Fühlen Sie sich sicher?

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Überwachungskameras sind keine Seltenheit mehr. Foto: Alex Lang, Flickr.com

George Orwell schrieb zwischen 1946 und 1948 seinen Roman «1984». In dem Buch überwacht «Big Brother» die Bevölkerung, Wohnungen können visuell kontrolliert werden, Meinung und Denken werden mittels Propaganda beeinflusst.

Nach der Veröffentlichung von «1984» war Orwells Vision eine Horrorvorstellung, und eine «totale Kontrolle» wurde praktisch einhellig abgelehnt. 2016 ist Big Brother kein Hirngespinst mehr. Wir können jederzeit unsere Wohnung mit Videokameras und via Smartphone überwachen. Doch nicht nur wir, auch Hacker können leicht in unser Privatleben eindringen – selbst zu Zeiten, in denen wir glauben, alle Kameras seien ausgeschaltet.

Auch die Werbung im Internet ist auf uns zugeschnitten, und wir werden fast permanent durch sie beeinflusst. Doch statt von Manipulation reden wir von der Errungenschaft, unsere Bedürfnisse transparent gemacht zu haben. In der Folge erhalten wir individuelle Angebote: Suchen zwei Personen zur selben Zeit ein Hotel in Paris, werden ihnen unterschiedliche Adressen vorgeschlagen. Oder unterschiedliche Preise für das gleiche Hotel.

Spätestens mit 9/11 wurde das Thema Sicherheit noch relevanter. In den USA wurde der Patriot Act eingeführt – ein Gesetz, mit dem die Bürgerrechte in grossem Masse eingeschränkt werden. Unternehmen können gezwungen werden, Daten herauszugeben – ein vager Terrorverdacht genügt. Ohne richterliche Überprüfung können FBI, NSA oder auch CIA auf Server von US-Unternehmen zugreifen. Dasselbe gilt für Server von ausländischen Tochtergesellschaften, ohne dass auf deren lokale Gesetze Rücksicht genommen wird.

Dass der amerikanische Staat von seinem Recht, Daten zu verlangen und seine Bürger zu überwachen, extensiven Gebrauch macht, ist spätestens seit Mai 2013 bekannt. Damals berichtete Edward Snowden über die weltweiten Überwachungs- und Spionagepraktiken.

Und wo stehen wir nun mit dem Nachrichtendienstgesetz (NDG) in der Schweiz?

Sicherheit ist und bleibt ein starkes Argument, um Zugriff auf Daten von Firmen und Privatpersonen zu erhalten. Aber ob das Mehr an Daten auch ein Plus an Sicherheit gibt, ist keineswegs bewiesen. So hat Bundesanwalt Michael Lauber in der «Samstagsrundschau» auf SRF 1 nicht mehr, sondern bessere Daten verlangt.

Mit dem Nachrichtendienstgesetz soll eine Überwachung stattfinden, die auf Schlüsselwörtern basiert. Dadurch soll eine Massenüberwachung verhindert werden. Im Unterschied zu den USA kann der Schweizer Nachrichtendienst nicht von sich aus aktiv werden. Es braucht eine Genehmigung vom Bundesverwaltungsgericht, dem Chef des VBS sowie eine Konsultation des Sicherheitsausschusses. Ausserdem wird der Nachrichtendienst von verschiedensten Gremien kontrolliert: vom Parlament, dem VBS und – bei der Funkaufklärung – einer weiteren, unabhängigen Kontrollinstanz.

Wenn Daten erhoben werden, besteht immer ein Risiko des Missbrauchs. Und grundsätzlich sollten weniger und nicht mehr Daten bearbeitet werden. Doch ist nicht auch eine grosse Datenmenge ein Schutz?

Es ist unbestritten, dass das Nachrichtendienstgesetz uns vor die Wahl zwischen Sicherheit und Freiheit stellt. Jede Person kann am 25. September 2016 mit einem Ja oder einem Nein an der Urne für sich selbst entscheiden, was ihr wichtiger ist.

Mit diesem Beitrag beginnt unsere Blog-Reihe zum Thema Datenschutz.

19 Kommentare zu «Fühlen Sie sich sicher?»

  • Romeo sagt:

    Wer bereit ist, seine Freiheit für ein vermeintliches bischen mehr an Sicherheit aufzugeben, verdient weder Freihejt noch Sicherheit.
    Benjamin Franklin

  • Hannes Müller sagt:

    Wenn die Internet-Überwachung auf das Niveau der Telefon-Überwachung gehoben wird, dann ist das eine Anpassung an die technische Realität (auch wenn ich generell gegenüber Überwachung skeptisch bin).

    • Reto Schneider sagt:

      Die Kabelaufklärung ist nicht einfach „nur“ eine Anpassung. Viel eher ist es eine verdachtsunabhängige Überwachung des Internetverkehrs (Web, E-Mail, Chat, Cloud, Telefonate, etc) von uns allen – und das permanent. Massenüberwachung par excellence! Durchgeführt vom Zentrum für elektronische Operationen (ZEO), einer Abteilung der Schweizer Armee. Dass muss man sich mal auf der Zunge vergehen lassen!

  • Tommaso sagt:

    Es ist interessant, dass dieselben Kreise, die den Staat am liebsten abschaffen möchten oder zumindest dauernd seine Tätigkeit kritisieren (Stichworte KESB, RAV), demselben Staat offenbar unendliches Vertrauen entgegenbringen, wenn es um Überwachung geht. Warum soll die eine Behörde (NDB) so viel effizienter und vertrauenswürdiger sein als die andere (KESB)?

    • Hans Knecht sagt:

      Der NDB untersteht dem Bundesrat. Er muss für eine Überwachung die Zustimmung von drei Bundesräten und einem Richter haben. Er hat keine Polizeibefugnisse und kann niemanden wegsperren. Und regelmässig schaut auch die Geschäftsprüfungsdelegation ihm über die Schulter. Des weiteren ist er mit 280 Mitarbeitern meines Erachtens völlig unterbesetzt.
      .
      Bei der KESB hingegen … hm … die ist ein Staat im Staat und kann willkürlich Menschen/Kritiker wegsperren ohne dass diese wirklich ein Einspracherecht haben und Filzmässig kann die sich so gegenseitig Arbeit zuweisen. Und wieviele Menschen arbeiten Schweiz-weit bei der KESB?
      P.S. Bin nicht dagegen dass es eine KESB Expertengruppe gibt, aber die haben meines Erachtens zu viele Rechte.

  • Hannes Lorez sagt:

    Noch fühle ich mich sicher. Aber wenn die masslosse und anhaltslose Totalüberwachung eingeführt wird mit dem NDG, ist das vorbei. Dann wird jeder einzelne von uns seine Unschuld – egal zu welchem Thema – beweisen müssen. Völlige Verdrehung der Rechtslage. Das Problem ist, dass vor allem Leute abstimmen, die nicht den Hauch einer Ahnung haben, was da technisch passiert und möglich ist. Die lassen sich von irgendwelchen diffusen Ängsten leiten und glauben tatsächlich, dass Totalüberwachung irgendwelche Sicherheit bringen soll. Und ausbaden dürfen das – schon wieder – die Jungen von heute und morgen.

  • Hans sagt:

    Auch wenn ich mich ab und zu an gewissen Orten unsicher fühle: Überwachungskameras tragen überhaupt nicht zu einem höheren Sicherheitsgefühl bei, denn sie gewähren mir bei einem allfälligen Angriff oder einem Anschlag keinerlei Schutz!

  • Markus Hagenbach sagt:

    Wer sich wegen ‚Terrorismus‘ unsicher fühlt, der soll sich mal genau die Risiko-Statistiken des Bundesanschauen. Terrorismus? Nein, kommt dort nicht vor.
    Die einzige vom Terrorismus ausgehende Gefahr ist die irrationale Ausweitung von Bevollmächtigung kaum zu kontrollierender Behörden. Siehe Deutschland.

  • Gunggl sagt:

    Wo sind die Beweise, dass eine Ausweitung geheimdienstlicher Überwachung die Sicherheitslage positiv beeinflusst?
    Richtig, die gibt es nicht! Ergo, gibt es auch keinen Grund einen weiteren Datenkraken zu füttern, der nur als Deckmäntelchen für die Inkompetenz und den Dilettantismus der hiesigen Politiker, welche sich mit Sicherheitspolitik befassen, dient.

    • Hans Knecht sagt:

      Geheimdienste aggieren bekanntlich im Geheimen. Und folglich bleiben deren Aktionen wie auch Erfolge geheim. Andernfalls würde eine Veröffentlichung der Erfolge bei der einen oder anderen Nationalität eine Welle der Empörung auslösen.
      Wer weis ob die Unterwanderung der Chefetage in der Wirtschaft der Schweiz durch Nichtschweizer eine geheimdienstliche Aktion seitens der EU ist?

      • Andy sagt:

        Ui, streng geheim also! Pssst!

        Auch ein Nachrichtendienst hat in einem Demokratischen Staat sich gegenüber dem Bürger zu legitimieren. Zumindest dessen Vertreter im Parlament muss es möglich sein den Erfolg zu kontrollieren. Ihre Welle der Empörung kann also gar nicht ausgelöst werden und trotzdem eine Kontrolle statt finden.

        • Hans Knecht sagt:

          Für die Schweiz stimme ich Ihnen zu.
          Was wäre aber wenn irgend ein anderer Staat Bern lahmlegen würde und dies dann offen Verkünden tut?
          Würde sich dann mancher Schweizer empören oder darüber freuen?

  • J. Bischof sagt:

    Wenn es um Schusswaffen geht, fordern ja gewisse Kreise, das Sturmgewehr müsse unbedingt nach Hause gegeben werden und ein Waffenregister sei abzulehnen, schliesslich gehe es um das Vertrauen in den Bürger.

    Bei der elektronischen Überwachung ist dann das Vertrauen in die Bevölkerung nicht mehr so wichtig. Da heisst es dann, es gehe um das Vertrauen in die Behörden und um die Sicherheit.

  • Norbert Bollow sagt:

    Ich fühle mich überhaupt nicht sicher, und meine grösste Sorge ist die Gefährrdung der Demokratie durch Rechtspopulisten in verschiedenen Ländern und durch die aus Überwachungswahn resultierende Machtkonzentration. Ein Skandal, dass ein menschenrechtsverletzendes Gesetz wie das NDG vom Parlament gutgeheissen wurde und jetzt an der Volksabstimmung Chancen zu haben scheint!

  • Hans Knecht sagt:

    Vielleicht sollte sich Frau Ursula Uttinger mit den Wörtern Freiheit und Sicherheit sowie den verschiedenen Arten von Freiheit und Sicherheit auseinander setzen.
    These: Die Freiheit eines Menschen hört dort auf wo die Freiheit des Nächsten beginnt. Und man hat dann ein Maximum an Freiheit, wenn man der letzte Mensch auf der Erde oder ein Diktator ist.
    Und Sicherheit hat man meines Erachtens nur dann, wenn man vor Willkür und (Macht-) Missbrauch wie z.B. vor Psychomanipulationen geschützt ist und jeder voller Zuversicht in die Zukunft schauen kann. Die Aufgabe eines jeden Nachrichtendienstes sollte m.E. daher auch zum einen darin liegen das eigene Land wie auch andere Länder vor Willkür und Machtmissbrauch dritter zu schützen sowie Stabilität bieten durch diverse (System-) Analysen.

  • Sacha Maier sagt:

    Die Privatshpäre ist in Zeiten von Terror und einer immer undurchdringlicher werdenden postindustriellen, neofeudalistischen Klassengesellschaft nicht mehr der wirklich grosse Renner. Eigentlich ist es eine Win-Win-Situation. Der moderne Mensch als Herdentier will ja überwacht werden. Dann fühlt er sich sicher, behütet und wird auch in seiner Selbstachtung bestätigt, die er heute aus Arroganz und Ignoranz, statt Wissen schöpft. Dagegen will unser moderner Systemgeldadel bestimmt nie mehr wieder zu unaufschiebbaren kopflosen Terminen mit den Nachfahren eines Charles-Henry Sanson vorgeladen werden. Die Staatssicherheitsdienste schützen darum besonders das Leben und Eigentum unserer Elite. Der gesetzestreue und rechtschaffene Bürger hat (fast) nichts zu befürchten.

  • Sandro Caflish sagt:

    Ob ja oder nein, die Abstimmung über das neue NDG ist eine Farce. Überwachung findet immer und überall statt und das schon lange, Fichenaffäre schon vergessen? Heute von Freiheit des Individuum zu sprechen ist blanker Hohn und Spott!

    • Andy sagt:

      Sie machen es sich zu einfach. Freiheit ist nicht einfach da, es muss ständig dafür gekämpft und nachjustiert werden. (Das gleicht gilt übrigens auch für die Sicherheit.)

  • Michel K sagt:

    Ich glaube das Thema geht etwas am Grundsätzlichen vorbei.
    Jeder glaubt, dass dieses Gesetz mehr Sicherheit schafft, dafür ist der Geheimdienst das falsche Mittel. Er braucht sich vor dem Volk nicht zu rechtfertigen. Die klassischen polizeilichen Möglichkeiten (jetzt leider durch BüPF erweitert) würden da viel mehr bringen.

    Firmen zu IT Sicherheit verpflichten bringt mehr Sicherheit. …Wenn sich die Politik mal auf den Cyber War konzentrieren würde. Der findet statt und keiner dieser Artikel im Gesetz hilft. Wir brauchen eine Schutzoffensive für unsere Elektrizitätswerke, Krankenhäuser, Gemeinde, Kanton und Bundesbetriebe, ÖV, Provider.
    – Eisenbahn -> „Can Trains be Hacked“
    – Krankenhäuser -> https://www.heise.de/security/suche/?channel=security&q=Krankenhaus&rm=search&sort=d

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