Warum die Syngenta-Fusion der Umwelt schadet

Patente auf Pflanzen sind ein einträgliches Geschäft: Forschungslabor von Syngenta in Stein AG. Foto: Gaetan Bally (Keystone)
Die China National Chemical Corporation (Chemchina) will den Schweizer Agrarkonzern Syngenta kaufen. Das Problem an solchen Fusionen ist, dass eine Industrie an Marktmacht gewinnt, die ihr Geschäft mit unserer Nahrung und unseren natürlichen Lebensgrundlagen betreibt. Bereits gehören den zehn grössten Agrarkonzernen rund 75 Prozent des weltweiten kommerziellen Saatgutes. Jede siebte Tomate, die wir essen, könnte bald vom chinesischen Staatskonzern stammen. Chemchina kauft sich mit Syngenta den grössten Pestizid- und drittgrössten Saatguthersteller der Welt.
Noch vor 30 Jahren waren über 7000 Saatgutunternehmen und öffentlich-rechtliche Züchtungsprogramme dazu da, den Bauern zu erstklassigem standortgerechtem Saatgut zu verhelfen. Heute bietet Syngenta genmanipuliertes Saatgut mit eingebauten Pestiziden an. Diese Hybriden können die Bauern nicht für die nächste Aussaat verwenden, denn Gentech-Saatgut ist patentgeschützt.
Was die Multis für ihre Gendatenbanken zusammenkaufen, wird der Allgemeinheit entzogen. Das Europäische Patentamt hat bereits 2400 Patente auf Pflanzen erteilt. 120 Patente allein betreffen konventionell gezüchtete Gemüse wie den Broccoli mit einer erhöhten Konzentration krebsvorbeugender Inhaltsstoffe oder Pflanzen, die von wilden Sorten abstammen und somit gar nicht er- sondern gefunden wurden! Rund 1000 weitere Anträge wurden bereits eingereicht. Das Patentrecht wird missbraucht, um die Grundlagen unserer Ernährung zu kontrollieren.
Das Resultat nach 30 Jahren «grüner Revolution» durch industrielle Produktion in Monokulturen und mit Gentechpflanzen ist schlicht verheerend. Über 800 Millionen Menschen sind unterernährt, während auf der Nordhalbkugel 1,5 Milliarden übergewichtig sind und mit Problemen wie Diabetes kämpfen. Die Agro- und Lebensmittelindustrie investierte in Futterpflanzen wie Mais, Soja und Raps, um unseren übertriebenen Fleisch- und Eiweisshunger zu befriedigen – mit fatalen Folgen für das Klima und die Umwelt.
In China bestäuben mittlerweile Menschen Obstbäume von Hand – ein Ergebnis des weltweiten Bienensterbens, unter anderem verursacht durch Pestizide wie Neonicotinoide oder Paraquat.
Stehen wir also macht- und tatenlos vor solchen gigantischen Fusionen im Agrochemiebereich, obwohl wir wissen, dass sie unser tägliches Essen in Zukunft bedrohen? Nein, der Ruf nach einer nachhaltigen Landwirtschaft, die regional und umweltschonend produziert und fair mit Mensch und Tieren umgeht, wird täglich stärker. Die Biofläche ist mit Ausnahme Südamerikas auf allen Kontinenten gewachsen. Der Markt für Bioprodukte beträgt über 60 Milliarden Euro und wächst zweistellig. 43,7 Millionen Hektar Landwirtschaftsfläche wurden Ende 2014 biologisch bewirtschaftet.
Der Weltagrarbericht von UNO und Weltbank hat 2008 den Paradigmenwechsel zu einer multifunktional-nachhaltigen Landwirtschaft mit dem Motto lanciert: Weiter wie bisher ist keine Option. Das Fazit ist so eindeutig, dass Syngenta, Monsanto und BASF die Zusammenarbeit mit den über 400 Experten aus der ganzen Welt aufkündigten. 60 Länder haben den Bericht unterschrieben, auch die Schweiz. Der Hunger in der Welt lässt sich nicht länger durch die (chemische) Steigerung der Produktivität bekämpfen. Die Landwirtschaft muss vom Problem zur Lösung werden und sich konsequent auf Agrarökologie ausrichten.
Inzwischen haben auch UNO-Gremien wie das Umweltprogramm der Vereinten Nationen und die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung die Forderungen des Weltagrarberichts aufgenommen. Ziel muss der Erhalt und die Erneuerung der natürlichen Ressourcen und der Artenvielfalt sein. Nur so lässt sich fruchtbarer Boden erhalten. Agrarökologie investiert in Wissen, Ausbildung und nachhaltige Technologie, in regionale Wertschöpfungsketten und in Ernährungssouveränität.
Ernährungssouveränität steht für das Recht aller Völker, Regionen und Länder, ihre Landwirtschafts- und Ernährungspolitik selbst zu bestimmen und gerechte Verhältnisse durch fairen Handel zu schaffen, ohne anderen Regionen zu schaden. Sie ist das Gegenteil einer scheinbaren Ernährungssicherheit, die durch Pestizide und Patente erkauft wird. Eine Megafusion zwischen Chemchina und Syngenta fordert uns alle heraus, denn weiter wie bisher ist keine Option.
15 Kommentare zu «Warum die Syngenta-Fusion der Umwelt schadet»
Ich sehe kaum eine Verschlimmerung der Situation durch die Fusion. Man könnte fast herauslesen, dass Syngenta eine „bessere“ Firma sei als Monsanto oder Chemchina. Was nicht erwähnt wird, weil kaum dokumentiert und darüber diskutiert wird, ist die Anzahl an Krebserkrankungen, die diese Firmen zu verantworten haben. Da gibt es bestimmt Millionen betroffene. Wir nehmen so viele Pestizide zu uns durch angeblich gesundes Gemüse. Bei vielen Fisch-Produkten werden Pestizide sogar explizit zugegeben, obwohl sie nachweislich krebserregend sind. Pflanzenschutzmittel, die seit Jahrzehnten im Einsatz sind, werden plötzlich als krebserregend eingestuft etc. etc. Wir sind leider nichts mehr als Versuchskaninchen und Cash-Cow für die Chemie-Multis.
Unterstützte Graf und Marolf. Weiter wie bisher ist keine Option!
Es ist im Interesse grosser Agrokonzerne wie die Erwähnten, dass vor allem unterentwickelte Regionen Ernährungssouveränität erreiche. Das nämlich erhöht das wesentlich das Marktpotential in diesen Regionen. Damit geht im Übrigen auch Agrarwissen einher. Auch das ist im Interesse der Agrikonzerne, wo weltweit die führenden Agrarwissenschaftler arbeiten.
Zwar hat Frau Graf recht, dass Bioprodukte für die priveligierte, reiche und romantisch verklärte Bevölkerung wachsen. Allerdings auf tiefem Niveau und natürlich auf Kosten der Effizienz und damit der Armen. Die grüne Revolution ist unbestritten verantwortlich grosse Hungersnöte ausgerottet zu haben und stellt mehr als 95% der weltweit hergestelltem Nahrungsmittel zur Verfügung.
Was Frau Graf zur Grünen Revolution schreibt, drängt dann doch auf eine Richtigstellung. Wenn sie schreibt, dass heute 800 Mio Menschen Hungern, dann muss sie ergänzen „noch“. Obwohl sich die Weltbevölkerung stark vermehrt hat, ist die Zahl Hungerleidender stark gesunken. Zähneknirschend wird man das wohl der industrialiserten Landwirtschaft zugute halten müssen. Diejenigen, die heute noch hungern müssen, tun dies, weil sie arm sind, nicht, weil es ungenügende Mengen Lebensmittel gibt. Keine Landwirtschaftspolitik der Welt wird den Widerspruch auflösen, dass wir so reich sind, um ca. 30 -50% der Nahrung wegwerfen zu können, während andere darben.
Dies ist Korrekt. Anzufügen ist, dass in Indien ein Drittel der Ernte weggeworfen werden muss weil die Infrastruktur ungenügend ist. In weiten Teilen Afrikas sieht es noch schlimmer aus. Mit relativ simplen Einrichtungen wie Silos und Kühlhäuser könnte man die Ernährung von Millionen von Menschen verbessern.
Die Bienen wurde in China unter Mao fast ausgerottet. Seit dem müssen die Blüten manuell bestäubt werden. Westliche Konzerne gab es damals noch nicht in China.
Die meisten Toten im China des 20ten Jahrhundert haben nicht Krieg und Bürgerkrieg gefordert sondern die verfehlte Politik des grossen Sprungs nach vorn.
Eigentlich hatte China ein sehr grosses Wissen und das Land wurde Jahrtausende intensiv genutzt ohne dass der Boden unfruchtbar wurde.
Sehr geehrte Frau Graf
Angesichts Ihres politischen Engagements wäre es hilfreich, wenn Sie sich bezüglich Gentechnologie und Saatgutzüchtung im Allgemeinen besser informieren würden. Zum Beispiel wird kein Saatgut mit eingebauten Pestiziden, sondern Saatgut mit Pestizidresistenzen, verkauft. Dies ermöglicht eine effiziente und kostengünstige Unkrautvernichtung, ohne der Nutzpflanze selber zu schaden.
Die Entdeckung von Hybridsaatgut vor gut 90 Jahren ermöglichte eine Ertragssteigerung bei Mais von eineinhalb auf heute über sieben Tonnen Körner pro Hektare. Wer den Erfolg der grünen Revolution abstreitet sollte also versuchen, die heutige Weltbevölkerung mit Saatgut von anno 1950 zu ernähren. Ich schätze, damit wäre bestenfalls das Problem der Übergewichtigen gelöst.
Also das Maissaatgut mit dem BT-Gen kann man etwas salopp formuliert schon als Saagtut mit eingebautem Pestizid bezeichnen. Dies nebst dem Round-up Ready Saatgut, das Sie meinen. Es gibt eben beides.
Ueber die Vor- und Nachteile von Gentech kann man sich streiten. Was ich aber bedenklich finde, ist dass eine Firma ein ganzes Lebewesen patentieren kann, bei dem sie nur ein winziges Detail verändert hat. Das ist etwa so, wie wenn jemand am Matterhorn einen Felsbrocken verschiebt und nun sagt: es ist meins, niemand darf da mehr rauf!
Wenn man Gentech schon erlaubt, dann müsste das Produkt der Allgemeinheit frei zugänglich bleiben. So wie z.B. bei Golden Rice.
Ich verstehe, dass es dann die Privatfirmen nicht mehr interessieren würde. Aber heute wird ein unfaires Monopol darauf errichtet
Sehr geehrter Herr Alder
Es gibt durchaus Saatgut für Pflanzen, die selbst Pestizide produzieren (zum Beispiel Bt-Mais und Soja). Und der allergrösste Teil der weltweit angebauten gentechnisch angebauten Pflanzen wird als Tierfutter in den reichen Norden exportiert. Die Armen des Südens profitieren also kaum davon.
Der Weltagrarbericht hält den Einsatz ökologischer Landwirtschaft für einen zentralen Hebel, um die Produktivität zu verbessern. Für Millionen Bäuerinnen und Bauern, vor allem in Afrika, Asien und Lateinamerika, bringt der Umstieg auf nachhaltige Methoden und die Steigerung der Artenvielfalt Ertragssteigerungen bis zu 150%. AM besten eignen sich dazu lokal angepasste Sorten.
Eine Machtkonzentration bei den Agrarkonzernen hingegen geht einher mit einer Konzentration auf immer weniger Nutzpflanzen wie Mais, Weizen, Reis und Soja: Die zehn am meisten angebauten Nutzpflanzenarten ergeben heute fast 90% der statistisch erfassten Weltproduktion. Die starke Abhängigkeit von einzelnen Arten macht Gesellschaften anfälliger für Dürren, Plagen und somit für Hungersnöte.
sehr gut und absolut korrekte Feststellung. Konzentration ist in diesem Ausmass immer schädlich und ist zu 100% gegen das Leben bzw. die Evolution. In der Natur, der Entwicklung des Lebens über Jahrmillionen, war das Prinzip Verteilung, Ausgleich einer der Hauptfaktoren. Siehe Regenkreislauf bzw. Wasserkreislauf. Nur so kann Leben gedeihen. Konzentration wie heute ist lebensfeindlich, ausser für einige hundert kranke Nasen aus den Multinationalen Firmen + die paar gekauften Politiker. Natürlich noch die Banker + sonstige Hintermänner.
Danke für den Bericht. Kein anderes Thema ist dringender, ist akuter. Das zeigt auch der Anstig der Krankenkassen dieses Jahr um z.T. räuberische 20%. Ein weitreichendes Debakel!
Die Politik, insgeheim das BA für Gesundheit & Landwirtschaft sind v.a. grossindustriefreundlich, nicht aber treu & dienstbereit zum CH-Volk. Die Menthalität hat sich in den letzten 20 Jahren rasant ausgebreitet. Subtile Ignoranz, Maulheldentum, seichte Souveränität, Coolness, Egoismus+Co haben gegenüber Gemeinschaftssinn, Verantwortung, Anstand, Weitsichtigkeit, Vertrauen+ Co die überhand gewonnen. Wegen wirtschaftlicher Religiösität, wegen globalem Konkurrenzwahn, der alles ausser Profit für anonyme Investoren totalitär vernachlässigt. Neuer subtiler, akademischer, elitärer Faschismus
Im Weltagrarbericht haben 400 Experten dafür votiert, dass Innovationen und modernste Technologien im Sinne eines nachhaltigen Nutzens an die bestehenden Ressourcen anschliessen, das schliesst die Kleinbäuerinnen und -bauern ein. Die Konsolidierung im Agrochemiemarkt findet statt, weil der Markt nicht mehr wächst und stattdessen unter Druck kommt:
http://www.umweltinstitut.org/themen/landwirtschaft/pestizide/glyphosat/videos-zum-thema.html?tx_html5videoplayer_pivideop
Plan B der Agromultis: Patente auf Züchtungen, Samen und Sorten strategisch zusammenkaufen, um Anbau, Vermehrung und Ernte zu kontrollieren. Das Ergebnis ist patentierter Einheitsbrei und die Abhängigkeit von einer Wirtschaft, die uns dienen sollte, nicht umgekehrt. Liberal ist das nicht!
Die Übernahme von Syngenta durch Chemchina bedeutet nichts mehr und nichts weniger, dass mehrheitlich ausländische Aktionäre das Kapital des Unternehmens an einen Staatsfonds abtreten. Die schweizerische Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion spielte in der Syngenta-Strategie vorher schon keine Rolle mehr. An die Zukunft der biologischen Landwirtschaft glauben die Lenker in der Teppichetage nicht. Bestenfalls ihre Frau Gemahlinnen und die Nachkommen zuhause im Gemüsegarten. Die Abkehr von hochintensiver Agrarproduktion muss von Bäuerinnen und Bauern im Verbund mit den Konsumenten herbeigeführt werden. Diese Entwicklung ist in Gang, Schritt für Schritt. Dass die Verfasser des Weltagrarberichtes trotz der Pressionen aus den Konzernen am Aufruf zur Bio-Wende festhalten, ist bemerkenswert.
Da haben Sie völlig Recht Herr Karch !