Täuschung als Geschäftsmodell

VW hat falsche Abgaswerte vorgegaukelt. Foto: Michael Probst (Keystone, AP)

Dass VW die Abgasmessungen von Dieselfahrzeugen weltweit und millionenfach manipuliert hat, ist Fakt. Wer aber meint, damit habe es sein Bewenden, muss zur Kenntnis nehmen, dass andere Konzerne genauso oder noch dreister manipulieren. Systematische Täuschung der Kundinnen und Kunden ist offenbar ein Geschäftsmodell in Teilen der Automobilindustrie. In einer Interpellation habe ich den Bundesrat angefragt, ob er bereit ist, solchen Fahrzeugen die Zulassung in der Schweiz zu verweigern, wie das in einem Abkommen zwischen der Schweiz und der EU vorgesehen ist.

Mehr Schadstoffe als ein Lastwagen

Vor gut fünf Jahren stand ich vor dem Kauf eines neuen Autos. Energieeffizienz und geringer Schadstoffausstoss standen oben auf meiner Prioritätenliste. Der Entscheid fiel auf einen VW Polo Diesel mit Partikelfilter. Jahre später musste ich feststellen: Mein Kleinwagen stösst wesentlich mehr Schadstoffe aus als ein moderner Lastwagen. Mit dem Einsatz von betrügerischer Software hat VW die Kundinnen und Kunden weltweit und millionenfach getäuscht. Rund 180’000 Autos der Volkswagengruppe sind in der Schweiz davon betroffen. Damit aber nicht genug.

Andere Konzerne manipulieren genauso. Im Prüfmodus werden Abgaswerte vorgegaukelt, die im Fahrmodus auf der Strasse stark überschritten werden. Möglich wird das zum Beispiel durch Einrichtungen zur Abschaltung der Abgasreinigung. Das Auto des Jahres 2017 etwa, der Renault Mégane, überschreitet gemäss Messungen der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa), den Stickoxidausstoss um das 17-Fache! Besonders stossend für die Schweiz ist, dass Abgasreinigungsanlagen unterhalb einer bestimmten Temperatur ausgeschaltet werden, zum Teil bereits unter 17° Celsius, oder über einer Höhe von 850 Metern über Meer, wie auch 22 Minuten nach Fahrtbeginn (genau zwei Minuten nach dem gesetzlich vorgeschriebenen 20-minütigen Messzyklus).

Stickoxid-Belastung ist zu hoch

Ein Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages kommt zum Schluss, dass solche Abschalteinrichtungen in Personenwagen illegal sind. Denn gemäss der auch von der Schweiz übernommenen EU-Verordnung 2007/715, Art. 4 sind Auspuffemissionen während der gesamten normalen Lebensdauer eines Fahrzeuges bei normalen Nutzungsbedingungen wirkungsvoll zu begrenzen.

Solcherart manipulierte Fahrzeuge tragen in der Schweiz – abgesehen von der Täuschung der Käuferinnen und Käufer – wesentlich dazu bei, dass die Stickoxid-Belastung in Städten und auch kleineren Orten entlang der Hauptverkehrsachsen permanent zu hoch ist (vgl. NABEL Luftbelastung 2015, S. 33). Trotzdem hat die Schweiz bis heute keine Importbeschränkungen gegen solche Dreckfahrzeuge, welche die zulässigen Grenzwerte stark überschreiten erlassen. Und das, obwohl das Abkommen Schweiz-EU ausdrücklich festhält, dass neuen Fahrzeugen, welche die Umwelt oder die öffentliche Gesundheit ernsthaft gefährden, die Zulassung oder deren Verkauf oder die Inbetriebnahme für eine Dauer von sechs Monaten untersagt werden kann.

Krasse Täuschung

In meiner Interpellation will ich vom Bundesrat auch wissen, ob er bereit sei, von den Handlungsmöglichkeiten des Abkommens Gebrauch zu machen. Höchste Zeit wäre es! Denn eine derart krasse Täuschung der Konsumentinnen und Konsumenten, verbunden mit erheblicher, vorsätzlicher Umweltbelastung, gehört per sofort unterbunden. Zwischenzeitlich prüft auch die Schweizerische Bundesanwaltschaft, ob die Grundlagen für ein Strafverfahren vorliegen. In andern Ländern laufen solche bereits.

25 Kommentare zu «Täuschung als Geschäftsmodell»

  • Max Berchtold sagt:

    Der Konsumentenschutz ist im Vergleich zur EU und erst recht zu den USA hier eine Farce. Zum Beispiel wäre nachdem die Endokrinologie eines Kantonsspitals eines zentralschweizer Kantons einer Bekannten die Hormone massiv falsch dosiert hatte (50% des soll Werts), diese Bekannte in den USA ziemlich vermögend geworden. Hier überlegt man es sich zwei Mal schon nur zu klagen, den zuerst benötigt man selbst ein grosses Finanzpolster.

    • Roland K. Moser sagt:

      Der Rechtsstaat funktioniert für die Normalsterblichen hier überhaupt nicht.
      Hast Du Geld für einen Anwalt, lebst Du in einem Rechtsstaat Schweiz. Hast Du kein Geld für einen Anwalt, lebst Du in der Bananen-Republik Schweiz.
      Recht ist in der Schweiz käuflich, das hat mir vor ca. 20 Jahren ein Rechtsverdreher gesagt. Ich wusste dannzumals schon aus eigener Erfahrung, dass das stimmt.

  • Guido Biland sagt:

    Das Motto unseres Wirtschaftsministers JSA lautet ungefähr so: „Mehr Freiheit, weniger Staat!“ Dass Freiheit nur funktioniert, wenn sie mit Verantwortung einhergeht, interessiert unsere Wirtschaftsmarionetten nicht. Hauptsache, die Kasse stimmt. Aber gut, dass Sie, Herr Vogler, das Problem offiziell ansprechen. Viel Glück!

    • Victor Brunner sagt:

      Da haben sie recht, unser FDP Sprechblasenwirtschaftsminister JSA und unser CVP Sünneli Ewiglächelnde DL interessiert Verantwortung nicht. Da können sogenannte deutsche Premiumhersteller und andere die Umwelt verpesten und unsere Gesundheit gefährden! Was passiert in Bern? Alle jammern über steigende Gesundheitskosten und erhöhen Prämien. Die Verursacher von Lungenkrankheiten präsentieren sich demnächst in Genf, machen grosse Worte und präsentieren ihre Dreckschleudern. Dabei sein wird irgendein BR lächelnd vor einem Auto und preist die Innovationskraft der Fahrzeugindutsrie! Verlogenheit auf Hochglanz getrimmt!

  • Martin Messerli sagt:

    Es gibt immer noch Autobesitzer die meinen, sie seien mit Dieselfahrzeugen umweltschonend unterwegs, nur weil sie wenig CO2 ausstossen. CO2 ist ein farbloses, geruchloses und ungiftiges Gas, das unsere direkte Umgebung nicht belastet (erst viel weiter oben). Stickstoffoxid hingegen, das hauptächlich von Dieselmotoren ausgestossen wird, ist ein Dreckgift, schädlich für unsere Lungen, inbesondere bei älteren Menschen. Dass der Renault Megane davon das 17-fache ausstösst was legal wäre, ist beängstigend. Herr Vogler, ich denke, Sie sind auf dem richtigen Weg!

    • Thomas sagt:

      Nun, moderne Benzinmotoren stossen dafür mehr Feinstaub aus, als ein alter Euro 2 Diesel. Feinstaub entsteht nicht durch den Treibstoff, sondern über die verbaute Technik (Hochdruckdirekteinspritzung).

      • Hans Schmid sagt:

        @Thomas: Das ist richtig, müsste aber keineswegs so sein. Die modernsten Euro-5-Benziner mit Saugrohreinspritzer waren sehr saubere Maschinen.
        Die Direkteinspritzung ist ein Irrweg.

  • Martin sagt:

    Das Ganze hat mehrere Facetten. Als Erstes müsste ein realitätsnaher Messzyklus definiert bzw. ausgehandelt werden, denn der Aktuelle ist alles andere als das.
    Dazu fehlt aber der politische Wille, da damit die vielgepriesene Schadstoffbilanz der Schweiz sehr viel schlechter aussehen würde. Die ganze Augenwischerei und Selbstbeweihräucherung würde wie ein Kartenhaus zusammenstürzen.
    Nicht zuletzt wollen auch wir Kunden unser Gewissen mit tollen Zahlen bez. Schadstoffausstoss brüsten, aber ob diese auch den Tatsachen entsprechen, interessiert uns eigentlich nicht gross. Nur können wir selbst die Autos nicht messen und vergleichen.

    • Hans Schmid sagt:

      Richtig. Ein realitätsnaher Messzyklus und realistische Verbrauchsvorgaben.
      Auf der Energieetikette steht dann vielleicht statt 120 wieder 180 Gramm CO2 pro km, aber da dies ohnehin einigermassen dem Wert auf der Strasse entspricht, würde der Umwelt daraus kein Schaden erwachsen.
      Der einzige Schaden wäre der Gesichtsverlust vieler Politikerinnen und Politiker, aber das wäre zu verschmerzen.

  • Tobias Schlunegger sagt:

    Die Schweiz verzichtet auf Massnahmen…
    Die Schweizer Verantwortlichen nehmen den Tod von mind. 3000 Personen als Folge der Stickoxyde/Feinstaubbelastung billigend in Kauf. Einmal mehr zeigt sich die verbrecherische Haltung unserer Verantwortlichen. Auch der Bundesrat zeichnet sich durch Schweigen aus. Ich denke an die Säuglinge u. Kinder die diesen Dreck täglich einatmen müssen und frage mich, ob die Verantwortlichen denn keine Kinder oder Enkelkinder haben die es zu schützen gilt. Weltweit sind durch solche Sauereien hunderttausende Tote zu beklagen. Massenvernichtung durch Wirtschaftswahn.

    • Hans Schmid sagt:

      Jetzt mal nicht gleich hysterisch werden, Herr Schlunegger. Trotz der Betrügereien der Autobranche ist die Luftqualität immer noch sehr viel besser als vor 30 Jahren.

      • Vera sagt:

        Hysterisch? Bei 3000 Toten pro Jahr? Wie viele Tote müssten denn die Autos erzeugen damit aus Ihrer Sicht eine Kritik berechtigt wäre?

  • Peter Müller sagt:

    Gehören Lügen und Täuschungen nicht einfach zu unserem Leben dazu ohne diese Lügen ist ein Zusammenleben doch gar nicht möglich ist. Politiker die uns nicht sagen es wird eine Steuererhöhung wegen der USR III geben täuschen uns doch genau so. Parteien wo nicht offenlegen wollen wer sich mit Spenden politischen Einfluss erkauft täuschen doch genauso.
    Wenn ich mein Wochenende im Büro interessanter schildere als es wirklich war täusche ich doch mein gegenüber genauso.

  • Bernhard Piller sagt:

    Dafür war der CO2 Ausstoss geringer, was auch ein Beitrag zum Schutz des Klimas ist.
    Und neben den Autos von VW fähren noch Mio von Dieselfahrzeugen der letzten Generation auf den Strassen, die noch viel mehr Schadstoffe ausstossen.

    • Hans Schmid sagt:

      Werter Herr Piller, die Beeinträchtigung der Luftqualität und die resultierenden Auswirkungen auf Mensch und Natur sind vielfach wissenschaftlich bewiesen.
      Die CO2-Klimathese ist es nicht.
      Wir sollten uns zuerst mal auf die realen Umweltprobleme konzentrieren!

  • Thomas sagt:

    Nun, auf der anderen Seite stossen neue Benzinmotoren absolut legal Feinstaub in rauhen Mengen aus (alle Direkteingespritzen Benziner, z.B. TSI-Motoren von Skoda, Seat, VW, Audi & Co.).
    Auf der anderen Seite sind auch die Renault-Nissan Diesel mit zu hohem Abgaswerten aufgefallen (auch verbaut beim Kooperationspartner Mercedes, z.B. A/B-Baureihen und dem Kangoo-Derivat namens Citan), ebenso die Diesel von FCA (u.a. Fiat, Chrysler-Gruppe, Joint-Venture mit GM) und Opel.

  • Frank Zuffnik sagt:

    Ich find das super. Weil jetzt kann ich den ganzen Haushaltsabfall und die Winterreifen vom letzten Jahr wieder im Garten verbrennen, ohne dass einer was sagen kann. Waer ja Ungleichbehandlung der groeberen Art, wenn ich jetzt deswegen mit Konsequenzen rechnen muesste, wenn andere einfach so davonkommen.

  • Hans Schmid sagt:

    Wenn die Politik den Autoherstellern unrealistische CO2-Grenzwerte aufzwingt, muss sie sich nicht wundern, wenn geschummelt wird.
    In der Schweiz kommt dazu, dass ohne Not die CO2-Vorgaben der EU übernommen wurden, obschon sich der CH-Automarkt stark von jenem der Gesamt-EU unterscheidet.
    Herr Vogler, haben Sie diesem Gesetz zugestimmt? Dann tragen Sie eine gewisse Mitverantwortung!
    Als Folge dieser Schildbürgerei haben Medien und Autobranche den Kunden weisgemacht, dass Dieselfahrzeuge „umweltfreundlich“ seien. Den hohen NOx- und Feinstaubausstoss hat man verschwiegen.
    Ins gleiche Kapitel (allerdings auf globaler Ebene) gehört auch der Irrweg der Benzin-Direkteinspritzer, der dazu geführt hat, dass die zuvor recht sauberen Benziner auch zu Feinstaub-Dreckschleudern wurden.

  • Rolf Raess sagt:

    Jetzt wird noch die Schaffung eines Fonds für die Nationalstrassen und den Agglomerationsverkehr vorgesehen, damit solche Stinkkarren noch besser die Umwelt verschmutzen können. Dann würden auch noch die Elektrisch angetriebenen Autos (wie Tesla etc.) besteuert, statt sie zu fördern und die Solarkollektoren (PV) dazu.
    Lieber kaufen wir weiter der Saudisch/Amerikanischen-Saubande ihr Erdöl ab, damit sie die halbe Welt mit Kriegen überziehen können…

  • Roland K. Moser sagt:

    „Täuschung als Geschäftsmodell“
    Wenn alle Verpackungen nur die Grösse hätten, welche sie auch haben dürften, würde sich die Abfallmenge der Privat-Haushalte wohl um ca. 20 % verkleinern.

  • D. Grossen sagt:

    Solange Bussen, welche dann über Arbeitsplatz Abbau finanziert werden, das einzige Mittel sind, mit denen man dem Grundproblem des Bescheissens zuleibe rücken will, wird sich da kaum was ändern. Es ist allerhöchste Zeit, dass die Verantwortlichen Geschäftsleitungsmitglieder, welche Unsummen von Gehalt und Bonis Kassieren, dafür persönlich strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden. So einfach geht das, wenn man denn bloss dazu gewillt ist !

  • Peter Sieber sagt:

    Ich würde ungemein gerne den Nachweis sehen, dass moderne Lastwagen wirklich so sauber sind wie behauptet wird. Dort wird höchstwahrscheinlich genauso geschummelt, denn ob man 2 Liter oder 12 Liter Hubraum hat, die Funktion der Urea-Einspritzung ist die selbe. Und die „Dreckdiesel“ kommen wenigstens noch auf Euro 5 was vor 10 Jahren akzeptabel war. Wieviele Fahrzeuge, die älter als 10 Jahre sind, fahren heute noch auf Schweizer Strassen?

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