Höchste Zeit für einen AHV-Baby-Deal

Zusammenhalten und kreativ sein: Denn die Konkurrenz um die Lohnmillionen ist gross. (Foto: iStock)

Es ist, wie wenn vor der Geburt die Wehen einsetzen: Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Am Dienstag hat die Sozialkommission des Ständerats beschlossen, dass die Schweiz einen Vaterschaftsurlaub braucht. Damit lässt sich die staatlich verordnete Papizeit kaum mehr aufhalten. Vielleicht wird sie zwei Wochen dauern, wie es die Kommission will, vielleicht vier Wochen, wie es eine Volksinitiative verlangt.

Mir hat die Idee eines gesetzlichen Vaterschaftsurlaubs nie eingeleuchtet. Vorab: Ich bin befangen. Drei Kinder habe ich, das reicht. Deshalb könnte ich nicht mehr von den geschenkten Papitagen profitieren. Doch das ist nicht das Problem, ich mag allen Vätern in spe ihren Urlaub von Herzen gönnen. Wobei mir bewusst ist, dass es gar kein Urlaub sein wird, obwohl er so heisst.

Was bringts?

Es gibt da einfach ein paar offene Fragen. Warum muss der Staat die Väter zu ihrem Glück zwingen? Reicht es nicht, dass von Aldi bis Zurich immer mehr Firmen freiwillig einen Urlaub gewähren, der über den gesetzlich garantierten einen Tag hinausgeht? Wäre das Geld nicht klüger investiert, wenn man damit mehr günstige Betreuungsangebote ermöglichte?

Und vor allem: Was bringts? Ein paar Gratistage nach der Geburt sind sicher toll. Aber danach? Wenn Papi nachher wieder hundertprozentig im Büro verschwindet, ist der gleichberechtigten Rollenteilung null und nichts gedient. Entscheidend ist nicht die kurze Frist, sondern die lange: Mutter und Vater müssen die Möglichkeit haben, Familie und Beruf nach ihren Vorstellungen zu organisieren, gemeinsam und frei auszuhandeln, wer wie viel arbeitet und daheim ist. Und ja, ich gebe zu: Auch ich bin erstaunt, dass so viele Väter – über 80 Prozent – Vollzeit arbeiten. Wenn der Vaterschaftsurlaub daran etwas ändern würde, wäre das immerhin etwas. Aber Fehlanzeige: «Väter verändern ihren Beschäftigungsgrad kaum aufgrund von Elternzeit.» Der Satz stammt nicht von Hardcorekonservativen, sondern aus einer Analyse im Auftrag der Koordinationskommission für Familienfragen. Diese kämpft zuvorderst für einen Vaterschaftsurlaub.

Vaterschaftsurlaub versus ausgedehnter Seniorenurlaub

Am Ende gehts ums Geld. Ein vierwöchiger Vaterschaftsurlaub kostet 420 Millionen Franken im Jahr. Finanziert würde er über die monatlichen Lohnbeiträge, die alle Angestellten und Arbeitgeber in diesem Land bezahlen. Der Lohnabzug müsste um 0,11 Prozentpunkte steigen. «Nur 0,11 Prozent?», rufen nun alle Vaterschaftsurlauber empört. «Sind uns die Väter nicht einmal so viel wert?» Nun ja, die Löhne werden auch sonst immer stärker angefressen, primär für die Altersvorsorge. Ab 2020 soll die AHV 0,3 Prozent mehr erhalten. Etwas später folgen die Pensionskassen. Merke: Der Vaterschaftsurlaub hat mächtige Konkurrenz im Kampf um die Lohnmillionen. Die AHV ist ja nicht viel anderes als ein ausgedehnter Seniorenurlaub.

Nun denn, wenn es ein Abwägen ist zwischen Vater- und Rentnerschaft, drängt sich ein AHV-Baby-Deal auf. Kuhhändel sind ja en vogue. Also: Neurentner werden Familien mit Neugeborenen ein Jahr lang zum 24-Stunden-Hilfsdienst zugeteilt (Abt. HD Grauer Panther); Väter absolvieren nach der Geburt einen Zwangsurlaub daheim nach progressiven Ansätzen (je höher ihr Arbeitspensum, desto länger der Urlaub); Mütter leisten nach dem Mutterschaftsurlaub drei Monate Militärdienst, um sich von den Strapazen daheim zu erholen (postnataler Durchdiener); und die kinderlosen Paare bezahlen das Ganze.

19 Kommentare zu «Höchste Zeit für einen AHV-Baby-Deal»

  • Sportpapi sagt:

    Tatsächlich sind die Kosten nicht riesig. Nur wird das bei jedem neuen Ausbau des Sozialsystems angeführt (und dann gerne mit den Militärausgaben verglichen, die ja sowieso sinnlos seien…).
    Wichtig wäre es, dass Neu-Väter nach der Geburt ihrer Kinder wirklich frei nehmen könnten, egal ob bezahlt, z.B. auch im regulären Ferienanspruch, oder unbezahlt.
    Kommt dazu, dass nach dieser Initiative umgehend die nächste folgt, denn „Steinzeit“ werden wir noch immer bleiben, und zuhinterst in allen Ranglisten nicht nur in Europa.
    Alle Eltern würden lieber überall sonst leben, nur nicht in der „Familien- und Kinderfeindlichen“ Schweiz.
    Oder doch nicht? Haben wir nicht mehr zu bieten?

  • Sisifee sagt:

    „Und vor allem: Was bringts? Ein paar Gratistage nach der Geburt sind sicher toll.“
    Es bringt vor allem der Mutter und dem Kind sehr viel, wenn der Vater die ersten paar Tage, die in der Regel geprägt sind von Geburts-Erschöpfung und Still-Stress, mit anpacken kann. So einfach ist das.

    • zysi sagt:

      Stimmt, die ersten paar Tage mit anpacken hilft enorm.
      Das haben wir auch so gehandhabt – einfach ohne staatliche Unterstützung resp. erzwungener Solidarität der Gesellschaft, also auf eigene Kosten.
      Heute ist der Jüngst der dreien im Kindergarten gestartet und die Mama (wie auch der Papa) wieder am arbeiten.

  • Röschu sagt:

    Die Frage ist und bleibt, weshalb der Staat und somit letztlich die Allgemeinheit die selbstgewählten Lebensmodelle einiger Individuen finanzieren soll.

    • Kerstin Moser sagt:

      Weil die Gesellschaft sich wandelt. Weil die Gesellschaft die Arbeitskraft der Mütter will. Weil die Ahv und andere Solidaritätsmodelle Kinder brauchen, um sie am Leben zu erhalten. Weil Kinder zu Konsumenten und späteren Arbeitskräften heranwachsen.

      • UrsO sagt:

        Also ist Kindergebären der Frauen Bürgerpflicht… Ich hab jedoch noch nie eine Frau hören sagen, dass sie sich ein Kind wünscht, weil unser Gesellschaftssystem diese braucht. Sondern es geschieht doch einzig nur darum sich als Mutter selbstzuverwirklichen.

        • Kerstin Moser sagt:

          „Sondern es geschieht doch einzig nur darum sich als Mutter selbstzuverwirklichen“
          Würden sich alle Frauen (und ihre Männer) zusammen weigern, Kinder zu kriegen, wäre der Aufschrei und die Auswirkungen gross.
          Ein Baum spendet Schatten und wird dafür geschätzt, auch wenn Sie dem Baum eigentlich piep egal sind… Er spendet den Schatten trotzdem.

  • Ralf Schrader sagt:

    Die jungen Menschen, welche heute ins Erwerbsleben treten und AHV- Beiträge für die heutigen Pensionäre bezahlen, werden selbst nie AHV- Rente beziehen. Das Umlagen- und das Versicherungsprinzip für soziale Leistungen werden demnächst unwiderruflich verschwinden, spätestens, wenn die materielle Wertschöpfung menschenbefreit sein wird.

    Es findet eine Art Generationengerechtigkeit statt. Die erste Generation AHV- Rentner hat ohne Einzahlung bezogen, die letzte Generation Einzahler zahlt ohne eigenen Bezug. In 30 Jahren gibt es auch keinen Mutterschaftsurlaub mehr, also braucht man auf die letzten Tage auch keinen für Väter einführen. Dafür wäre vor 50 Jahren der rechte Zeitpunkt gewesen.

    • Kerstin Moser sagt:

      Die ersten kriegten ausgezahlt, ohne eingezahlt zu haben, nach 1980 geborene sollen wohl nichts mehr erhalten, obwohl sie einzahlen. Das entspricht der Generation, die zur Zeit Kinder haben / haben werden. Echte Generationengerechtigkeit wäre also, nun subito für diese Generation den Vaterschaftsurlaub einzuführen.

  • G.Yildirim sagt:

    Nein, es braucht Keinen Vaterschaftsurlaub. Man weiss ja den Termin der Geburt und kann sich dann 2 – 3 Wochen Ferien nehmen, wenn man darauf erpicht ist, die 1.Zeit mit dem Neugeborenen zu verbringen.
    Ein reiches Land wie die Schweiz die diskutieren muss, ob 70 Franken mehr AHV drin liegen für die Bürger, sollte sich schämen, Millionen für überflüssiges wie ein Vaterschaftsurlaub zu genehmigen auf Kosten der Steuerzahler.

    • Christoph Bögli sagt:

      Schräge Argumentation. Erstens summieren sich selbst marginale AHV-Erhöhungen natürlich auch zu Millionen bzw. gar Milliarden, es ist darum ein billiger Taschenspielertrick, monatliche Pro-Kopf-Erhöhungen mit Gesamtsummen zu vergleichen.

      Wichtiger aber: es sind ja genau die gleichen Kreise, die mit den immer genau gleichen Argumenten beides verhindern. Die Politiker, die jede AHV-Erhöhungen versenken, sind die gleichen, die keinen Vaterschaftsurlaub wollen und auch sonst nichts, das Zusatzkosten verursachen könnte. Ausser es geht ums Militär..

    • Kerstin Moser sagt:

      Mein Mann hat beim 1. Kind Ferien genommen, 1 Woche. Das Baby hat sich dann sehr viel Zeit gelassen, um auf die Welt zu kommen – und dabei die ganze Woche und mehr verstreichen lassen, ohne aufzutauchen. Man weiss eben nicht, wann das Baby kommt, ausser bei einem Kaiserschnitt. Später Baby da, Ferien aber schon futsch..

    • Susanne sagt:

      …“man weiss ja den Termin der Geburt“…
      Sehr geehrte Frau/Herr Yildririm,
      …der natürlich Geburtstermin erstreckt sich über ein Zeitfenster von bis zu 6 Wochen – ausser man macht einen Kaiserschnitt. Informieren sie sich doch wer am Kaiserschnitt mitverdient, warum dieser in den Spitäler unter Ärzten so beliebt ist und dann auch die andere Seite, was sind die konsequenzen für Kind und Mutter (wenn kein Risiko besteht).

  • Anh Toàn sagt:

    Man sollte nicht Altersrente gegen Vaterschaftsurlaub abwägen, sondern man sollte die Finanzierung von beidem anders gestalten. Laufend werden die leistungslosen Besitzeinkünfte entlastet, das Einkommen aus Vermögen, gerade wird die Abschaffung des Eigenmietwertes diskutiert (halte ich sogar für richtig, mit Streichung von Schuldzins- und Unterhaltskostenabzug).Und dafür werden entweder Erwerbseinkommen belastet, nicht mal progressiv sondern linear, oder sogar Kopfsteuern (Krankenkasse) eingeführt.

    Den Vaterschaftschaftsurlaub habe ich mir genommen, unbezahlt, ich arbeite selbständig. Kein Mann dessen familie sein Erwerbseinkommen braucht, soll bei seinem Chef betteln müssen, ein paar Tage frei zu haben um die Mutter zu unterstützen. Darum muss er ins Gesetz.

  • Dennis Bircher sagt:

    Ich hätte eine bessere Idee: Wieso nicht einfach generell einen staatlich finanzierten Urlaub? Vater- und Mutterschaftsurlaub sind nämlich diskriminierend, wer kann schon etwas dafür, dass er keine Kinder bekommen kann? Oder will? Also, anstatt Vater- und Mutterschaftsurlaub einfach generellen Urlaub für alle, auch für Kinderlose.

    • Kerstin Moser sagt:

      Ihnen ist hoffentlich klar, dass die Väter zur Zeit nicht dafür kämpfen, um mehr Ferien zu haben und endlich mal auf die Malediven zu jetten… Aber ich verstehe schon. Vaterschaftsurlaub klingt halt für kinderlose nur nach Urlaub und weckt unnötig Neid. Eigentlich geht es um Elternzeit.

  • Kerstin Moser sagt:

    „Reicht es nicht, dass von Aldi bis Zurich immer mehr Firmen freiwillig einen Urlaub gewähren, der über den gesetzlich garantierten einen Tag hinausgeht?“ Nein, reicht nicht, weil zu viele Firmen sich auf das gesetzliche Minimum beschränken. 1-2 Tage! Die Frau ist wohl 4 Tage im Spital, schon das alleine geht nicht auf. Was passiert mit den grösseren Kindern? Wenn das Umfeld arbeitet und keine Grosseltern da sind.. Dann ist es einfach hanebüchen, dem Mann 1-2 Tage zuzugestehen. Ausserdem glaube ich schon, dass es einen Einfluss darauf hat, ob der Mann danach zu Hause eine aktivere Rolle einnimmt. 1. Er sieht, dass es zu hause auch Arbeit ist, folglich unterstützt er. 2. Ist die Bindung zum Baby sicher grösser und daher auch mehr Wille da, sich am Grossziehen zu beteiligen.

  • Max Schiele sagt:

    „Und vor allem: Was bringts?“. Dem jungen Vater die Möglichkeit, sein Baby kennen zu lernen und in die neue Situation hinein zu wachsen. Es ist doch eigentlich eine Frechheit, dass dies nur der Mutter zugestanden wird, so als zählten die Väter überhaupt nicht oder als wären sie nur Zahlväter.

  • Zopfi sagt:

    Herr Schäfer…
    Sie sind definitiv ein Herr und keine Dame. Wer schaut denn zuhause der Mutter, wenn sie keine Eltern um sich hat? Sie soll gebären, und dann auch gleich dem kleinen schauen und sich selbst (manchmal gebährt man ja lange, oder auch nach einer Operation (Kaiserschnitt) gehts einem länger nicht ganz prächtig. Können sie sich vorstellen, wie sich das anfühlt? So richtig, in ihrem Körper?

    Wieviele meiner Bekannten, trauen sich nicht nach einem unbezahlten Vaterschaftsurlaub zu fragen, denn es könnte ja sein, dass dies dem Chef nicht gefällt?

    Ein zweiwöchiger Vaterschaftsurlaub (ob 50 oder 100%) wäre definitiv ein Schritt richtung Gleichberechtigung. Schade dass sie dies als Mann anders sehen.

    freundlichst, Hanna Zopfi

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