Gräberstreit im Ägerital

Schweizer Geschichte der religiösen Gleichberechtigung: Maria-Statue auf Appenzeller Friedhof. (Keystone)
Bei der Auseinandersetzung zwischen Freisinnigen und Konservativen um den säkularen Bundesstaat in den 1860er- und 1870er-Jahren ging es auch um die Friedhöfe. In Unterägeri, dessen Spinnereien ein paar Dutzend Protestanten beschäftigten, stellte sich die Frage: Dürfen in einer katholisch geprägten Gemeinde tote Protestanten neben toten Katholiken zu liegen kommen? Und dürfen bei deren Bestattung die gleichen Glocken läuten? Der von Renato Morosoli in seiner Geschichte des Aegeritals geschilderte Konflikt war im industrialisierten Unterägeri besonders brisant, weil der Gemeinderat von den Liberalen und der Kirchenrat von den Konservativen beherrscht wurde.
Nachdem am 30. September 1867 die protestantische Frau eines ehemaligen Korporationspräsidenten gestorben war, schlug der Dorfpfarrer vor, sie auf dem protestantischen Friedhof in Baar oder allenfalls auf dem für Protestanten vorgesehenen Sonderbereich in Unterägeri zu beerdigen. Was nicht infrage kam, war deren Bestattung in der Reihe der katholischen Gräber, weil das kanonische Recht dies verbiete. Der im Dorf verankerte Witwer wandte sich an den Gemeinderat. Dieser verfügte die Beerdigung der Protestantin auf dem offiziellen Friedhof. Die Liberalen fanden, dass «es nicht human sei, im Tode noch eine Grenze zwischen Katholiken und Protestanten zu ziehen.» Zwei Jahre später schrieb die politische Behörde fest, die Protestanten seien generell in Reih und Glied mit den Katholiken zu beerdigen.
Ein «Machwerk» der Intoleranz
Als Folge der Dogmatisierung der päpstlichen Unfehlbarkeit Ende 1870 kam es auch im Kanton Zug zu einem Rechtsrutsch. Die neue ultramontane, also auf den Papst jenseits der Alpen ausgerichtete Kantonsregierung machte 1871 den Entscheid der politischen Gemeinde wieder rückgängig und schloss sich dem Dorfpfarrer an. Die liberale Behörde nannte den konservativen Beschluss ein «Machwerk», das «auch nach dem Tode noch eine gehässige Intoleranz unter den Konfessionen präjudiziert». Es mute den Protestanten zu, «nach dem Tode noch in eine andere Gemeinde wandeln zu müssen, um dort endlich ihren aus Staub und Asche bestehenden Leib wiederum zu Staub und Asche werden lassen zu können». Die Totalrevision der Bundesverfassung von 1874 setzte dann nicht nur die konfessionelle Neutralität des Bundesstaates und der Volksschule, sondern auch die der offiziellen Friedhöfe durch.
Aber die neue liberal-säkulare Bundesverfassung sprach sich nicht über das Glockengeläut und die Benützung der Kirchen bei Beerdigungen aus. So kam es in Unterägeri nach dem «Gräberkampf» zu einem «Glockenstreit» und einem «Türklinkenkrieg». Am 17. April 1878 wurde ein protestantischer Stallknecht zwar in einer Reihe mit den Katholiken bestattet. Aber der Kirchenrat hatte verfügt, dass bei Andersgläubigen keine Glocken geläutet werden durften. Um zu verhindern, dass die Kirche für die Bestattung benutzt wurde, soll der Sigrist sogar deren Türklinke entfernt haben. Das freisinnige «Zuger Volksblatt» höhnte: «Glückliche Gemeinde Unterägeri, dass deine Glocken durch ein Zeichen bloss christlicher, nicht katholischer Liebe nicht entehrt wurden!»
Historischer Einwand mit neuer Prägung
Die Einwohnergemeinde beschloss darauf, nur dann einen Beitrag an die Entwässerung von Kirche und Friedhof zu leisten, wenn auch für die protestantischen Toten geläutet werde. Der Kirchenrat wandte ein, protestantische Beerdigungen auf einem katholischen Friedhof würden die katholischen Gefühle verletzen. Er bewilligte immerhin das Läuten der zweitkleinsten Glocke. An der Kirchgemeindeversammlung setzte sich dann ein Bündnis von Liberalen und vernünftigen Konservativen ganz knapp durch. Und so wurde Unterägeri zur ersten Zuger Gemeinde, in der Protestanten den Katholiken auch nach dem Tode gleichgestellt, genauer gleichgelegt waren. Die Kaskade von «Grabenkampf», «Glockenstreit» und «Türklinkenkrieg» endete erst 1887 in einem skurrilen Epilog: Der Kirchenrat hatte verboten, dass ein Sarg mit einer protestantischen Leiche auf der Treppe vor der katholischen Kirche zur Haltung der Leichenpredigt abgestellt wurde.
Zum Zeitpunkt, als dies passierte, lebten in Unterägeri 50 Protestanten, im ganzen Kanton waren es 1403. Das entsprach 6 Prozent der Gesamtbevölkerung. Obwohl es sich um eine kleine Minderheit handelte, war die reformierte Konfession der katholischen seit 1876 gleichgestellt. Allerdings hatte es dazu ein Machtwort der Bundesbehörden gebraucht, welche den Kanton Zug zwingen mussten, die Bevorzugung der katholischen Konfession aufzugeben. Übrigens ist der heutige Anteil von Muslimen im Kanton Zug etwa gleich hoch wie der damalige der Protestanten. Der alte Einwand gegen die religiöse Gleichberechtigung lautete «katholische Prägung», der neue lautet «christliche Prägung».
25 commentaires sur «Gräberstreit im Ägerital»
Wenn denn ein Moslem neben einem Christen begraben sein möchte, ist es ihm zu gestatten. Da dies Moslems oft nicht wollen, wäre ein Artikel über deren Intoleranz sicher auch einmal interessant.
Immer ein wenig zündeln… Schade um die letzten Abschnitte dieses sonst guten Artikels, denn damit entsteht der Eindruck dass der ganze Artikel nur geschrieben wurde, um einen pseudo akademischen Konträr-Standpunkt für den Islam einzunehmen.
Ich bin übrigens nicht der Meinung dass wir uns dem Islam anpassen müssten, sondern eher dass wir uns statt auf Religionen eher auf Ethik konzentrieren sollten.
Ethik, Moral, Ehre und Verantwortungsbewusstsein sind ur-europäische Tugenden und stammen u.a. aus philosophischen Texten griechischer Denker wie Cicero. Diese haben sich in der christlichen Kirche integriert. Aber ursprünglich waren diese Tugenden unabhängig der Religionen aus dem Nahen Osten bei uns stark ausgeprägt.
Interessanter Artikel, mit falscher Schlussfolgerung: währenddem Protestanten und Katholiken an den gleichen Gott glauben und die gleiche Glaubensgrundlage – nämlich die Bibel – haben, sind Christentum und Islam verschiedene paar Schuhe.
Das stimmt nicht ganz. Am Anfang aller abrahamitischen Religionen steht der Stammvater Jehova (Yahweh). Von daher auch der Begriff ‘abrahamistisch’ für das Christentum, den Islam und das Judentum.
Von dieser Basis ausgehend sind dann unterschiedliche Strömungen in den drei Religionen entstanden. Unter dem Strich sind sie aber alle gleich.
Genau, alle der gleiche … Mumpitz.
So wird heute gerne argumentiert. Aber lesen Sie Bibel (AT und NT) sowie Koran aufmerksam. Erkennen Sie denn nicht die Unterschiede?
Allah hat mit dem Gott der Torah und der Bibel nichts gemeinsam.
Und wagen Sie es mal, einem Moslem zu sagen, dass Jesus gekreuzigt und auferstanden ist…
Rachael, mir geht es vor allem darum, dass ich mittlerweile weiss wo diese drei Religionen ihren Ursprung haben. Da ich Europäer bin und wir hier unsere eigene Ethik, Sitten und Bräuche haben, liegt es mir fern mich an einer abrahmistischen Religion auszurichten.
Lesen Sie sich mal in das Gebiet rein. Zum Christentum kann ich nur soviel sagen, dass jeder Gelehrte welcher die Bibel schrieb, Jude war (ausser Lucas). Die Bibel und die Namen darin wurde in hebräisch geschrieben, der Sprache der Juden. Ausserdem ist der Nahe Osten die Heimat des jüdischen Volkes.
Ja es gibt theologische Unterschiede zwischen den abrahamitischen Religionen, diese sind aber vergleichsweise unbedeutend.
Allen drei ist Jehova der Grundstein (Yahweh, Allah, Gott). Alles dasselbe.
Bravo, Sie haben richtig erkannt, dass die Schreiber der Bibel alles Juden waren – die in Yeshuah den verheissenen Messias, den « Ben David », sahen.
Und wer hat den Koran geschrieben.
Zwei haben den gleichen Grundstein…
Nicht ganz.
Der Gründer des Judentums ist Abraham, und der Gott heisst Jawe o.ä. geschrieben.
Das Christentum ist eine Absplitterung des Judentums. Der Islam ist später entstanden, höchtwahrscheinlich als Motivations-Ideologie für Eroberungen.
Und alle 3 Ideologien sind sehr unterschiedlich, denn wären sie gleich, hätten sie auch nur 1 Gott, jede hat aber ihren eigenen Gott, und innerhalb der nach aussen erscheinenden Religion geht es ziemlich heterogen zu und her.
Der Grund, dass die religiöse Gehirnwäsche im Kindesalter beginnt, liegt darin, dass dann im Erwachsenenalter die Gehirnwäsche kaum mehr durchschaut und abgelegt werden kann.
Roland K. das Christentum war anfänglich eine jüdische Sekte. Wie ich gesagt habe ist die Bibel in hebräisch geschrieben und die Namen darin sind hebräisch. Mit etwas gesundem Menschenverstand kommt man zum Schluss, dass das Christentum ausschliesslich jüdisch ist. Jesus war Jude.
Der Islam ist auch eine monotheistische Religion und der Gott (Allah) ist fiktional, also ausgedacht.
Diese Grundlage ist wie geschaffen für Gehirnwäsche. Denn die menschliche Psyche ist darauf ausgelegt, Gedanken in der realen, fassbaren Welt zu manifestieren. Der ‘übernatürliche’ Gott hat damit einen Einfluss auf reales Geschehen und Handeln. Obwohl er nicht existiert. Diese drei Religionen sind Waffen. Waffen gegen die menschliche Psyche.
Bei allen 3 Ideologien Abraham’s ist der Gott fiktional.
Natürlich ist das Christentum eine jüdische Sekte, hat aber den Status einer eigenständigen Religion erlangt. Einerseits wegen der grossen Verbreitung, andererseits weil es nicht viel mit dem Judentum gemein hat.
Religion ist eine psychische Krankheit, welche durch Gehirnwäsche verursacht wird. Die Religions-Krankheit macht primär primitiv, intolerant und gewalttätig.
Netter geschichtlicher Ausflug von Herrn Lang. Der Vergleich mit Muslimen hinkt aber. Oder haben in Unterägeri jemals Protestanten verlangt, dass die Erde für protestantische Tote zuerst entfernt und ausgewechselt wird, weil sie durch Andersgläubige resp. Katholiken verunreinigt ist ?
Ewige Ruhe finden ist eine Illusion! Pech wenn man für Jetzt und Allezeit und Immerdar durch einen Zufall neben dem netten Zeitgenossen liegt mit dem man schon seit Adam und Eva im Streit lag!
früher kämpften die Minderheiten darum, auf den Friedhöfen der Mehrheit beerdigt zu werden.
Heute kämpfen Minderheiten dafür, dass sie auf eigenen Friedhöfen beerdigt werden dürfen
Zur Illustration: Eine Marien Statue mit Flügeln? Wohl eher ein Engel, der über das Grab wacht.
Erfrischende Perspektive!
Ja, aber kein Christ hat doch etwas dagegen, wenn Muslime auf dem Gemeindefriedhof beerdigt werden. Kein Christ hat etwas dagegen, wenn für ein Muslim das Totenglöcklein erklingt. Viele Christen hätten auch nichts dagegen, wenn eine Abdankung für einen Muslim in einem Gotteshaus gehalten würde. Nur: viele Muslime wollen das nicht. Das heisst, die heutigen Christen sind tolerant wie damals die Zuger Liberalen, die heutigen Muslime verhalten sich oft wie die damals reaktionär konservativen Kreise in Zug. Daher verstehe ich die Intention von Jo Langs (nicht wissenschaftlichem) Beitrag nicht resp. er ist widersprüchlich in sich selbst.
Was wollen Sie uns mit dem Artikel sagen? Wollen Sie es auf Moslems beziehen? Die Juden haben sogar eigene Friedhöfe, denn deren Theater ist noch schlimmer. Das die Katholiken oftmals ein Problem mit den Protestanten hatten/ haben, das ist nichts Neues. Moslems werden genau so Probleme machen, wie die Juden. Für mich als Protestant spielt es keine Rolle, ob Katholiken & Protestanten gemischt bestattet werden. Das auf dem Bild ist keine Marienstatue, es ist vielmehr ein Engel. Maria wird nie mit Flügeln dargestellt.
wie so oft, haben die meisten Kommentatoren den Hinweis auf Liberalität nicht verstanden. Es geht nicht um das engstirnige Denken, dass Muslime neben Christen liegen wollen, sondern dass man ihnen das gleiche Recht einer selbstbestimmten Bestattungspraxis zuerkennt!
Das wäre dann aber nicht das gleiche Recht, sondern das wären Sonderrechte (die sich n.b. schlecht mit einem liberalen Gedankengut vereinbaren lassen). Und das wollten die liberalen Protestanten damals eben nicht. Sehen Sie den Unterschied?
Herr Lang « doziert » doch immer wieder über allfällige « Fehler » der Katholiken. In meinem fast 40 jährigen Aufenthalt im Kanton Zürich habe ich oft auch viel Intoleranz zu spüren bekommen. Sei dies nun am Arbeitsplatz verdeckt von Mitarbeitern, Vorgesetzten, usw. Auch in den Vereinen war dies die gleiche Sache. Hinter vorgehaltener Hand wurde doch immer wieder getuschelt. Da wurden primitive Witze erzählt. So nach dem Motto entspricht ja nicht den Tatsachen. Im Übrigen wurden die Katholiken über 150 Jahre in der Bundesverfassung diskriminiert. Viele Schweizer waren während des zweiten Weltkrieges Deutschland und Nazi freundlich. Diesen und auch den Deutschen selber wurde dies alles sehr rasch verziehen besonders auch von den Medien besonders vom Zürcher Medienkuchen inkl. SRG/SRF/DRS.
Skurril, woher man der ‘Kräfte’ nimmt! Ein aufgeklärter Realismus scheint dort hinten zuletzt anzukommen.
Der Artikel in Ehren.
Nur vergisst auch er, dass das Christentum in Europa, also auch der Schweiz, lediglich eine invasive Gewalt-Ideologie ist, welche hier unerwünscht war und ist. Und die nächste soll wohl der Islam sein? Nein Danke.
Das Christentum und der Islam sind Ideologien, welche sich nur mit Gewalt ausbreiten konnten, weil der Müll von niemandem freiwillig angenommen wird, ausser er erhält als Kind eine enstprechende Gehirnwäsche.
Der Islam ist per sofort zu verbieten, und die Einreise bzw. Vermehrung von Muslimen ist sofort zu unterbinden, weil diese die innere Ordnung und Sicherheit der Schweiz gefährden.
Und worum ging es bei der Aufklärung vor 200 Jahren, die Essenz davon? Schutz der Menschen vor der Religion und totalitärer Politik.
Josef Lang ist offenbar Katholik. Aber selbst dann sollte er als Hysteriker den Unterschied zwischen reformiert und protestantisch kennen. Kennt er offensichtlich nicht. Aber da ist er nicht allein….