Unwürdiges Versteckspiel um den Rosengartentunnel

So soll sich der Tunnel unter der Rosengartenstrasse dereinst den Autofahrern präsentieren. Visualisierung: Architron
Ob die Zürcher Stadträte auch im Wahlkampf schweigen werden? In elf Monaten bestellt das Zürcher Stimmvolk seine Regierung neu, wohl ohne zu wissen, was die Magistraten persönlich vom wohl umstrittensten verkehrspolitischen Projekt Zürichs halten: dem geplanten Bau des Rosengarten-Tunnels. Dieser vierspurige Autotunnel soll auf der Rosengartenstrasse Platz für ein neues Tram schaffen; eine der verkehrsreichsten Strecken im Land soll zur Quartierstrasse mit Tempo 30 werden. Kostenpunkt: mehr als eine Milliarde Franken.
Die Stadträte quittieren eine entsprechende Frage dieser Zeitung mit Schweigen. Stattdessen schaltet sich die Pressestelle des Gesamtstadtrats ein – und wiederholt wortreich bloss, was bekannt ist: dass das Gremium hinter dem Projekt stehe. Einzig Andres Türlers Sprecherin meldet sich separat und verweist auf ein Video, in dem der (abtretende) FDP-Stadtrat vom neuen Tram schwärmt (den Autotunnel dagegen kaum erwähnt). Welch ein Kontrast zu früher! Da haben Magistraten wie Elmar Ledergerber (SP), Kathrin Martelli (FDP) oder Ruth Genner (Grüne) Journalistenfragen im persönlichen Gespräch beantwortet, auch unangenehme. Heute jedoch verschanzen sich – vorab – die rot-grünen Stadträte in einer Festung, die ein Heer von Pressesprechern bewacht. Das ist, zweifelsohne, ein Zeichen von Schwäche.
Im Widerspruch zur rot-grünen Verkehrspolitik
Nun wäre es selbstredend ein Leichtes, das kollektive Schweigen mit Verweis auf das Kollegialitätsprinzip zu begründen. Nur: In diesem Fall gehen die Gründe tiefer. Eine rot-grüne Regierung darf einen Autotunnel nie gutheissen – auch nicht, wenn sie im Gegenzug ein Tram erhält. Die Erfahrung zeigt: Neue Strassen ziehen neuen Verkehr an. Ein Autotunnel widerspricht daher rot-grüner Verkehrspolitik fundamental, zumal in Ballungsräumen, wo der öffentliche Verkehr sowie der Fuss- und Veloverkehr weitaus effizientere Verkehrsmittel als das Auto sind. Bei den linken Parteien ist der Widerstand gegen das Projekt denn auch gross. Die rot-grünen Stadträte wissen darum – und wollen den schwelenden Konflikt im eigenen Lager unterdrückt halten.

Mit offenen Karten spielt Zürichs Hochbauvorsteher Odermatt (SP, rechts), der am 9. Februar 2017 zusammen mit den Zürcher Regierungsräten Kägi (SVP) und Walker Späh (FDP) das Projekt Rosengartentunnel den Medien vorstellte. Foto: Ruedi Baumann
Mindestens zwei ihrer sechs Vertreter im neunköpfigen Gremium haben den Deal mit der bürgerlich dominierten Kantonsregierung gutgeheissen. Zusammen mit Filippo Leutenegger (FDP), Andres Türler (FDP) und Gerold Lauber (CVP), die wohl dafür votiert haben, reicht dies für eine Mehrheit. Sicher ist: Der eine Abweichler ist Hochbauvorsteher André Odermatt. Kopf an Kopf mit SVP- und FDP-Regierungsräten wirbt der Sozialdemokrat auf der Website Rosengarten-zuerich.ch offen für das Projekt. Wer ist noch ins Lager der Strassenbauer gekippt?
Glücklicherweise bricht der inner-linke Konflikt trotz allem gelegentlich auf, zuletzt vergangene Woche, als Naturschützer die Stadtregierung attackiert haben – unter anderem des Rosengartentunnels wegen. Mögen weitere Nadelstiche folgen. Die Wähler haben ein Anrecht auf Transparenz.
14 Kommentare zu «Unwürdiges Versteckspiel um den Rosengartentunnel»
„Eine rot-grüne Regierung darf einen Autotunnel nie gutheissen – auch nicht, wenn sie im Gegenzug ein Tram erhält.“
Was für eine dogmatische, undifferenzierte Aussage! Genau diese Diskrepanz zwischen rot-grüner Fundamentalopposition der ideologisch reinen Lehre, sowie pragmatischer Führungserfahrung zeichnet die Gräben immer wieder aus, die immer wieder aufreissen zwischen kompetenten rotgrünen Exekutivpolitikern und ihrer teils weltfremd-schöngeistigen Parteigenossen (nicht zu verwechseln mit der Wählerschaft, bei der eben diese Exekutivpolitiker gerade für ihr differenziertes Handeln zumeist Spitzenresultate erringen).
Nur kurz: der Rosengarten ist eine kantonal bedeutsame Achse, ein Rückbau mit konsequenter Untertunnelung wäre eine Errungenschaft, eine win-win-Lösung für alle.
@Frey: Sie haben recht, dass die Formulierung des Journalisten dogmatisch und undiffernziert ist. Aber beim Rosengartentunnel trifft es tatsächlich zu, dass dieser einer rot-grünen Verkehrspolitik widerspricht. Und eine win-win-Lösung, welche für jeden Kantonsbewohner 1000.- kostet ist keine win-win-Lösung. Meine 5köpfige Familie in Winterthur, welche diesen Tunnel NIE benutzt, soll 5000.- zahlen? Wahnsinn!
@Engler: Ich glaube Sie und ihre Familie haben mindestens via Steuern schon unsinniger 5000.- ausgegeben…
Ab und zu etwas Solidarität mit anderen (Städten, Bürgern etc.) ist mal angesagt!
Die Steuern werden progressiv erhoben. Kinde rzahlen keine Steuern. Je nach Ihrem Einkommen zahlen Sie also viel weniger oder viel mehr-
@Engler: Es gibt diverse teils relevante Budgetposten auf allen Ebenen, zu denen ich meinen steuerlichen Beitrag leiste, von denen ich nie etwas haben werde. Und mit denen ich auch nicht zwingend einverstanden bin, es aber auch nicht sein muss. Denn das gehört nun mal auch zum Solidaritätsprinzip des Steuerzahlens.
Daher ist dies in meinen Augen kein sehr gutes Argument. Entscheidend ist lediglich, ob es auch Sicht des Kantons Relevanz hat. Und das tut die Rosengartenachse.
Es ist schön, dass beim Tagi jeder Redakor/In undifferenziert seine Ideologie los werden und über Stadt- und Regierungsräte Ohne Respekt herziehen kann. Wirklich früher, da hat Herr Häne wohl erst entdeckte, dass es eine Schreibmaschine gibt, hätten diese Herren der sogenannte unabhängigen Zeitung keine Auskunft gegeben. Da gab es eben noch klare Alternativen, bei denen man wusste, wo sie stehen.
Heute bekämpft der Tagesanzeiger das Projekt Rosengarten seit längerer Zeit mit undifferenzierter Themen- und Personenauswahl. Ich wünsche jedem Tagi Redaktor/In eine Wohnung an dieser Strasse mit täglich 56’000 Fahrzeugen. Dass das Projekt eine wirkliche letzte Lösung für die Strasse ist, das wird in diesem Blatt ja verschwiegen.
Ich halte zwar nichts von diesem Projekt, da es sich um ein sündhaft teures Flickwerk handelt, dessen beschränkter Nutzen den hohen Preis niemals aufwiegt.
Die dogmatische und absolutistische Aussage von Herrn Häne, eine rot-grüne Regierung dürfe einen Autotunnel nie gutheissen, kann ich aber so nicht stehen lassen. Diese zeugt von einer unglaublichen ideologischen Verbohrtheit, wie sie einem leider bei Exponenten des rot-grünen Lagers immer wieder begegnet.
Dabei sollte man auch dort langsam begreifen, dass die Zeiten der fundamentalistischen Grabenkämpfe in der Verkehrspolitik vorbei sein sollten, zumal die kommende technologische Entwicklung hin zu immer vernetzteren und autonomeren Fahrzeugen, die Grenzen zwischen Individual- und Kollektivverkehr je länger je mehr verwischen wird.
Einer der wenigen Vorteile des Alters ist, dass man eine längere Zeiperiode überblickt. Dazu gehört auch die Zeit, als die heutige Rosengartenstrasse gebaut wurde und ein durchgehender Tunnel bereits ein Thema war. Davon wollte die mit Recht aus dem historischen Gedächtnis entschwundene Ursula Koch indessen nichts wissen. Den Preis dafür bezahlen bis heute die Anwohner*innen der Rosengartenstrasse. Dafür, dass Stefan Häne als Artefakt aus jener Zeit ünriggeblieben ist, verdient er unser aufrichtiges Mitgefühl.
„Da haben Magistraten wie Elmar Ledergerber (SP), Kathrin Martelli (FDP) oder Ruth Genner (Grüne) Journalistenfragen im persönlichen Gespräch beantwortet, auch unangenehme“.
Sehr einseitige Wahrnehmung von Stefan Häme. Er sollte mal seine eigene Zeitung lesen. Zwei Beispiele:
Tagesanzeiger vom 12.04.2012: „Sechseläutenplatz: Der Poker von Ruth Genner“: „Stadträtin Ruth Genner wollte eine strittige Aussage nicht kommentieren … Gerne hätte Tagesanzeiger.ch/Newsnet Genner dazu befragt. Doch Interviewanfragen blieben den ganzen Tag erfolglos.“
Tagesanzeiger vom 9.9.2011: „Grüne Stadträtin liess sich mit der Limousine ins Urnerland fahren“ … „Die Vorsteherin des Tiefbauamts bestreitet dies vehement, wie sie über ihren Sprecher Pio Marzolini ausrichten lässt“.
Sorry, Stefan Häne, das war war ein unabsichtlicher Verschreiber.
Nicht der Kommentar, aber der falsch geschriebene Name „Häme“.
Wäre es nicht viel günstiger, das Wohnen an der Rosengartenstrasse ganz zu verbieten und für die heute dort lebenden Menschen Ersatzwohnungen an einem wohnlicheren Ort zu erstellen?
Man könnte auch die Besitzer angemessen entschädigen – wer trotz dem Lärm dort wohnen möchte, kann das zu entsprechend günstigem Preis.
Mit den früheren Pläne der verschiedenen Autobahntunnels unter Zürich aus den 1960er Jahren hätte das „Problem“ schon längst gelöst werden können, Zürich „will“ nicht
http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/region/Die-gescheiterten-Zuercher-Tunnelplaene/story/10544675?dossier_id=2236
Manchmal hilft es sich mit einem Projekt auseinanderzusetzen, bevor man Unwahrheiten verbreitet. Das Argument von Stefan Häne, dass neue Strassen neuen Verkehr anziehen, täuscht falsche Tatsachen vor. Die heutige, oberirdische Hochleistungsstrasse wird durch eine unterirdische _ersetzt_.Die Kapazität des Rosengartens wird eben _nicht_ erhöht. Genau deshalb sind auch Teile der SVP gegen das Projekt. Oberirdisch verbleibt eine Tempo 30-Quartierstrasse, auf welche die Anwohner angewiesen sind. Wenn SVP und Rot-Grün aus gegenläufigen Gründen gegen ein Verkehrsprojekt sind, dass dürfte ein vernünftiger Kompromiss gefunden worden sein. Offenbar sieht dies auch der lokale Quartierverein so.