Die neue Sprache der Ausgrenzung

A retail trade apprentice of the Swiss Post places a stamp on a letter at the post office Basel 3 Spalen, Switzerland, on January 18, 2016. (KEYSTONE/Christian Beutler)

Eine Lernende der Post in Basel. Foto: Christian Beutler (Keystone)

Rund um die gymnasiale Aufnahmeprüfung sind sie wieder allgegenwärtig, diese Sätze. «Man soll die Kinder nicht ans Gymi pushen», schallt es einmütig aus allen Foren, Blogs und Elternzeitschriften. Natürlich stimmt das. Was könnte man auch Vernünftiges dagegen sagen? «Kinder am Gymnasium sind nicht glücklicher», wissen Bildungspolitiker. Aha. Umgekehrt aber schon? Interessant ist ja, dass immer genau dann vom Glück und vom Wohl des Kindes die Rede ist, wenn dieses nicht ans Gymi soll. «Es müssen nicht alle an die Uni. Es gibt so gute Alternativen.» Das sind Allgemeinplätze, naturgemäss sind sie nicht falsch. Das Problem ist nur, dass sie instrumentalisiert werden. Dabei folgen sie ziemlich durchsichtigen rhetorischen Mustern: «Jedes Kind ist anders» heisst übersetzt: «Es sollen mehr Kinder eine Lehre machen.»

Der Machtdiskurs, mit dem Kinder vom Gymnasium ausgeschlossen werden, funktioniert heute anders, subtiler. Ein offenes Bekenntnis zu Eliteschule und bewusster Selektion ist selten geworden. Die Wölfe haben Kreide gefressen und lasten nun ihr eigenes Elitedenken genau jenen Eltern an, die teilhaben wollen an ihren Privilegien: an ihrer Bildung und am gesellschaftlichen Aufstieg. Dabei verwenden sie – ein rhetorischer Klassiker – die Werte ihrer Gegner. Noch hallen deren Argumente aus der Reformpädagogik der Sechzigerjahre nach: Handwerkliche Arbeit ist genauso viel wert wie schulische, Leistungsdruck schadet dem Kind, gesellschaftliche Hierarchien sind zu bekämpfen. Das ist zweifellos richtig. Aber sind denn die Hierarchien verschwunden seither? Es ist ein alter Trick der Mächtigen, sich an die Spitze der Pyramide zu stellen und zu behaupten, es gebe gar keine.

Und wie reagieren die Übertölpelten, denen man ausgesucht höflich die Schulhaustüre vor der Nase zuschlägt? Wehren sie sich für ihre Rechte? Das Gegenteil ist der Fall. Sie fühlen sich geschmeichelt, dass man ihre Lehre so rühmt, und bestätigen sich gegenseitig, dass sie gar nicht reinwollen, in dieses Gymi. Sie sonnen sich darin, die einzig kindergerechte Haltung zu verkörpern – ganz im Gegensatz zu den herzlosen Pushern vom Züriberg.

Die neue Sprache der Ausgrenzung gibt sich freundlich und wertschätzend. Sie verwendet gern den linken Diskurs, etwa wenn sie die Gleichwertigkeit der Bildungswege predigt. Sie knüpft aber auch an bei viel älteren Sprach- und Denkmustern: Sie erklärt den Kritiker zum eigentlichen Problem. Das ist ein weiteres Instrument aus der rhetorischen Trickkiste. Tugenden wie Genügsamkeit, Bescheidenheit und christliche Demut eignen sich hervorragend, um aufmüpfige Köpfe unten zu halten und die Forderung nach Teilhabe als Ursünde schlechthin zu brandmarken: als gute alte Hybris. In diesem mittelalterlich anmutenden System, in dem jeder auf seinem Platz bleiben soll, steigt für die Ausgegrenzten eine Haltung zur höchsten Tugend auf: höhere Bildung gar nicht erst anzustreben.

38 Kommentare zu «Die neue Sprache der Ausgrenzung»

  • Marianne Wissarjonova sagt:

    Ich nehme an, der Autor hat sich selber ausgegrenzt. Denn ausser dem Titel ist hier nichts zu lesen von dem Artikel.

    Abgesehen davon: Mit „Ausgrenzung“ wird in modischem newspeak einfach jede klare Stellungnahme von Schweizern bezeichnet, die sich zu den Subkulturen bildungsfremder Integrationsverweigerer äussern. Es ist ein typisches Soziologenwort, das den Schweizern das Schweizersein verleiden soll.

    • Max Herre sagt:

      Mit diesem Kommentar grenzen sie sich ebenfalls aus. Genau wie alle diese „patriotischen Schweizer“, die sich gegen alle und alles ausgrenzen und danach behaupten sie werden ausgegrenzen.

    • Marianne Wissarjonova sagt:

      Der Blogartikel von Andreas Pfister ist inzwischen veröffentlicht worden. Er ist launisch und frei von jedwelchem semantisch interpretierbarem Inhalt.

      Worum geht es darin? Ich habe schlicht nicht verstanden, wer, wo, wann die von Pfister zitierten Aussagen gemacht hat. Mir sind solche Sprüche bisher nie begegnet.

      Von welcher Altersstufe reden wir?
      Bei uns ging man nach der neunten Klasse ins Gymnasium. Von welcher Art von Schule rede Pfister?

      Was ist Pfisters eigene Meinung? Findet er, Schüler sollten selektioniert werden nach Intelligenzniveaus?

    • Eugen sagt:

      Ja stimmt schon ein wenig. Das Gegenteil wäre davon Integration, da müssen auch alle dafür sein. Aber wie definiert man das? Ist jemand integriert, wenn er/sie im ersten Arbeitsmarkt angekommen ist? Oder die Sprache spricht? Keiner der vielen Fachleute kann mir zum Beispiel sagen, wann man integriert ist. Den gängigen Klischées entlang gibt und gab es immer auch SchweizerInnen, welch nur mit Mühe als integriert bezeichnet werden werden können/konnten. Gibt es da Kurse?

  • Christoph Gut sagt:

    Um die Fakten klarzustellen: Die vor der PFZ eingewanderten Ausländerschichten sind am Schweizer Gymnasium unter-, die mit der PFZ eingewanderten Ausländerschichten sind im Vergleich zu den „Schweizern“ überproportional vertreten. Oder mit anderen Worten gesprochen: Wenn die Schweizer ihre Kinder freiwillig nicht ans Gymnasium schicken, weil sie aus falsch verstandenem „Schweizsein“ eine Lehre als erstrebenswerter finden, dann gibt es dort mehr Platz für Kinder von eingewanderten Deutschen, Franzosen, Engländer etc.

    • adam gretener sagt:

      Danke Herr Gut. Ich habe nichts dagegen, wenn ein Schweizer – pardon – Eidgenosse, lieber Gipser oder Elektriker werden möchte. Dieser soll sich dann aber bitteschön nicht beschweren, wenn an Hochschulen und Gymnasien immer weniger Schweizer zu finden sind. Proportional wenigstens. Auf dem Land kann man wahrscheinlich als „Chübelimuurer“ ganz gut überleben, man hat ja auch Haus und Grund von den Eltern geerbt. Nur zukunftsträchtig ist das nicht.

      • Pedro Riengger sagt:

        Interessant ist, dass so mancher selbständige Gipser mehr verdient als ein Arzt, der als Angestellter in einer Klinik auf Oberarztniveau kaum über Fr. 14’000 kommt, genauso wie der durchschnittliche Jurist bei einer Bank oder Versicherung oder in einer Kanzlei bei Fr. 10’000 an eine Mauer stösst. Die Zeiten, in denen der Arzt oder Anwalt der Dorfkönig mit der schönen Villa war, sind definitiv vorbei. Handwerk hat für gute Chrampfer immer noch goldenen Boden. (Dabei noch die Matur im Sack zu haben, schadet jedoch nicht. Also bitte ins Gymi, wer kann.) Interessant übrigens, dass gerade bei den sogenannt „unteren Schichten“ das Medizinstudium mit dem praktisch geschenkten Doktortitel als Nonplusultra an „Bildung“ gilt.

        • adam gretener sagt:

          Jurist bei einer Bank mit 10’000? Was sollen denn das für Juristen und Banken sein? Ihre Zahlen stimmen hinten und vorne nicht.

    • Christoph Gut sagt:

      Man wir uns nichts vor: Die Zeiten von Rainer E. Gut und Marcel Ospel sind vorbei. An das ganz grosse Geld und Macht, ausser man ist selbst innovativ!, kommt man heute nur noch mit einem Studium. Vorzugsweise in Oekonomie oder Rechtswissenschaften und entsprechenden Nachdiplommasters.

  • Marcel Mathieu sagt:

    Gut gebrüllt, Löwe, aber wo fängt man nun am Kadaver zu fressen an?

  • Markus Schneider sagt:

    Ich finde auch, dass das ewige Bildungsgeschwätz unnötig ist. Machen wir’s doch einfach und nennen alles vom ersten bis zum letzten Schuljahr Gymnasium, dann braucht sich niemand mehr benachteiligt zu fühlen. Betreffend Lohngleichheit würde ich vorschlagen dass die Löhne sämtlicher Lehrer auf deas gegenwärtige Lohnniveau der Primarlehrer angepasst, damit dürfte sicher auch Herr Pfister zufriedengestellt sein. Er kann ja zukünftig dann auch allen seinen Schülern die gleichen Noten geben. Oder meinetwegen auch gar keine, weil’s ja dann eh nicht mehr so draufankommt.

    • adam gretener sagt:

      Vielleicht hätte genau Ihnen ein Gymi gut getan. Da lernt man, sich selbständig Wissen zu erarbeiten.

      Zum Beispiel Kommata. Kommata, Herr Schneider.

  • Stefan W. sagt:

    Danke, der Artikel bringt es auf den Punkt. In Schulen auf dem Land geht die Ausgrenzung noch viel weiter: Das Gymi existiert offiziell gar nicht. Weder an Elternabenden noch im Elterngespräch wurde bei uns überhaupt thematisiert, dass es ausser der Lehre noch eine andere Ausbildungsmöglichkeit gibt. Wir sind keine Pusher und sagten nichts. Irgendwann wunderten wir uns aber, dass die Option Gymi trotz guter Noten mit geringem Aufwand gar nicht zur Debatte stand. Ich denke, hier hört das Argument „Kindeswohl“ auf. Dazu würde gehören, alle Optionen zu thematisieren, nicht nur die „politisch Korrekte“.

    • Blanche Wu sagt:

      Wer annähernd interessiert ist als Eltern, der googelt Schweizer Bildungslandschaft und findet die verschiedenen Bildungswege. So könnte man dann beim Elterngespräch in der Primar den Lehrer auf das Gymi aufmerksam machen. Ein wenig Mitwirkungspflicht sollte man von Eltern erwarten dürfen! Ausserdem weiss hier doch jeder, dass man Sek od. Gymi machen kann. Wer das nicht weiss, der läuft wohl extrem blind durch das Leben.

    • Pedro Riengger sagt:

      An den Gymnasien hat es kaum mehr Platz. Ebenso an den Universitäten. Darum sollen die Schüler eine Lehre machen. Und darum ist bald jeder Arzt und Vorgesetzte in der Schweiz ein Deutscher. Wir haben es mit einer verfehlten Bildungspolitik zu tun, die unseren einzigen Schweizer Rohstoff (Hirnschmalz) nicht zu fördern und zu verwerten vermag und, um das zu verschleiern, den Gymiwunsch als Elitedenken verpönt. Armselig.

      • Reto Stadelman sagt:

        Da gibt es wohl noch andere Gründe. Man darf davon ausgehen, dass bei 50% Abiturquote (Schweiz ca. 30%) das Abi auch einfach weniger streng bewertet wird als die Matura. Die Selektion ist in der Schweiz wohl härter, zumindest wenn man davon ausgeht, dass die Intelligenz gleich verteilt ist.
        Und dann kommt natürlich noch dazu, dass die Schweiz sehr viele Unternehmen anlockt. Proportional wohl mehr als andere Länder. Da kann dann gar nicht mehr jede Führungskraft Schweizer sein.

        • Urs Müller sagt:

          Warum sollte Intelligenz gleichverteilt sein? Am Zürichberg und in Zollikon ist die Maturaquote ca. 50 %. Ihrer Argumentation folgend, muss dort die Intelligenz sitzen und in der ländlichen Schweiz fehlen.

          • Reto Stadelman sagt:

            Die Intelligenzverteilung ist natürlich nicht gleich. Die Verteilung der Intelligenz sieht ziemlich sicher wie eine Gauskurve aus.
            Würde man die sozialen Vorteile/Unterschiede der Leute vom Zürcherber herausrechnen, bin ich mir sicher, dass die Gauskurve sich so gut wie gar nicht von der aus anderen Teilen der Schweiz oder Deutschland unterscheiden würde. Die Evolution ist zu langsam, um in wenigen Jahrzehnten oder Jahrhunderten einen bedeutenden Unterschied machen zu können.
            Dementsprechend kann man durchaus davon ausgehen, dass entweder die Selektion in Deutschland weniger hart ist als in der Schweiz oder die Schweizer Bildungspolitik andere Schwerpunkte setzt.

          • Marianne Wissarjonova sagt:

            @Urs Müller
            a) Der Intelligenzquotient wurde so gemacht, dass er normalverteilt ist in der Bevölkerung. Wenn man die unterschiedlichen Grade von Behinderung ansieht und dass es beim IQ irgenwann noch oben zu ende geht, so ist sie wohl eher eine Chi-Quadrat-Verteilung mit einem langen Ende nach rechts.

            b) Intelligenz ist zu 50% genetisch vererbt und zu 50% durch die Art, wie Kinder in der frühen Kindheit in der Hirnentwicklung angeregt werden. Gute Proxies sind ds Geburtsgewicht und die Anzahl Bücher, die man im Elternhaushalt findet.

            c) Wenn Sie die Matura quote eines einzelnen privilegieten Quartieres nehmen, dann ist die Stichprobe sehr offensichtlich nicht unabhängig. Entweder wohnen dort viele intelligente Eltern oder aber die Ansprüche wurden nach unten nivelliert.

  • Fabian sagt:

    Guter Artikel (wenn auch sehr umständlich geschrieben, zumindest für nicht akademiker 😉 aber der Artikel trifft den Punkt. Aber ich habe diese Frage ja schon mal gestellt und stelle sie der Tagi-Redaktion nochmals. Man könnte doch mal untersuchen, welche untersuchen welche Nationalräte und Ständeräte Kinder über 18 Jahren haben und wie die Verteilung nach:
    „normaler Matur“
    „Berufsmatur“
    „Berufslehere“

    aussieht.

    Und dann das ganze noch vergleichen, wie die Politiker sich zum Bildungswesen bzw. ob eine Matur nötig ist oder nicht äussern. Wäre evtl. sehr interessant (fragt sich der zahlende Abonoment).

  • Nicole Zehnder sagt:

    Die Gymischülerzahlen steigen ständig an, insbesondere auch auf dem Land, deshalb hat es dort immer mehr Gymnasien. Diese Entwicklung begann lange vor der PFZ. Der Artikel dreht sich um ein nicht existierendes Problem und ist reine Ideologie. („Ausgrenzung“ ist ein politischer Kampfbegriff.) Tatsache ist, dass heute viele Lehrstellen, auch sehr anspruchsvolle, nicht besetzt werden können. Was auch – aber nicht nur – damit zusammenhängt, dass die guten Schüler ans Gymi gehen.

    • Renato Grano sagt:

      @ Nicole Zehnder. Leider sind es mittlerweile nicht mehr die Schüler- sondern nur noch die Schülerinnenzahlen am Gymnasium, welche steigen und ausserdem scheint bei einer Maturitätsquote von rund 20% eine Sättigung erreicht. (http://goo.gl/ts1YzL)
      Ansonsten bin ich mit ihrem Kommentar durchaus einverstanden.

      • Marianne Wissarjonova sagt:

        …. ein weiterer Ideologe, der meint Funktion sei das gleiche wie Geschlecht. Da sind ein paar Leute im sexistischen Mittelalter gefangen.

  • Hans Knecht sagt:

    „… gesellschaftliche Hierarchien sind zu bekämpfen.“ Zynischer Weise haben diejenigen, welche dies sagen in der Regel die Kanti besucht und ein besseres Einkommen als die bildungsmässig tieferen Hierarchien.

    Schade, dass der Autor nicht darauf eingegangen ist, dass in der Schweiz nur rund 20% die Kanti besuchen wo es hingegen im grossen Kanton über 40% sind. Die Folge im Rahmen der Personenfreizügigkeit und Akademisierung der Gesellschaft ist nun dass in meinem Beruf fast alle Führungskräfte Deutsche sind und auch an den Unis die Professoren. Die Einheimischen bleiben mehr und mehr auf der Strecke, bzw. die werden immer weniger abgeholt, gefördert und entwickelt. Ich habe sehr meines Bedenken, dass dies auf die Dauer gut kommt (siehe einwanderungsbedingte Kosovo-Konflikt).

    • Marianne Wissarjonova sagt:

      @Hans Knecht
      So viele Chefs braucht es in der Schweiz gar nicht. Wenn Sie von einer Maturitätsquote von 20% ausgehen und dann darüber klagen, dass diese 20% der Schüler nicht genügen, um genügend Chefs hervorzubringen, dann liegt der Engpass an einem anderen Ort:

      Viel zu viele gehen in den Gymer, weil sie nichts besseres zu tun haben. Dann gehen sie an die Uni, weil sie halt eine Matura haben und in dem Alter von 20 Jahren sich selber zu schade, noch einen Beruf zu lernen. Dann wählen sie ein Studium, wo sie sich nicht besonders anstrengen müssen, das aber auch keine besonderen, irgendwie gefragten Kenntnisse vermittelt. Sie werden Germanisten, Psychologen, Soziologen, Historiker oder aktuell besonders beliebt, Medienwissenschaftler.

      • Hannah sagt:

        Was ist daran so schlimm, wenn man es schafft, durchs Leben zu kommen, ohne „richtig“ zu arbeiten? Finde ich persönlich viel sympathischer.

  • Peter sagt:

    Meinem Verständnis nach heisst es, Kinder am Gymnasium sind nicht glücklicher, als Kinder mit Berufslehre, nichts anderes. Es ist toll, für jeden Jugendlichen der sich entschliesst und fähig ist, ins Gymnasium zu gehen. Das Vergleichen und Werten zwischen Berufslehre und Gymnasium finde ich ein Übel.

  • Sepp Manser sagt:

    Ich gebe Herrn Pfister in einem Punkt recht: die im angelsächsischen Raum schon lange zu beobachtende zunehmende Apartheid der Gesellschaft in „Studierte“ und den Rest, die „bildungsfernen Deppen“, schreitet munter voran, da hilft kein Schönreden! Egal welchen Mist man „studiert“ hat, Hauptsache studiert, dann hat man wenigstens eine „Chance“ auf einen halbwegs normalen „Job“ (für den früher eine Anlehre genügt hätte…). Aber wer nicht „studiert“ hat, ist wirklich arm dran und kann zusehen, wo er bleibt. Alle plappern sie vom Wert der Lehre, die Wirtschaft, die „Bildungspolitiker“ etc. und doch tun sie alles, um sie zum Verschwinden zu bringen.

    • Reto Stadelman sagt:

      Man tut nicht alles, um die Lehre zum verschwinden zu bringen, man tut nur alles, um ihr den „richtigen Wert“ zuzuweisen. Und der ist „selbstverständlich“ auf einem Niveau knapp über dem Existenzminimum…
      Nur muss das dem sturen trotzigen Schweizer noch beigebracht werden. Langsam langsam sinken die Löhne auf das gewünschte Niveau… Und das ist tiefer als das heutige Lohnniveau.
      Dem entsprechend geht es hier tatsächlich um einen Klassenkampf…

  • Basile Cardinaux sagt:

    Die Aussage „Kinder am Gymnasium sind nicht glücklicher“ zielt wohl kaum auf den Umkehrschluss („Kinder in der Berufslehre sind glücklicher“) ab, sondern auf eine neutrale Wertung („Kinder am Gymnasium und in der Berufslehre sind gleich glücklich“). Was daran schlimm sein soll (von „richtig“ oder „falsch“ kann in diesem Kontext nicht gesprochen werden), erschliesst sich mir nicht, lieber Andreas. Es sei denn, Du findest, Kinder am Gymnasium seien tatsächlich glücklicher als jene in der Berufslehre, weshalb wir – wie in den meisten anderen europäischen Ländern – möglichst viele Kinder ans Gymnasium schicken sollten. Dann schreibe das doch aber lieber direkt so hin. Herzliche Grüsse, Basile.

  • Peter Lustig sagt:

    Geschätzter Herr Pfister. Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie Teil des Problems sind und nicht der Lösung desselben? Warum bittesehr müssen die Gymnasien dem Mittelschul- und Berufsbildungsamt angegliedert sein, die restlichen Schulen jedoch dem Volksschulamt? Dabei decken doch die Gymnasien einen Teil der obligatorischen Schulzeit ab. Wie ist dieses unsägliche Monster der Aufnahmeprüfungen zu rechtfertigen, die die Ungleichheit eher zementiert, als dass sie ein brauchbares Instrument der Selektion darstellt? Wieso schaffen es die Gymnasien bis heute nicht – als Krone der intellektuellen Schöpfung – die extreme Sprachlastigkeit zu beheben? Dann aber mit der grossen Kelle alternative Bildungwege wie Ausbildung, Berufsmatur, Fachhochschule schlecht reden. Sorry, das ist armselig

  • Richard Schweizer sagt:

    Satt über die Köpfe der Kinder hinweg gescheite Diskussionen zu führen, sollten wir lernen, vermehrt auf sie zu hören und ihren Gedanken Raum zu geben. Wenn Kinder die Chance bekommen herauszufinden, was sie WIRKLICH interessiert und ihnen auch noch zugestanden wird, dass sie sich diesem Interesse widmen dürfen, haben alle gewonnen. Gymi oder Sek mit Stifti spielen dann keine Rolle mehr – intrinsische Motivation ist die kräftigste Triebfeder. Also wird verfolgt, was dem Ziel dient. Das Schönste an der Sache: der Schreiner kann in unserem durchlässigen Bildungssystem ein Designstudium einschlagen, wenn er WIRKLICH will. Es gibt viele Wege nach Rom. Wichtig ist, man weiss, wo Rom liegt.

  • Swissgirl sagt:

    Das grösste Problem ist doch, dass heute in den Augen der Mehrheit nur noch jemand zählt, der studiert hat. Jeder 0815-Job wird verakademisiert, nur damit irgendwer in irgendeiner Behörde, die höheren Anforderungen in teurere Ausbildungen ummünzen kann. Früher (vor ca. 20 Jahren) konnte eine ausgebildete Krankenschwester eine Spritze setzen, heute muss dafür noch eine Hochschulausbildung oben drauf gepackt werden. Deshalb fühlt sich doch heute jeder ohne Uni-Abschluss als minderwertig. Zudem wird in den Stellenausschreibungen immer auch ein Uni-Abschluss erwünscht, weil im angelsächsischen Raum nichts ohne einen solchen Abschluss geht. Zum Vergleich: 9 Jahre Schule & Lehre in der Schweiz > High School & College Abschluss in USA/GB! Wurde mir von Amis und Briten bestätigt!

  • Denise M. sagt:

    Der Blog hinterfragt subtil, was offensichtlich politisch akzeptiert ist: Das Gymi als Prestigeweg, wohin die Kinder „gepusht“ werden, mit viel Nachhilfe usw. Weshalb müssen diejenigen, die ans Gymi gehen oder gegangen sind, sich immer wieder rechtfertigen? Ein Handwerker, eine Buchprüferin, eine Krankenpflegefachfrau müssen sich doch auch nicht rechtfertigen, weshalb sie diesen Weg gegangen sind? In der Schweiz funktioniert das duale Bildungswesen gut. Es ist nicht einzusehen, weshalb immer wieder aufs Gymi mit dem Finger gezeigt wird: Seht die da, die wussten nicht wohin, die sind nur dort wegen ihrer Eltern, die Nachhilfe bezahlen können. Damit werden alle ausgegrenzt, die dort sind, weil sie dorthin wollten, z.B. aus Interesse an ganz vielen Dingen, aus Offenheit, aus Neugier usw.

  • Realxena sagt:

    Nur so eine Frage? Wenn alle ans Gymnasium gehen und anschliessend studieren, wer macht den noch die Jobs von Maler, Elektriker, Verkäufer etc.?
    Wenn ein Kind den Leistungsanspruch eines Gymnasiums bringen kann, ohne dass es seine ganze Kindheit, Jugend und Freizeit fürs püffeln opfern muss, dann soll es ans Gymnasium gehen. Wenn es aber schlicht und ergreifend überfordert ist und nur noch lernt und lernt, würde ich persönlich eine Lehre vorziehen.

  • Christoph Gut sagt:

    Andreas Pfister trifft den Wunden Punkt der Schweizer Volksseele: Die akademisch gebildete Elite (vor allem SVP) redet dem Schweizer Fussvolk ein, die Berufslehre sei ein äquivalenter Bildungsweg zur gymnasialen Reife. Selber akademisch gebildet, diskreditiert sie den akademischen Werdegang. Das beste Beispiel für die Beherrschung des Schweizer Fussvolks durch die politische Elite ist das Zürcher Sechseläuten. An diesem denkwürdigen Anlass lässt die politisch bürgerliche Elite das Fussvolk aufmarschieren, damit es dem Umzug ihrer Hüte zuschauen kann. Dazu lässt man in der Stadt Zürcher und Agglomeration sogar für einen ganzen Tag die Schule ausfallen. Das nennt man „Zwei Fliegen auf einen Streich“: Weniger Bildung für das Fussvolk bei gleichzeitiger Klarstellung der Hierarchien.

  • Fritz Fischlin sagt:

    Man kann sich auch selber ausgrenzen. Das Gymnasium garantiert weder ein glückliches Leben und auch keinen ökonomischen Wohlstand. Dass dies gerade ein Gymilehrer nicht verstanden hat, ist sehr ernüchternd.

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