In Rufdistanz zum Löwenbräu

Ewa Hess am Sonntag den 27. April 2014
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Ein Blick in die Ausstellung von Thomas Sauter bei Karma International

Beitrag von Giovanni Pontano

Zwei der spannendsten – wenn nicht die spannendsten – jungen Galerien in Zürich haben vor zwei Wochen bzw. letzten Freitagabend nahe des Löwenbräu-Areals mit neuen Schauen eröffnet: erst Karma International in Wipkingen mit Thomas Sauter, einem jungen Schweizer Maler, der eine Art Pattern Paintings schafft. Der erste Blick sagt, dass da einer aus der 50-er oder 60-er-Jahre Schule kommt, Action-Painting in Reinkultur. Aber da ist ein ganz eigener Umgang mit Mustern, die man etwa in der U-Bahn auf Sitzpolstern findet, da wo heute wirklich High and Low zusammen findet. Und seltsam ästhetisch sind die Werke, einzeln und erst richtig in Serie. Jedenfalls habe ich eine Art Camouflage Painting von Sauter erworben, wunderbar eigen und doch voller Zitate. Andy Warhol und Alighiero Boetti lassen grüssen. An der Vernissage selbst war die aktuelle Szene fast vollständig vertreten und danach gab’s Pizza im High and Low Lokal an der nahegelegenen Limmat. Ganz Pattern eben.

Und am vergangenen Freitag hat Galerie Raeber von Stenglin an der Pfingstweidstrasse nachgezogen und die erste Schau der US-amerikanischen Konzeptkünstlerin Jill Magid vorgestellt. Die Künstlerin selbst führt erst ihr Baby im Hof spazieren und dann ganz selbstbewusst mit haufenweise Erklärungen durch die Ausstellung. Schon im letzten Sommer hat sie an der ArtBasel im tollen outdoor-Programm mit dem Namen «Parcours» eine Brunnenskulptur von Luis Barragàn gebaut (Achtung appropriation art!); – nun schlägt sie den Bogen weiter zu Josef Albers und dessen «Homage to the square». Albers bewunderte Barragàn, beide waren sie Meister der Farbe, und Jill Magid verehrt sie beide. Also wieder: Zitate über Zitate und dennoch eigenständige neue Werke, mit Sorgfalt, Genauigkeit und einer grossen Portion Nonchalance präsentiert, ganz jung und frisch, nur die Preise sind schon sehr arriviert; – doch halt, wir schreiben primär über Kunstgenuss, erst in zweiter Linie über den Kunstmarkt. Das Publikum: Sie erraten es, junge Szene, Künstler und Insider. Ein Anlass in einer der letzten alten Industriebrachen im Quartier, den man um des Inhalts willen besucht und nicht, um sich bei einem Cüpli darüber zu unterhalten, ob der Zürcher Hafenkran Kunst ist oder eben doch nicht (ich meine nein).

Was ich neben diesem Einblick in zwei Einzelschauen sagen möchte: In Rufdistanz zum im letzten Jahr eröffneten noch einmal grösseren und schickeren Löwenbräu besteht eine ganz eigenständige Galerienszene mit einem erstklassigen jungen Programm. Schon ganz schön arriviert, selbstbewusst, aber nicht abgehoben, sorgfältig kuratiert und mit Künstlern, die sich (auch) auf internationalem Parkett zu bewegen wissen. Es kommt mir der Gedanke, dass es den Galerien sogar gut tut, die Rufdistanz, so wie sie ist, aufrecht zu erhalten. Und uns auch.

Karma International, Hönggerstrasse 40, im Einkaufscenter Wipkingen, 8037 Zürich
Raebervonstenglin, Pfingstweidstrasse 23 / Welti-Furrer Areal, 8005 Zürich

Jill Magid, Homage to a Square, After Josef Albers, 2014, Photo: Paul McGeiver | Barragan House living room, Photo: Alberto Moreno

Jill Magid, Homage to a Square, After Josef Albers, 2014, Photo: Paul McGeiver | Barragan House living room, Photo: Alberto Moreno

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