Mehr Exzellenz und Effizienz an den Hochschulen

Wo positioniert sich die Schweizer Hochschullandschaft international? Ein Student in einem Hörsaal an der Universität Fribourg. Foto: Martin Rütschi (Keystone)
Die sparsamen Schweizerinnen und Schweizer sind bereit, mehr Bundesgelder für Bildung und Forschung auszugeben. Dies hat jüngst eine repräsentative Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo im Auftrag von Avenir Suisse ergeben. Die Menschen sind sich also bewusst, dass unser kleines Land seine Prosperität dem Wissens- und Forschungsplatz verdankt. Im renommierten Shanghai-Ranking der globalen Universitäten erscheint die ETH auf Rang 19 (2016) und gilt damit als beste Bildungsinstitution ausserhalb der USA und Grossbritanniens. Dazu bringt die Schweiz vier Universitäten unter die Shanghai-Top-100, gleich viele wie unsere zehnmal grösseren Nachbarn Deutschland und Frankreich. Auch der steigende Anteil ausländischer Studierender und das dichte Netz ausländischer Partnerinstitute belegen die Qualität unseres Hochschulstandortes. Angesichts der sich beschleunigenden technologischen Entwicklung brauchen innovative Unternehmen kritische, scheinbare Gewissheiten hinterfragende Mitarbeitende.
Der bildungspolitische Erfolg der Schweiz ist aber keineswegs in Stein gemeisselt. Mit zunehmender Mobilität verschärft sich der weltweite Wettbewerb um die besten Talente und Ideen. Auf vielen Gebieten wird Spitzenforschung anspruchsvoller und aufwendiger, die kritische Masse der Mittel steigt. Zahlreiche Länder intensivieren ihre Anstrengungen und holen auf.
Es fehlt eine nationale Strategie
Umso bedenklicher ist es, dass die Schweizer Hochschulpolitik immer mehr von Regionalpolitik und Standesdenken bestimmt wird, Exzellenz und Effizienz drohen unterzugehen. Der Bildungssektor setzt seine Energien dafür ein, zuerst einen möglichst grossen Teil des Kuchens für sich abzuschneiden, um ihn dann freundeidgenössisch unter sich aufzuteilen. Das Hochschulförderungs- und Koordinationsgesetz ist Ausdruck dieser föderal-korporatistischen Grundhaltung. Universitäten werden als eine Art «Service public» verstanden, der gleichmässig über die Regionen verteilt ein möglichst umfassendes Angebot gewährleisten soll. Was hingegen fehlt, ist eine nationale Strategie zur globalen Positionierung des Hochschulplatzes Schweiz.
Anstatt immer mehr Mittel mit der Giesskanne zu verteilen, wäre es klug, das Geld konzentrierter zu nutzen. Dafür müsste sich die Schweiz ein Stück weit von ihrem nivellierenden Föderalismus verabschieden und sich als nationalen Hochschulraum definieren. Gefragt ist aber nicht ein Masterplan von höchster Stelle, der den Hochschulen Rollen zuweist, sondern im Gegenteil mehr Gestaltungsfreiheit für die Institutionen. Dazu müssten sie aus der politischen Zwangsjacke befreit werden. Ein möglicher Weg zu mehr Autonomie wäre der Übergang von der heutigen Anbieter- zur Nutzerfinanzierung, z.B. über ein Bildungskonto, das den Wettbewerb um die Studierenden fördert. Um auf dem Bildungsplatz Schweiz kompetitiv zu sein, würden die Hochschulen ihr Angebot an Studiengängen straffen, Kooperationen oder Fusionen eingehen und sich mehr als heute um private Mittel bemühen.
Vielleicht gäbe es in einem solchen Hochschulraum weiterhin Volluniversitäten – die Breite der Disziplinen hat ja durchaus ihren Wert. Ob man allerdings in einem Land von acht Millionen an vier Orten Indologie und in sechs Städten Slawistik anbieten muss, darf bei aller Liebe zur Philologie hinterfragt werden.
19 Kommentare zu «Mehr Exzellenz und Effizienz an den Hochschulen»
Dazu müsste ein Umdenken in den Grundfesten des Schweizerischen Denkens stattfinden. In anderen Ländern – erstaunlicherweise eben gerade dort, wo die Universitäten vorne liegen – werden die Stärken der Studierenden weiter ausgebaut und die Schwächen nicht so tragisch genommen (z.B. muss ein Mathematikbegabter nicht sich endlos und sinnlos mit Sprachen herumquälen, wenn ihm das nicht liegt – und umgekehrt). Hierzulande stürzt man sich auf das, was dem Schüler nicht liegt und versucht, ihm dies einzubläuen. Aber seine Begabungen lässt man schön brach liegen. Das kann ja nur im Einheitsbrei enden.
Das Straffen des Studienangebots (=sparen) finde ich absolut richtig. Aber die Nutzerfinanzierung wäre katastrophal. Bildung ist Staatsverantwortung und darf nicht aus der Hand gegeben werden!
an den schweizer universitäten hört man fast nur noch hochdeutsch. von den professoren bis zu den studenten hin. der „inländervorrang“ wird schon auf akademischer ebene erfolgreich abgewürgt. sind unsere studis zu bequem oder einfach nur desinteressiert?
Herr Rittermann, haben Sie schon mal eine Uni von innen gesehen?
Für eine vollständige Antwort auf Ihre Frage genügt der Platz hier nicht. Daher gehe ich nur auf die beiden vielleicht wichtigsten Gründe für fehlende SchweizerInnen in meinem Fach, den Wirtschaftswissenschaften, ein. Viele Menschen in der Schweiz stehen der Hochschulbildung sehr kritisch gegenüber. Diese gilt als realitätsfern und unpraktisch. Diese Einstellung überträgt sich auf unsere Studis, die das Studium nur als Mittel zum Zweck des späteren Geldverdienens sehe. Dank dieser Einstellung ziehen zu viele den Industriejob und das schnelle Geld vor, statt sich auf die wissenschaftliche Forschung im Rahmen einer Promotion einzulassen. Daher hole ich mir fast immer Absagen bei SchweizerInnen, wenn ich diese zu einer Promotion bewegen möchte. Schade, sehr schade.
herr schmedders. ich kann nur von mir sprechen. also. ich stehe etwelchen akademikern im berufsleben kritisch gegenüber aus zwei konkreten wahrnehmungen. erstens muss ich leider vielen der dito attestieren, dass deren berufswahl rein monetär geprägt ist-, und zweitens – als leidliche folge daraus, leiden effizienz und empathie gleichermassen unter diesem umstand. eine gewisse „berufsethik“ verlange ich auch von jedem handwerker. ich stelle leider fest, dass diese bei vielen akademikern abhanden gekommen ist. nochmals. es darf/soll/muss promovieren, wer die voraussetzungen dafür erfüllt. und zwar aus eigenem antrieb.
Ja schon. Nur wenn kein Schweizer promoviert, dann kann auch kein Schweizer Forscher oder Uni-Professor werden. Und folglich müssen wir sie im Ausland rekrutieren oder ganz darauf verzichten. Das will Herr Schmedders sagen. Sie können also nicht gleichzeitig mehr Schweizer Forscher/Profs. und weniger Akademiker (da praxisuntauglich) fordern, Herr Rittermann. Das eine geht nicht ohne das andere, denn wie bei jeder Firma schafft es auch in der Wissenschaft nur ein kleiner Prozentsatz ganz an die Spitze – die anderen fallen raus und wechseln gezwungenermassen in die Privatwirtschaft…
Hier wird eine sehr wichtige und zukunftsweisende Frage gestellt. Die Erfahrung zeigt, dass ein dermassen mutiger Schritt jedoch ein Umdenken erfordert, welches nicht allen Involvierten leicht fallen wird. Beispielsweise sollte auch überlegt werden, ob es in der Deutschschweiz wirklich drei evangelisch-theologische Fakultäten braucht? Eine Bündelung einzelner Disziplinen würde sicher auch der Qualitätssteigerung dienen.
«Mehr Exzellenz und Effizienz» – wer wollte da nicht zustimmen? Leider bleibt unklar, woran sich Effizienz und Exzellenz bemessen. Was soll Bildung erreichen? Das sind essentielle Fragen, die der Autor nicht beantwortet. So entsteht der Eindruck tertiäre Ausbildung solle allein ökonomischen Prinzipien unterworfen werden. Wer einmal die Freiheiten der Schweizer Fachhochschulen, die grösser sind als der Universitäten (Ernennung von Professoren statt Berufung, Besetzung statt Wahl der Leitungspersonen, beschränkte Lehr- und Forschungsfreiheit), aus der Nähe gesehen hat, der weiss, welch katastrophal paradoxe Folgen ein unreflektierter Ruf nach Effizienz haben kann: sinnlose Hierarchien und bürokratische Wasserköpfe. Hier sollten Effizienzüberlegungen bei der Mittelvergabe ansetzen.
Völlig richtig, typischer Avenir-Suisse Beitrag bei dem schon mal die Grundthesen nicht belegt oder definiert sind. Man sehe auch den Satz „Umso bedenklicher ist es, dass die Schweizer Hochschulpolitik immer mehr von Regionalpolitik und Standesdenken bestimmt wird, Exzellenz und Effizienz drohen unterzugehen.“ – wann immer etwas mit „immer mehr“ begründet wird sollte man sehr genau hinschauen …
Sparen im Bildungssektor ist falsch. Das wird heute schon gemacht und das Resultat sieht nicht gut aus. Das konstante Messen und Vergleichen erzeugt einen Bildungsbrei, das heisst Mittelmässigkeit und Unfähigkeit, auf Veränderungen zu reagieren. Man muss doch mittlerweile erkennen, welche Zukunft uns Avenir Suisse bescheren will. Unser bisher erfolgreiches System hat mehr zu bieten als nur hörige Spezialisten auszubilden. Wir müssen auf Veränderungen reagieren können, dass wäre mit den Rezepten von Avenir Suisse nicht mehr möglich.
Um private Mittel bemühen! Nein Bildung muss unabhängig sein. Wenn Private – Mittel übertragen wollen müsste dies nur als Spenden an den Kanton/ Bund erlaubt sein, sonst ist eine Einflussnahme möglich. Sich Bemühen heißt, sich abhängig machen.
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Was den letzten Absatz angeht, beweist Hr. Schellenbauer, dass er von der Struktur an Schweizer Universitäten keine Ahnung hat. Dies ist heute schon so, das für sämtliche Seminare, Kurse, Vorlesungen usw. anderen Unis zu besuchen sind.
da haben sie in der theorie absolut recht, herr oder frau roth. nur. die praxis zeigt anderes. nämlich dass vielfach völlig überforderte jugendliche durch höhere schulen und lehrgänge „gepeitscht“ werden – von überehrgeizigen eltern. ich habe das selbst schon erlebt. wenn man also diese „aussondern“ würde-, sprich sicherstellen, dass ALLE effektiv befähigten studieren, dann – so behaupte ich – hätten wir auch die kosten im griff. und noch wichtiger. wir hätten akademiker und führungskräfte, welche ihrer reputation auch gerecht würden. dies ist heute längst nicht mehr der fall. und darum wird halt vielfach auf externe zurück gegriffen. was wir hier in der bildungspolitik haben, ist ein weitgehend hausgemachtes problem.
Dass die neoliberale AvenirSuisse mehr private Mittel für Unis fordert ist ja klar. Leider geht damit die Unabhängigkeit der Forschung verloren, und dies ist, wie wir alle wissen, der Ausbildung von „kritischen, scheinbaren Gewissheiten hinterfragenden Mitarbeitenden“ nicht gerade förderlich.
…es sind schon zu viele, die ohne eigenes zu tun am staats-tropf hängen, herr meier. gerade die akademische elite sollte doch mittel und wege finden, dies zu umgehen, nicht?
Wenn man hier vernünftig diskutieren möchte, sollte man nicht auf das Schanghai Ranking, sondern auf das Leiden Ranking zurückgreifen, da dies gegenwärtig die höchsten Standards erfüllt. Dort ist die ETH auf 62 und die UZH als zweite CH Universität auf 86.
„Um auf dem Bildungsplatz Schweiz kompetitiv zu sein, würden die Hochschulen ihr Angebot an Studiengängen straffen, Kooperationen oder Fusionen eingehen und sich mehr als heute um private Mittel bemühen.“ – Schon nur dieser Satz demonstriert die einfältige Haltung des Autors zur Bildung. Er möchte sie behandeln wie die Herstellung von Schrauben, Katzenfutter oder Indexfonds. Egal. Ich finde, „Avenir“ Suisse sollte schon längst in „Passé Suisse“ umbenennt werden. Die neoliberalen Wunschträume aus der Mottenkiste der 1980er sind einfach nur peinlich.
„…und sich mehr als heute um private Mittel bemühen.“
die uni betreibt forschung und die sollte in aller erster linie unabhängig sein. mit noch mehr privaten mitteln wird die forschung somit abhängiger. das darf nicht sein.
hört endlich auf mit dieser verschleierten parivatisierung. in bildung und forschung hat sie eindeutig keinen platz, wie in anderen bereichen ebenso. mir graut vor dieser neoliberalisierung!
Schellenbauers Artikel wundert mich nicht. Die Leute, die selber noch nie Spitzenforschung betrieben haben, fühlen sich immer wieder berufen, den Unis den richtigen Weg vorzuschreiben. Eine „Nationale Strategie“ (whatever that is) hat aber noch niemandem einen Nobelpreis beschert. Sag ich mal als Uni-Professor der 2 ERC-Advanced Grants und den Marcel-Benoist Preis erhalten hat, und einen H-Factor von 108 (laut Google) erreicht hat.
Das heutige System produziert Spitzenforschung und wird es auch weiterhin. Dazu sind einfach gute Köpfe Bedingung. Etwas anders ist die Ausbildung der Studenten. Da sehe ich massive Defizite. Für eine gute Lehre ist ein Minimum an Dozenten Voraussetzung, sonst leidet die Studienqualität massiv, da zu schlechtes Betreuungsverhältnis und zu geringe Angebotsvielfalt. In meinem Bereich könnte man das Biologiestudium in der Deutschschweiz auf die UZH, ETHZ und Basel (da nur Molekularbiologie behalten) beschränken. Die anderen Unis sind zu klein für eine Vollausbildung in Biologie. Das Resultat sind mangelhaft ausgebildete Studenten. Die Forschung hingegen ist an allen Unis sehr gut mit absoluten Topleuten.