Waffenexport: Die Schweiz als Vorbild?

epa04931420 Special ammunition by Swiss company RUAG is on display in the Defence Security Equipment International (DSEI) exhibition at ExCel in London, Britain, 15 September 2015. The DSEI exhibition takes place from 15 to 18 December in London. EPA/FACUNDO ARRIZABALAGA

Die Interessen gelten dem Rüstungsstandort: Schweizer Munition an der Defence and Security Exhibition in London. Foto: Facundo Arrizabalaga (Keystone)

Der internationale Waffenhandel ist ausser Kontrolle. Die unkontrollierte Verbreitung von Waffen verschärft Konflikte, treibt Menschen in die Flucht, behindert die Entwicklung und schafft Armut. Mehr als 500’000 Menschen sterben jedes Jahr durch Waffengewalt, die meisten von ihnen ausserhalb von Kriegen.

Die Verabschiedung des Waffenhandelsabkommens (Arms Trade Treaty, ATT) durch die UNO-Generalversammlung wurde zu Recht als historischer Erfolg gefeiert. Über zwanzig Jahre lang hatten sich Organisationen wie Amnesty International für ein Abkommen zur Kontrolle des internationalen Waffenhandels eingesetzt. Der ATT ist Ende 2014 in Kraft getreten; ab heute treffen sich die Unterzeichnerstaaten zur ersten substanziellen Konferenz in Genf.

International verbindliche Standards

Erst jetzt, bei der Umsetzung durch die Vertragsstaaten, wird sich zeigen, ob aus dem ATT tatsächlich ein humanitärer Meilenstein wird oder ob er ein zahnloser Papiertiger bleibt. Da die Schweiz Gastgeberin des Abkommens ist, kommt ihrer Regierung und der Zivilgesellschaft in dieser Frage eine besondere Verantwortung zu.

Der ATT setzt erstmals international verbindliche Standards für die Kontrolle des globalen Handels mit konventionellen Waffen und Munition. Er verbietet Waffenlieferungen in ein Land, wenn ein grosses Risiko besteht, dass mit diesen Waffen schwere Menschenrechtsverletzungen oder Kriegsverbrechen begangen werden. Das Abkommen soll zu «internationalem und regionalem Frieden, Sicherheit und Stabilität beitragen» sowie «menschliches Leid verhindern».

Schweizer Interesse am Waffenexport

Die Schweiz hatte bei der Entwicklung des ATT eine positive Rolle gespielt; unter Federführung des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) hatte sie sich in den schwierigen internationalen Verhandlungen für einen «möglichst starken und effektiven» Text eingesetzt. Die Entwicklungen danach legen jedoch nahe, dass die Schweizer Interessen weniger der Friedenspolitik gelten als dem Rüstungsstandort.

Nach Unterzeichnung des ATT hat die Schweiz ihre Rüstungsexportkontrolle zweimal gelockert. Im März 2014 stimmte das Parlament einer Aufweichung der Exportkontrolle zu und im April 2016 unternahm der Bundesrat eine abenteuerliche Neuauslegung der Kriegsmaterialverordnung. Seither darf die Schweizer Rüstungsindustrie wieder Waffen in Staaten liefern, welche die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen, solange die exportierten Waffen nicht direkt dabei eingesetzt werden. Und auch Länder, die in einen internen bewaffneten Konflikt verwickelt sind, dürfen neu beliefert werden.

Vorbild mit Fragezeichen

Waffenexportkontrolle lockern statt stärken: Mit dieser Politik torpediert die Schweiz ihre Rolle als Vorbild, die sie als Gastgeberin des ATT in Genf unbedingt einnehmen sollte. Zwar haben bereits 130 Staaten den ATT unterzeichnet und 87 ihn ratifiziert, aber für eine strikte Umsetzung braucht es den politischen Willen der Regierungen. Es muss endlich verhindert werden, dass Waffen in die Hände von Unrechtsstaaten, Bürgerkriegsmilizen oder Kriminellen fallen. Um das zu erreichen, sind offensichtlich weiterhin das Engagement der Zivilgesellschaft und eine kritische Begleitung der ATT-Verhandlungen nötig.

25 Kommentare zu «Waffenexport: Die Schweiz als Vorbild?»

  • K.A. Barett sagt:

    Alle Waffen produzierenden Nationen haben ein vitales Interesse daran, diese auch exportieren zu können. Die aus zwei Hauptgründen. Einerseits geht es ganz profan um das Geschäft an sich, um Arbeitsplätze, um Steuereinnahmen für den Staat. Andererseits um militärtechnisches Know-how. Es sei denn, man lässt die Rüstungsindustrie, und die diese ist weitgefächert, ganz bewusst sterben und riskiert im konkreten Krisenfall Engpässe bei der Beschaffung. Die Transformation von Rüstungsbetrieben in Produktionsstätten für hochwertige zivile Produkte kann man vergessen. Man vergisst gerne, dass auch in diesem Bereich des Lebens Zynismus vorherrscht. Wenn ein Land den Export von Rüstungsgütern einstellt, springen andere problemlos in die Lücke. Gewonnen wäre nichts. Im Gegenteil.

    • Christoph Bögli sagt:

      Das übliche billige Sandkasten-Argument: Wenn wirs nicht machen, dann tuns die anderen, also öffnen wir die Schleusen möglichst weit und rüsten noch das hinterletzte islamistische Unrechts-Regime hoch. Und übersieht dabei, dass sich erstens in einem derart spezialisierten und teuren Hightech-Markt Lücken nicht immer so einfach schliessen lassen und zweitens jemand den ersten Schritt machen muss. Manchmal ist es darum genau das Richtige, zu „verlieren“.

      • Monique Saulnier sagt:

        Danke Herr Bögli, dem ist nichts hinzuzufügen.

      • K.A. Barett sagt:

        Das ist alles andere als ein „Sandkasten-Argument“. Es ist die Realität. Und diese kann man sich nicht einfach mit Farbstiften nach der eigenen Fantasie schön bunt malen. Ihre Ideale in Ehren, aber das islamistische und andere Unrechts- und Gewaltregimes lassen sich nicht einfach beseitigen. Dies auch dann nicht, wenn nicht nur die Schweiz, sondern auch Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Russland, alles europäische Staaten, die Waffenproduktion und den Export stoppen würden. Auch die USA, China, Japan, Pakistan und Indien produzieren nicht nur Gummibärchen und Zahnbürsten.

        • Christoph Bögli sagt:

          @K.A. Barett: Das mag so sein, aber wenigstens würde man dann nicht die sonst ach so hoch gehaltenen Werte (christlichen, humanistischen oder welche auch immer gerade dafür genommen werden, wieso wir eine ach so zivilisierte Kultur sind) für ein paar blutige Franken verkaufen. Das wäre doch zur Abwechslung auch mal was. Dass ein reiches Land wie die Schweiz die paar Aussenhandels-Milliönchen von solchen Deals unbedingt braucht, ist jedenfalls auch eine absurde Behauptung. Was genau würden wir also verlieren, wenn wir nicht bei jedem dreckigen Geschäft unbedingt zuvorderst mitmischen? Die Marktanteile verliere ich jedenfalls nur zu gerne an Chinesen, Inder oder wen auch immer..

          • K.A. Barett sagt:

            @Christoph
            Nach der reinen Lehre der angewandten christlichen Moral haben Sie völlig recht. Wenn die Schweiz die Produktion und den Export von Rüstungs-Komponenten komplett aufgäbe, hätte das für die Schweiz nicht geringe Folgen. Für den globalen Waffenhandel aber überhaupt keine. Es würde niemanden kratzen. Zudem ist die RUAG ein relevanter Player mit hoher technischer Kompetenz. Ebenso die Pilatus-Flugzeugwerke. Alles ist interdependent, nichts darf isoliert betrachtet werden. Auch die Armee ist im Ernstfall auf rüstungstechnisches Know-how und auf Produktions-Kapazitäten angewiesen. Es sei denn, man möchte diese auch gleich abschaffen.

          • Christoph Bögli sagt:

            @K.A. Barett: Also Sie müssen sich schon entscheiden, ist die Produktion von Schweizer Rüstungsfirmen nun irrelevant oder sind diese „relevante Player“? Im letzteren Fall hätte deren Wegfall und die daraus entstehende Verknappung des Angebots durchaus Auswirkungen auf den internationalen Waffenmärkten. Und sei es nur, dass frühere Käufer schwieriger Zugang zu Ersatzteilen und Überarbeitungen hätten.

            Ansonsten, wenn Pilatus, Ruag und Co. effektiv nicht ohne Export von Kriegsmaterial in fragwürdige (Konflikt-)Länder und Diktaturen überleben können, dann sollte man diesen Firmen erst recht keine Träne nachweinen. Allerdings ist das eh nur Panikmache, gerade weil diese Unternehmen durch generöse Aufträge der Schweizer Armee als Quasi-Staatsunternehmen eh abgesichert sind.

    • Paul Levi sagt:

      Wenn man also konsequent ist, dann sollten wir also sämtliche Ausfuhrbeschränkungen aufheben. Wit sollten also überall hin liefern, egal ob die Waffen für Krieg oder Menschrechtsverletzungen gebraucht werden. Man könnte dann sogar der IS Waffen liefern. Denn wie Sie sagen, wenn wir nicht liefern, dann tut es ein anderer und schliesslich müssen wir unsere Rüstungsindustrie auf einem Top-Level halten. Was können wir dafür, dass mit diesen Waffen unglaubliches Leid verursacht wird, denn wie gerne betont wird, tötet ja nicht die Waffe, sondern der Mensch. Die die davon profitieren sind total unschuldig, denn es ist ja nicht verboten, erfolgreich zu sein.

      • K.A. Barett sagt:

        Nein, aber wir bewegen uns aber in der Quadratur des Kreises. Ein kleines Land wie die Schweiz kann natürlich aus moralischen Überlegungen den Winkelried spielen. Der Nutzen wäre, global gesehen, gleich Null. Höchstens moralisch. Wir könnten uns dann in die Brust werfen und rufen: seht her, wir sind das grosse moralisch/ethische Vorbild. Ein anderer Effekt wäre nicht zu erwarten.

        • Paul Levi sagt:

          Eben, weil wir nicht den Winkelried spielen wollen, da das global gesehen eh nichts aus macht, dann sollten wir gleich richtig was machen. Ab sofort liefern wir alles und an jeden. Oder haben Sie plötzlich moralische Bedenken an die IS zu liefern? Bei Unrechtsstaaten haben Sie diese ja auch nicht. Wenn wir nicht liefern, dann macht es ein anderer.

          • K.A. Barett sagt:

            @Paul
            Wenn Sie alles nach Ihrer puristischen Denkweise regeln wollen, dann können Sie den Laden gleich dicht machen. Auch wenn Sie Küchenmesser produzieren und exportieren, können Sie damit Gemüse rüsten oder Menschen umbringen. Es existieren genügend Beispiele aus der Terroristen-Praxis.
            Wenn Sie Produkte in ein Land exportieren, auch in einen demokratischen Rechtsstaat, können Sie nicht völlig ausschliessen, dass diese nicht missbräuchlich dort auftauchen, wo Sie es als unerwünscht empfinden. Selbstverständlich sind aber Waffen problematischer als Stabmixer.

          • Paul Levi sagt:

            @K.A. Barett: Wieder einmal das Küchenmesser-Beispiel. Sorry, das ist lächerlich. Waffen sind beim Töten viel viel effizienter als alle Gebrauchsgegenstände und Waffen haben nur einen einzigen Zweck.
            Bei Ihrer Lösung ist das Problem, wo man die Grenze zieht. Ich habe 2 mal gesagt, dass wenn man so argumentiert, dann kann man gleich der IS Waffen liefern. Sie haben nicht darauf reagiert, weil Sie das wohl nicht machen würden. Aber wo zieht man die Grenze? IS beliefern wir nicht. Luxemburg würde wir beliefern. Was ist mit Iran, Syrien oder Nordkorea? Also wenn man schon auf die Moral pfeift, dann muss man das konsequent machen und alle beliefern.

        • Christoph Bögli sagt:

          @K.A. Barett: Und was wäre an diesem Effekt denn schlecht? Ethisch vorbildlich bzw. mit sich selbst im Reinen zu sein, ist doch ein nicht zu verachtender Wert.
          Zumal der sonstige Effekt natürlich auch nicht gleich null ist, weil jeder Anbieter weniger auch weniger Auswahl und Konkurrenz bedeutet, weshalb sich Käufer dann u.U. auf qualitativ fragwürdigere Produzenten verlassen müssten, tendenziell also mehr zahlen würden und weniger dafür bekämen.

          • K.A. Barett sagt:

            @Urban
            Mit sich selbst im Reinen zu sein, ist in der Tat ein nicht zu verachtender Wert. Da bin ich vollumfänglich bei Ihnen!

    • Urban Zuercher sagt:

      Dann wären Sie auch dafür, die Herstellung von Kinderpornographie in der Schweiz zu legalisieren, oder, Herr/Frau Barett?
      Eine Nachfrage dazu gibt es unbestrittenermassen. Und wenn wirs nicht tun, dann tun es andere….
      Man könnte soweit gehen, dass es sogar ein humantiärer Akt ist, dies zu machen. In der Art, dass es anstatt einer extrem menschenunwürdigen Ausbeutung nur noch eine menschenunwürdige Ausbeutung wäre. Mit staatlichen Anlaufstellen für Opfer und so… Ein Fortschritt also.
      Oder aber, man hat ethische Standards in einer Gesellschaft, die der Profitmaximierung vorgehen. Sei es nun, dass Vorbereitungshandlungen zum Völkermord zu ächten sind oder dass man Kinder vor sexueller Ausbeutung schützt….

  • Karl Meierhans sagt:

    So lange unsere „Politelite“ glaubt, man muss nur das schweizer Logo von den Waffen entfernen und dann ist es kein Problem mehr, Waffen in Krisengebiete zu exportieren, solange bleibt es wie im Blog geschrieben ein Papiertiger. Das einzige was diese Interessiert ist Kohle, Kohle und nochmals Kohle.

  • Carmen Heidelberger sagt:

    Wenn die waffenexportierenden Länder so ein Abkommen aushandeln, das kommt bestimmt gut raus. Das ist ja wie wenn Alkis untereinander über eine Saufverzichtsabsichtserklaerung diskutieren. Aber bei den Schweizern sind die ja wenigstens demokratisch legitimiert. Da ist das Volk an den Drecksgeschäften mitbeteiligt.

  • Erwe sagt:

    Ein Sprichwort das Waffenbenutzern bekannt ist, sollte sinngemäss auch für die Waffenhersteller gelten: „Ist die Kugel einmal abgeschossen, kommt sie nicht mehr in den Lauf zurück.“ (Ist eine Waffe einmal hergestellt, wird sie auch benutzt und von wem ist nicht dauerhaft kontrollierbar)

  • Anh Toàn sagt:

    Eine Waffe ist ein Werkzeug, der Besitzer entscheidet, wie dieses eingesetzt wird. Wollen wir der Polizei keine Waffen mehr geben? Kein Tränengas? Wir hängen doch so sehr an unseren Nationalstaaten, aber die haben alle Armeen?

    Alle sind gegen Waffen, aber kaum einer ist für Abschaffung von Polizei und Armee, das wäre ja die elementarste Grundlage des Staates, innere und äussere Sicherheit, hiess „Nachtwächterstaat“.

    Wenn wir keine Kriege mehr wollen, müssen wir die Nationalstaaten überwinden. Der Nationalstaat braucht Waffen.

    • Sarah Kohn sagt:

      Grossbritannien hat zweimal Kontinentaleuropa gerettet, also den Krieg überwunden und Frieden gebracht. Und dafür brauchte der Nationalstaat Waffen. Es ist eine böswillige Unterstellung, dass Nationalstaaten andere Staaten angreifen. Die Armee der EU heisst übrigens Nato.

      • Christoph Bögli sagt:

        Vor wem musste GB denn Europa retten? Vor Superschurken oder Aliens? Nein, vor grössenwahnsinnigen Nationalstaaten, insbesondere ein gewisses deutsches Reich. Es ist durchaus so, dass ein Grossteil des Rüstungswettlaufs alleine durch die – theoretische oder effektive – Bedrohungssituation zwischen Nationalstaaten besteht. Diese sind darum effektiv ein zentraler (wenn auch nicht der einzige) Kondensationspunkt kriegerischer Konflikte.

        Ansonsten, die NATO ist keineswegs mit der EU gleichzusetzen, das ist eine ziemlich abwegige Perspektive.

      • Margot sagt:

        @Kohn. GB hat zweimal Europa gerettet? Unglaublich!? Soviel Unsinn liest man selten!

        • Sarah Kohn sagt:

          @Margot, würden Sie mal ein Geschichtsbuch lesen, könnten Sie lernen, dass GB in beiden WK zu den Siegermächten gehörte. Zusammen mit andern, aber ohne GB hätten sie es eben nicht geschafft.

      • Anh Toàn sagt:

        @Sarah Kohn

        Haben, wenn die Nato die Armee der EU ist, die Briten sich mit dem Brexit auch aus der Nato verabschiedet?

        Vor wem haben denn die Briten (angeblich, ich würde sagen, es waren vor allem die Russen und geholfen von den Amis) „Kontinentaleuropa“ (es gibt ja noch das offshore Europa UK) gerettet? Doch vor dem deutschen Nationalstaat?

Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.