleihgabe und einem Geschenk deutlicher vorgeführt worden. Dabei machen doch die Museen die ganze Arbeit, die man nicht sieht: Konservierung, Aufarbeitung, Vermittlung. Und wenn es hart auf hart kommt, fragt niemand nach ihrer Meinung zum bevorstehenden Deal. Die Schweiz kennt Beispiele einer vorbildlichen Zusammenarbeit zwischen Besitzern und den Museen. Es gab aber auch schon Knatsch. Erinnert sei an den Fall Hermann Gerlinger in Bern oder an die Auseinandersetzung zwischen Baron Thyssen-Bornemisza und der Stadt Lugano, die mit dem Abzug der früher in der Villa Favorita untergebrachten Sammlung nach Madrid endete. Das Kunstmuseum Basel, das jetzt etwas verdutzt aus der Wäsche guckt, war auch schon der Gewinner eines Wettbewerbs um die Gunst einer Stiftung, nämlich im Fall der Sammlung Im Obersteg, die jahrelang vom Berner Kunstmuseum gehegt und gepflegt wurde und dann doch nach Basel kam. Ich könnte mir auch eine Lösung nach dem Beispiel der Nationalbank vorstellen: An den besten Standorten bekommen Stiftungen eine Art Negativzins aufgebrummt. Und müssen auch verbindlich die Laufzeit ihres Darlehens verhandeln.
was soll das theater um dieses bild? schaut aus wie ein besseres lerhstück.
Ich habe das Bild in der Ausstellung im Original gesehen und muß schon sagen, dass es ehr gelungen ist.
http://www.farbismus.com
Herzlichen Dank für Ihren tollen Beitrag
Gibt es Dauerleihgaben in den USA, Grossbritannien, Frankreich und Spanien. Diese Dauerleihgeber haben ihr Geld in der Schweiz gemacht, profitierten von relativ geringen Steuern für ihre Geschäftstätigkeit und haben keine oder geringe Erbschaftssteuern. Wir sind kein revolutionäres und ein sehr gemässigten Land in ihrer Einstellung gegenüber unseren Reichen, wovon einige durchaus grosses für ihr Land getan haben und trotzdem gibt es schöne Anzahl, die ihren Schweizer Patriotismus mit der Karre auf den Misthaufen transportieren. Ist diese Einstellung die Richtige und sollen wir kleinen Leute auch so eine Einstellung übernehmen? Wie man aus dem Artikel entnimmt, zahlt wahrscheinlich Staechelin keinen Rappen an das Basler Kunstmuseum für den Aufwand, dass das Museum mit dieser Dauerleihgabe hatte. Wir Schweizer sind ein vernünftiges Volk, ausser dann wenn unsere Macht-Elite uns zum Beispiel gegen die EU aufhetzt.
der typ heisst staehelin
Ruedi Staechelin ist der Name
Wo wurde eine “Dépendance der Fondation Beyeler” von wem angekündigt und wo soll die sein?
Im Iselin-Weber-Park. http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/kunst/Fondation-Beyeler-plant-Erweiterung/story/29103945
Zu 4 und 5: Wäre es nicht auch denkbar, die Bilder an verschiedenen Orten zu platzieren, so wie es die Gottfried-Keller-Stiftung macht? Jedes Bild dort, wo es Lücken füllt oder aber Schwerpunkte verstärkt? Oder widerspricht das dem Ego einer Stiftung bzw. eines Trusts?
Können Sie mir bitte kurz erklären, warum ausgerechnet “dieser Gaugin” als so wichtiges Werk eingestuft wird ? Ich finde andere Bilder in der Ausstellung mindestens so gut.
Liebe Leserin, ja, in der Ausstellung gibt es Bilder, die diesem Bild durchaus ebenbürtig sind – etwa das grosse Lebenszyklus-Bild aus Deutschland oder die Obsternte aus Russland. Sie kommen aus wichtigen Museen der Welt, in dieser Hinsicht hat Fondation Beyeler ganz tolle Leihgaben für die Zeit der Ausstellung verpflichten können. Diese stehen aber nicht zu Verkauf. Selten genug gibt es Gelegenheit, ein Meisterwerk zu erwerben. Dieses Bild ist unter anderem darum so toll, weil es wie gesagt ein Zusammenkommen der Kulturen und die damit verbundene Melancholie so wunderbar ausdrückt. Die eine Frau, die dem Zuschauer zugewandt ist, trägt traditionelle Kleidung, die andere ein hochgeschlossenes Kleid, wie es Missionare mitgebracht haben. Ihre Haltung, ihr Mienenspiel, das gelbe Aufflammen der Erde, dort wo die Mädchen sitzen… Finden Sie nicht auch, dass das ein tolles Bild ist?
@Hess
“Dieses Bild ist unter anderem darum so toll, weil es wie gesagt ein Zusammenkommen der Kulturen und die damit verbundene Melancholie so wunderbar ausdrückt.”
Wieso Melancholie?
Weil der Zusammenprall mit den neuen Strukturen (etwa der mit der westlichen Kultur, Religion und Moral bei den polynesischen Völkern) immer auch einen Verlust bedeutet. Ich will jetzt nicht sagen Verlust von Unschuld, weil das arg idealisierend klingt, aber einen Verlust von einem unversehrten Selbstbild, von ungeteilter Identität. In kolonialen Verhältnissen, wie sie zu Gauguins Zeit auf den Inseln geherrscht haben, kommt noch ein erhebliches Machtgefälle hinzu.
Frage 6 ist die wichtigste. Leider stellt sie Frau Hess nicht. Sie lautet: Gibt es denn nicht Mittel und Wege, ein solch außerordentliches Werk, ein Welt-Kulturgut, davon zu bewahren, in einem Tresor oder sonstwie unzugänglichen Gemach zu verschwinden, auf unschätzbare Zeit Millionen von Menschen der direkten Betrachtung entzogen?
Lieber Leser, falls das Bild, wie vermutet, von Katar oder Abu Dhabi gekauft worden ist, stellt sich die Frage nicht. Denn beide Staaten sind daran, ihre öffentlichen Museen auszustatten. Die Werke werden dort den Menschen zugänglich sein. Anderen Menschen als bisher, und für uns weniger bequem erreichbar. Was aus unserer persönlichen Sicht wirklich sehr schade ist, aber keinesfalls irgendwie moralisch verwerflich.
ich habe aber, nur um dieses bild zu sehen, verdammt nochmal keine lust in ein land zu reisen, das schwulen, lesben und frauen unterdrückt. dazu die westliche kultur verdammt, andersdenkende bis zum tod malträtiert und den is unterstützt. wir doofen wessis machen aber den kniefall vor den vielen milliarden dieser schleierbraut – notabene unsere milliarden, die wir für ein bisschen öl und benzin hingeblättert haben. das ganze ist nur einfach percers und menschenverachtend.
Müssen Sie nicht, im Internet sind einige hochauflösende Aufnahmen davon zu finden.
Das Bild ist halt Privateigentum, der Verkäufer entscheidet was damit passieren soll… Wollen Sie diese Freiheit einschränken?
Und informieren Sie sich wie die Sammlung Staechelin zusammengekommen ist, Sie finden auch da bestimmt etwas um sich darüber aufzuregen…
Was früher die europäischen Grossindustriellen dürften, machen neu die Ölmagnate aus dem Osten.
Im Musuem in Abu Dhabi müssen Sie ja weder gleichgeschlechtlich Rumknutschen, noch Andersdenken, da dürfen Sie einfach das Bild geniessen.
Interessante Ausführungen insb. zur Rolle von Museen bei Leihgaben. Aber können Sie das mit dem Negativ-Zins etwas besser erklären?
Lieber Leser Markus, das mit dem Negativzins ist nur ein Gedanke.Ich könnte mir vorstellen, dass wenn man die Bedingungen einer Dauerleihgabe klarer definiert und dem Leihgeber auch Pflichten, durchaus auch finanzieller Art, auferlegt, wären die Museen nicht so abhängig von der Lust und Laune des jeweiligen Leihgebers. Und zumindest entschädigt, falls der Vertrag endet.
Ach ja? Und dann gibts Dauerleihgaben nur für die Museen, die keine solche Negativzinsen erheben. Und glauben sie bitte nicht, dass das nur Häuser ohne grosse Reputation sein werden. Gute Feschäfte sind die, von denen beide Seiten etwas haben. Negativzins öffnet den Veeleih dann total f d Kommerz, mit Wettbewerb und 1000 Winkelzügen. Nicht nur denken, nachdenken!