Jedem seinen Bildungsweg

Eine schwierige Entscheidung: Jugendliche lesen in einem Bildungsinformationszentrum (BIZ) Unterlagen über verschiedene Berufe. Foto: Gaetan Bally (Keystone)
Die Schülerinnen und Schüler müssen sich in der Schweiz bereits früh für den einen oder anderen Bildungsweg entscheiden. Spätestens mit 14 Jahren fragen sie sich zum Beispiel: Soll ich noch möglichst viele Jahre in die Schule gehen, oder möchte ich in einer Lehre die Praxis kennen lernen und einen konkreten Beruf erlernen? Bei dieser Entscheidung werden sie oft mit vorgefassten Meinungen oder auch Wertungen über die unterschiedlichen Bildungswege konfrontiert.
Der Weg, den man wählt, ist in der Schweiz nicht in Stein gemeisselt. Es bieten sich während der Berufs- und Grundbildung laufend Gelegenheiten, einen anderen Weg einzuschlagen. Während oder nach einer Lehre kann die Berufsmatura absolviert werden, um an der Fachhochschule zu studieren. Nach der Berufsmatura gibt es zudem eine Passerelle, die den Zugang zu universitären Hochschulen ermöglicht. Auch die Pädagogische Hochschule kann mit Fachmatura, Matura oder mit Berufsmatura plus Aufnahmeverfahren besucht werden. Alle drei Hochschulen werden per Hochschulförderungs- und Koordinationsgesetz (HFKG) obgleich ihrer Andersartigkeit als gleichwertig anerkannt.
Die öffentlich verwendeten Begrifflichkeiten hinken dieser Anerkennung allerdings hinterher. Oft wird der sogenannte (aber terminologisch wenig sinnstiftende) «akademische Weg» leider immer noch fälschlicherweise äquivalent zum «universitären Weg» verwendet. Dabei müssten wir endlich verstehen, dass wir attraktive, eigenständige, aber offene Bildungswege ohne Sackgassen brauchen. Erbrachte Leistungen sollen anerkannt und angerechnet werden, im Vordergrund sollen nicht ein wenig verständlicher Formalismus, sondern das Berufsbild und die persönliche sowie berufliche Weiterentwicklung der Jugendlichen stehen.
Diesbezüglich ist allen Fachhochschulausbildungen die Berufsqualifizierung und Anwendungsorientierung gemeinsam. Auch Fakten zum Lohn und zur Arbeitssituation von Fachhochschulabsolventen sind durchaus interessant: Die von FH Schweiz durchgeführte Lohnstudie 2015 ergab zum Beispiel, dass ein Bachelorabsolvent einer Fachhochschule auf Kaderstufe zwischen 92’000 und 119’500 Franken verdiente. Ein auf oberer Kaderstufe tätiger Masterabsolvent einer Fachhochschule erhielt im Schnitt 142’900 Franken. 60 Prozent der befragten Absolventinnen und Absolventen von Fachhochschulen waren 2015 auf Kaderstufe tätig. Die Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen, dass fast alle Fachhochschulabsolventinnen und -absolventen einen Job finden: Die Erwerbslosenquote von Absolventinnen und Absolventen der Bachelorstufe von Fachhochschulen liegt fünf Jahre nach Abschluss bei 1,7 Prozent. Im Vergleich dazu liegt die entsprechende Quote für Absolventinnen und Absolventen der Masterstufe einer universitären Hochschule bei 2,3 Prozent.
Der Weg über eine Berufslehre mit Berufsmaturität oder über die gymnasiale Maturität inklusive Praxisjahr mit anschliessendem Studium an der Fachhochschule ist also genauso attraktiv wie der gymnasiale Weg mit anschliessendem Studium an einer universitären Hochschule oder das Studium an einer Pädagogischen Hochschule. Es ist deshalb wichtig, dass junge Leute den Weg wählen, der ihren aktuellen, individuellen Bedürfnissen entspricht. Am Schluss geht es nicht darum, welcher Bildungsweg am besten ist, sondern welcher am besten passt.
21 Kommentare zu «Jedem seinen Bildungsweg»
Alles ist immer gleichwertig und durchgängig? Mitnichten! Fakt ist, wer eine Lehre macht muss Sie machen, weil er notenmässig nichts anderes schafft… und die Praxis veraltet schnell, während intellektuelle Beweglichkeit und Intelligenz immer gefragt sind.
Wer nur eine Lehre hat, ist für die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts, Stichwort Industrie 4.0, alles andere als vorbereitet. Da kann man besser gleich nach der Grundschule Sozialhilfe beantragen.
Dann hoffe ich, dass der Sanitärinstallateur der Ihre Toilette flicken muss, auch das richtige studiert hat. So ein Snobismus ist genau das heutige Problem. Für gewisse Leute zählen nur noch die studierten – wenn ich aber in meinem „studierten“ Umfeld sehe was dabei herauskommt, bevorzuge ich die Praktiker immer und überall.
Na ja, ich gebe Ralf Schrader aber recht. Er schreibt ja nicht, die Lehre sei schlecht. Er schreibt nur, dass es fahrlässig ist, „nur“ eine Lehre zu machen. Wer wirklich keine andere Weiterbildung hat, erhöht für sich die Gefahr, bei einem Strukturwandel in der Wirtschaft fortgespült zu werden.
Ich finde es nur schon fahrlässig, eine Lehre mit BMS zu machen und danach nicht weiterzumachen.
@Jungmeister/Schrader: Schrader: Ja, darum gibt es in Frankreich so viele arbeitslosen Akademiker. Während z.B. gute Köche problemlos eine gute Arbeit finden. (Weit über dem Minimumsalär).
In F arbeiten aber manche Akademiker zum Minimumssalär. – Aha, „aht.ch“ ist eine Consulting-Firma. In etwa wie McKinsey – nur etwas kleiner. Das sagt schon einiges aus.
Damit bin ich nicht einverstanden.
Mit 14 Jahren sind die meisten Schüler wohl eher an der erwachenden Libido, Computerspielen etc. interessiert. Der Stand der persönlichen Entwicklung kann sehr unterschiedlich ausfallen. Und in der Schweiz ist das Gymnasium nicht der einzige Weg. Das merken auch die jungen Menschen. Der Druck ans Gimi zu gehen ist nicht so gross.
Das Elternhaus hat zudem einen sehr viel grösseren Einfluss als sie ihm hier beimessen. Es ist kein Zufall, dass Kinder von Akademikern ihre Kinder möglichst früh aufs Gymnasium schicken.
Klar, wer nur Vierer schreibt, empfiehlt sich nicht für das Gymnasium. Aber fünfer Schüler die eine Lehre machen, hätten mit mehr Einsatz sicher auch ein Gymnasium packen können.
Ja, darum gibt es in Frankreich so viele arbeitslosen Akademiker. Während z.B. gute Köche prtoblemlos eine gut Arbeit finden. (Weit über dem Minimumsalär).
In F arbeiten manche Akademiker zum Minimumssalär.
Aha, „aht.ch“ ist eine Consulting-Firma. In etwa wie McKinsey – nur etwas kleiner. Das sagt schon einiges aus.
In dieser Rubrik muss man den Eindruck gewinnen, es gäbe nur in der Wirtschaft Positionen zu besetzen, bzw. anzustreben.
Wer in einer Geistes-, oder Sozialwissenschaft arbeiten möchte, wer Arzt werden will, für den ist die Matura unumgänglich und jeder Tag mit handwerklicher Unterweisung ein verlorener.
Die heutigen Schüler werden für die Welt ausgebildet, in welchem nicht mehr Menschen Dinge herstellen und Informationen ordnen. Das machen dann nur noch Maschinen. Dem Mensch bleibt nur die Arbeit am Menschen, welche wiederum eine sozialwissenschaftliche, pflegerische oder medizinische Ausbildung inkl. vorgängiger Matura voraussetzt.
Nicht mehr die Berufe des 20. Jahrhunderts.
die leute wollen je länger je mehr wieder von bäckern gebackenes brot.
wie soll eine wohnung von einem roboter gestrichen werden?
es ist so illusorisch, dass alles automatisiert wird und damit der mensch überflüssig (ausser in den von dir genannten bereichen), wie das papierlose büro. ergebnis der vereinfachung durch elektronische datenverarbeitung war doch nur, dass noch mehr gesammelt wird. auf von hand ausgefüllten formularen. die von menschen kontrolliert werden.
das sind nur 2 hinweise. ich könnte noch viele nennen.
aber wir werden ja sehen was die nächsten jahrzehnte passiert
Das ist zwar richtig, aber an allem muss man das Wörtchen ’noch‘ anhängen. Die demographische Entwicklung, bis 2065 recht gut vorhersagbar, führt zu zwei Effekten:
1. Zunahme der Menschen im Pensionsalter bis zur Verdopplung.
2. Abnahme der Menschen im arbeitsfähigen Alter.
Es wird aus humanitären Gründen irgendwann nicht mehr vertretbar sein, Menschen an Dingen arbeiten zu lassen und sei dies Brot. Menschen können dann nur noch an Menschen arbeiten und alles andere müssen Maschinen erledigen.
Das ist eine zu heute inverse Situation. Man sucht dann nicht mehr nach Arbeit, man bekommt sie aus der humanitären Notwendigkeit heraus zugewiesen. Ab einem bestimmten Stand der z.B. Pflegetheorie und -Technik bleibt kein Beruf, welcher ohne Matura auskommt.
@Ralf Schrader: Da übertreiben Sie aber gewaltig. Die Welt dreht sich auch ohne viele Geistes- und/oder Sozialwissenschaftler – problemlos weiter. Natürlich braucht es ein Studium, um Medizin zu studieren. Aber ein guter Arzt muss auch das Talent zum Arzt haben. Also gewisse menschliche Fähigkeiten.
Als Krankenschwester benötigt es keine Matur! Man kann Berufe auch zu Tode akademisieren und danach über fehlende Fachkräfte klagen. Es reicht völlig, wenn man eine FaGe Lehre macht, danach evt. noch Weiterbildungen und bsp. am Careum eine HF Ausbildung. Es muss nicht zwingend FH sein. Auch beim Physiotherapeuten würde ein HF evt. mehr bringen…
Vorab: Dass vom Geschäftsführer von FH Schweiz die Fachhochschulen hochstilisiert werden versteht sich von selbst.
Dass die gymnasiale Matura in der Schweiz einen dermassen geringen Stellenwert hat – oder besser gesagt einen so elitären, dass nur wenige Menschen dazu befähigt sein sollen, ist aber auch international gesehen enorm fatal. Wie viele junge Menschen möchten nicht auch mal über die Grenze schnuppern? Das bleibt leider allen versagt, die nicht mindestens eine Matura haben! Da versagt das schön gelobte „Schweizer Bildungsmodell“ kläglich, denn es funktioniert ausschliesslich innerhalb der eigenen engen Grenzen. Oder eine hier eigentlich recht gute „mittelmässige Matura“ ist im Ausland gar nichts wert, weil in deren Augen „sehr schlecht“. Schade!
Sie widersprechen sich. Hat die gymnasiale Matura ihrer Meinung nach nun einen geringen Wert oder einen hohen? Ist sie elitär, wäre sie auch härter und nicht „sehr schlecht“.
Aber ja, unser Bildungsmodell erscheint schon manchmal fragwürdig. Bologna hat da tatsächlich eine klare Definition hineingebracht. Ohne Bologna wäre nicht wirklich klar, welche Ausbildung mit welcher verglichen werden kann.
Franz Süss widerspricht sich nicht. Die Matura wird in der Schweiz von gewissen politischen Kreisen als eine so anspruchsvolle Ausbildung gepriesen, dass nur wenige dort zugelassen werden sollten.
Zahlenmässig resultiert daraus ein geringer Stellenwert, da die Berufslehre 85% der Erstausbildungen abdecken soll.
Ich verstehe immer noch nicht was Franz Süess aussagen will. Eine Matur die so überhöht wird, sollte demenstprechend auch die nötige Qualität haben und vom Ausland nicht als „schlecht“ gesehen werden. Oder meint Franz Süess, dass das Ausland die Matur selber als nicht so elitär definiert hat und darum nicht verstehe, dass die Schweizer seltener eine Matura haben?
Also, ohne für Franz Süss reden zu wollen, kann ich feststellen:
Im Ausland jammert man weniger über den drohenden Wertverfall der Matura, man sinniert weniger darüber, welche Schüler und wieviele zugelassen werden sollten.
Das Gymnasium ist eine wichtige Schulform, nicht mehr und nicht weniger. In der Kritik der angeblich zu hohen Maturaquoten jedoch vereinen sich in der Schweiz Elitaristen und Bildungsferne, jede Gruppe mit ihrer eigenen Begründung. Die einfachen Leute sollen sich keine Gedanken über die Matura machen, das ist eh nichts für sie. Das bedeutet „geringer Stellenwert“.
Ja das sehe ich auch. Eigentlich eine eigenartige Entwicklung, dass ausgerechnet ein angeblich so egalitäres Land wie die Schweiz so ein Theater um die Matura macht…
Was in dieser Diskussion und dem Blogbeitrag fehlt, sind Ausführungen zur höheren Berufsbildung! Diese bildet eben genau den Mittelbau zwischen der „einfachen Berufslehre“ und dem „akademischen Weg“. Und genau die höhere Berufsbildung ermöglicht den anfänglich schulisch vielleicht Schwächeren, zu einem späteren Zeitpunkt eine wertvolle, praxisorientierte Weiterbildung zu machen.
Theoretiker sind des Öfteren in der Praxis nicht zu gebrauchen. Und wer meint, nur weil er studiert habe, sei seine Meinung immer die richtige, täuscht sich ebenfalls. Diese Betonung der Elite. Wer wirklich elitär ist, hat es nicht notwendig darüber zu sprechen, sond. beweist es, so dass man es bemerkt und lässt sich auch dazu herab, den Dummies sein Wissen zu erklären. Zudem, wer baut die Häuser in Zukunft? Ein Maurer etc. müssen nicht studiert haben. Ein Studierter hat davon sehr wenig Ahnung, es sei denn, er sei Architekt und dieser packt nicht unbedingt selbst mit an. Zukunft könnte auch bedeuten: wir machen uns immer mehr abhängig von Technik und verlernen es, selbst zu denken oder handeln. Das Ende wäre absehbar, ob studiert od. nicht. Doch wer hätte wohl mehr Überlebenschancen?
Verschiedene Aspekte sind zu beachten: Wer Arzt werden will, und all die Hürden schafft, die sog. Uebermatura davor, kann später fast jede Managementstufe erreichen, jedenfalls, wenn er ein Zusatzstudium macht. Auch mit 60 Jahren findet man als Arzt einen Arbeitsplatz. In vielen andern Berufen ist das viel schwieriger. Hinzu kommt, dass gerade durch die Übermatura nach der Matura eine neue Elite entsteht: ob rein intellektuelles Wissen zu einem guten Arzt führt, ist dabei zu bezweifeln. Allein der Umstand, dass jemand diese Übermatura hat, lässt von allen andern Akademikern abheben. Gerade dadurch, dass der Zugang limitiert ist, steigt der Wert des Studiums Medizin dramatisch. Zudem: Die Ausbildung dauert auch für einen Gymilehrer ungefähr gleich lang, aber viel weniger Möglichkeiten.