Die riskante Taktik der Ehe-Liberalisierer

Vincent Autin, left, puts the ring on the finger at Bruno Boileau, during their civil wedding at Montpelier City Hall, Wednesday May 29, 2013. Bruno Boileau, 30, from Paris and Vincent Autin, 40, are the first same-sex couple to marry in France, since French government voted a new law legalizing same-sex marriage.(AP Photo/Claude Paris)

Eine Eheschliessung zwischen zwei Männern im Mai 2013, Paris. Foto: Claude Paris (Keystone)

Die Ehe ist eine Lebensgemeinschaft von Mann und Frau. Das ist schon heute so, doch die Urheber der Initiative gegen die Heiratsstrafe wollen es ausdrücklich in die Verfassung schreiben. Verhindert dies die Öffnung der Ehe für Homosexuelle? Die Initianten hüten sich derzeit davor, dies auch nur anzudeuten. Zwischen den beiden Themen bestehe kein Zusammenhang, sagt CVP-Nationalrätin Ida Glanzmann, und der designierte CVP-Präsident Gerhard Pfister bemerkt, die Initiative schliesse eine spätere Abstimmung über die Öffnung der Ehe nicht aus.

Die Zurückhaltung der Initianten ist verständlich. Die Ehedefinition hat in progressiven Kreisen breiten Widerstand gegen die Initiative ausgelöst. Zudem ist es verpönt, zwei verschiedene politische Fragen in einer einzelnen politischen Vorlage zu verknüpfen. Die Ehedefinition als Absage an die «Ehe für alle» zu bezeichnen, wäre da ein sicherer Weg zu einer Niederlage an der Urne. Die Initiative wurde zudem in erster Linie im Hinblick auf die letzten Wahlen entworfen und in zweiter Linie, um die Individualbesteuerung von Ehepaaren zu verhindern. Die Ehedefinition ist da nur Beigemüse.

Gewagt ist hingegen die Position der Initiativgegner. So wirbt die SP mit dem Argument gegen die Initiative, diese verbaue durch die Ehedefinition künftige gesellschaftspolitische Öffnungsschritte. Auch SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt, der sich deutlich gegen die Initiative ausspricht, sagt, der Begriff der Ehe wäre im Fall einer Annahme dann wohl Mann und Frau vorbehalten.

Möglich, dass die Gegner mit diesem Argument den Abstimmungskampf für sich entscheiden. Möglich aber auch, dass sie ihn dennoch verlieren. Dann wird sich die Frage stellen, wie die Aufnahme der Ehedefinition in die Verfassung zu deuten ist. Die Verfechter eines traditionellen Ehebegriffs werden unweigerlich erklären, einer Öffnung der Ehe sei damit eine Absage erteilt worden. Was aber wollen die Befürworter der «Ehe für alle» dem entgegnen, wo sie doch dieses Argument selber eingebracht haben? Man habe es sich nun anders überlegt?

Dass die Ehedefinition eine Öffnung der Ehe verhindern soll, leuchtet übrigens nicht ein. Es zeichnet sich sowieso ab, dass der Weg zur Öffnung der Ehe in der Schweiz über eine Verfassungsänderung führt. Ob dabei eine erst kürzlich eingefügte Ehedefinition gestrichen werden muss oder nicht, ändert am Vorgehen nichts. Was bleibt, ist einzig das Argument, über die Ehedefinition sei gerade eben entschieden worden und eine erneute Abstimmung deshalb nicht legitim. Dem wäre aber zu entgegnen, dass sich die Stimmberechtigten gar keine Meinung über die Ehedefinition hätten bilden können, wenn diese erstens in einer Vorlage über die Besteuerung von Ehepaaren versteckt sei – und zweitens von den Initianten zum Nichtthema der Abstimmung erklärt worden sei.

Selbstverständlich tun die Befürworter der «Ehe für alle» trotzdem gut daran, die CVP-Initiative abzulehnen. Ein deutliches Ja könnten viele Politiker als Zeichen werten, dass eine Unterstützung der Öffnung der Ehe nicht opportun wäre, und deshalb nicht für die parlamentarische Initiative zur Öffnung der Ehe stimmen. Somit bliebe nur der umständlichere Weg über eine Volksinitiative. Dies liesse sich den Stimmberechtigten aber auch erklären, ohne eine Zementierung des bisherigen Ehebegriffes heraufzubeschwören. Und die Gegner der «Ehe für alle» werden im Fall eines Ja zur CVP-Initiative sowieso daran zu erinnern sein, dass zwischen den beiden Themen «kein Zusammenhang besteht».

24 Kommentare zu «Die riskante Taktik der Ehe-Liberalisierer»

  • Roland K. Moser sagt:

    Ich verstehe nicht, wieso Homosexuelle heiraten können müssen.

    • Yvonne Brütsch sagt:

      Weil wir die gleichen Rechte, wie die Heterosexuellen haben wollen.
      Ich verstehe hingegen nicht, wieso Heterosexuelle etwas dagegegen haben können, ihnen entstehen keine Nachteil daraus.

      • Fred Mazinaux sagt:

        Yvonne,
        “Weil wir die gleichen Rechte, wie die Heterosexuellen haben wollen.“
        Es gibt nur eine “Gesetzlichkeit“: “Die Naturgesetzlichkeit“.Die Naturgesetzlichkeit zwingt uns früher als später, Menschen Gesetze – individuell & Gemeinschaft – die Naturgesetzlichkeit zu erfüllen. Sonst oh Weh!. Unsere “.Willensfreiheit“ ist nur Wahlfreiheit wie wir diese Gesetzlichkeit erfüllen wollen. Leider, ist die Naturgesetzlichkeit der Naturevolution für uns Menschen nur heuristisch erkennbar, d.h. “Lernen durch Tun“(volkstümlich durch “Trial and Error“). Ihre Forderung erhebt die Fragen: 1. Was ‘sagt‘ da die Naturgesetzlichkeit dazu? 2.Kennen wir diese Gesetzlichkeit? 3. Wenn nicht, welches ist der voraussichtlich gutartigste Weg um zu erfahren?

    • ferdinand sagt:

      Ich verstehe nicht, dass sie immer noch so denken können.

    • Jan Holler sagt:

      Müssen? Sie müssen das genauso wenig, wie Heterosexuelle das müssen.
      Ist es Ihr Nichtverstehen oder ist es Ihre antiquierte Haltung, die Sie hier mitteilen wollen?

    • Roland K. Moser sagt:

      Ich bin halt gegen die Homo-Ehe und gegen die Heterophobie der Homosexuellen und finde das progressiv.
      Aus schamanischer Sicht ist Homosexualität eine Fremdbesetzung. Darüber darf man auch mal nachdenken.

    • Stadelman Reto sagt:

      Ich verstehe nicht, warum sie Roland K. Moser nicht verstehen. Ich stelle mir nämlich die selbe Frage wie er.
      Die Ehe wegen einer Minderheit anzupassen ist fragwürdig. Für etwas gibt es die eingetragene Partnerschaft. Diese ist nicht perfekt, kann aber angepasst werden.
      @Brütsch
      Durch die Liberalisierung der Ehe wird diese Schritt für Schritt abgeschaft. Der nächste grosse Angriff wird der auf den Begriff „Wirtschaftsgemeinschaft“ sein. Heterosexuellen entstehen also durchaus Nachteile, auch wenn das noch nicht alle einsehen wollen. Ansonsten kann ich Ihnen versichern, dass mich Ihre Sexualität kalt lässt. Zudem geht sie mich nichts an. Zumindest solange sie diese privat ausleben. Aber das wiederum hat nichts mit Homosexualität zu tun sondern ist ein anderes Thema.

      • Christoph Bögli sagt:

        Die Argumentation ist widersprüchlich: Gerade wenn man das Konzept der „Ehe“ erhalten will, sollte man diese unbedingt für zusätzliche Menschen öffnen um diese damit zu stärken. Die Ehe verliert an Rückhalt nicht wegen der Homo-Ehe, sondern gerade weil diese veraltet und sinnlos daher kommt. Eine Öffnung würde entsprechend für etwas frischen Wind sorgen – und mehr Menschen, die sich als Direktbetroffene dafür einsetzen würden.
        Unsinnig ist auch, so zu tun, als würde eine Homo-Ehe irgendetwas „anpassen“, also für alle anderen verändern. Das Absurde an den Gegnern ist ja, dass diese permanent so tun, als würde eine Öffnung der Ehe für sie etwas ändern oder ihnen gar etwas wegnehmen. Das ist aber keineswegs der Fall.

        • Christoph Bögli sagt:

          Persönlich wäre ich übrigens, wie viele die ich kenne, durchaus für eine Aufweichung bis Abschaffung der zivilrechtlichen Ehe zu haben, z.B. hin zur Individualbesteuerung etc. Und dass diese Homosexuellen vorenthalten wird ist dabei durchaus ein Grund für diese Haltung. Für mich gibt es da ein klares entweder-oder: Eine Ehe, die niedrigschwellig für alle zugänglich ist, oder gar keine. Jene Kreise, die die exklusive Hetero-Ehe für unantastbar erklären, schaufeln sich insofern ihre eigene Grube..

    • Srdjan; sagt:

      Es geht um das grundsätzliche Prinzip:
      Sind alle Menschen, unabhängig vom Geschlecht, Rasse, Religion, sexueller Ausrichtung, Herkunft, Musikgeschmack und Körpergrösse, gleich vor dem Gesetz?

      Wer da plötzlich Ausnahmen gelten lassen möchte, weil es gerade noch so die Mehrheitsmeinung ist, der stellt automatisch das ganze Rechtsgleichheitsprinzip in Frage.

      • Roland K. Moser sagt:

        Dann fangen wir mal bei der fehlenden Militäpflicht für Frauen und dem höheren Rentenalter für Männer an.

  • Thomas Guldener sagt:

    Es gibt immer noch ein Unterschied ob Gesetz oder Verfassung. Das Gesetz kann, sofern kein Referendum ergriffen wird, ohne zusätzliche Volksabstimmung geändert werden. Die Verfassung braucht zwingend eine Volksbefragung. Die CVP hat recht, man kann das vielleicht irgendwann in ferner Zukunft wieder Anpassen. Fakt ist, die CVP will durch die Hintertür die Bestrebungen des Bundes die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen und gegebenenfalls auch die eingetragene Partnerschaft Heterosexuellen zugänglich zu machen verhindern, und dies auf Jahre hinaus. Es gibt im westlichen Raum kein Land mehr, welches die Ehe als „Bund zwischen Mann und Frau“ in der Verfassung verankert hat. Wir wollen doch in der Schweiz nicht mit Russland gleichziehen. Das Mittelalter haben wir doch hinter uns?

    • Nicolas Richard sagt:

      Was Sie hier als „Fakt“ verkaufen wollen, ist bloss eine subjektive Vermutung bzw. objektiv gesehen eine Unterstellung. Genauso wie Sie davon ausgehen, dass die Homo-Ehe von Volk und Ständen angenommen würde.

  • Anh Toàn sagt:

    Selbstverständlich wäre mit der Annahme der Initiative der Ehe für alle eine Absage erteilt. Was nicht heisst, dass darüber erneut wieder abgestimmt werden kann, dem Frauenstimmrecht wurde auch mehrmals vom (Männer-)Volk eine Absage erteilt.

    „Sie bildet in steuerlicher Hinsicht eine Wirtschaftsgemeinschaft“ (was sozialversicherungsrechtlich gilt, bleibt unklar) schreibt eine Besteuerung als Familie vor, verbietet damit Individualbesteuerung und verlangt logischerweise eine Ungleichbehandlung des Konkubinats. Auch da zeigt sich, wie reaktionär die Initiative ist: Im modernen Staat ist die kleinste Einheit das Individuum, im Mittelalter wurde die Familie als Einheit verstanden, die Individuen waren nur relevant als Teil einer Familie.

    • Anh Toàn sagt:

      Diese Verfassungsbestimmung würde, etwas salopp und damit umso verständlicher sagen:

      Die Ehe (als Gemeinschaft von Mann und Frau, wobei nicht definiert ist, was das überhaupt ist, es gibt ja noch Transgender) ist als Wirtschaftsgemeinschaft zu behandeln: Führt dies zu einem Nachteil, ist es verboten, nicht aber, wenn daraus Vorteile entstehen. Es ist also Verfassungskonform, sowohl die registrierte Partnerschaft, wie auch Konkubinat und Alleinerziehende zu benachteiligen.

  • Eva Steiger sagt:

    Mir ist es offen gesagt ziemlich egal, was da mit der Ehedefinition passiert. Mir geht es pirmär darum, dass ich, nur weil ich verheiratet bin, so viel mehr Steuern abliefern soll, als wenn ich nicht verheiratet wäre. Kommt dazu, dass man als voll berufstätiges Ehepaar auch niemals profitiert von Familienwohnungen, vergünstigten Krippenbeiträgen, Krankenkassenverbilligung etc. Im Gegenteil: Wir sind es, die dieses ganze Sponsoring auch noch berappen müssen.

    • B. Suter sagt:

      Genau 100% einverstanden. Bei dieser Abstimmung geht es einzig und alleine um die Verminderung der Ehestrafe – und um es gleich vorwegzunehmen: Alle, die schon heute keine Bundessteuer bezahlen müssen, unterliegen naturgemäss keiner Ehestrafe – also bitte nicht wieder mit der billigen Stimmungsmache kommen, es würden viel zuwenige benachteiligt, um etwas zu ändern.

      • Hans Hasler sagt:

        Wie kann man nur solche Behauptungen aufstellen. Nein, bei der Initative geht es nicht nur darum die Ehestrafe abzuschaffen. Es geht darum, die Individualbesteuerung zu verbieten.

  • B. Suter sagt:

    Das mit dem Ehebegriff ist leicht skuril. Was mir dort einzig klar ist, ist dass Mann+Mann sowie Frau+Frau halt auf biegen und brechen nicht das gleiche ist wie Frau+Mann. Umgekehrt aber genau das gleiche für Frau+Mann – die sind halt auch nicht die anderen beiden Kategorien und M+M ist definitiv auch nicht F+F. Mann oder Frau entscheidet sich irgendwann für eine persönlich stimmige Form und soll dann nicht immer den anderen Formen nachtrauern. Wichtig ist, dass die Formen frei gewählt und im Alltag ohne Diskriminierung gelebt werden kann. Die ganze Diskussion geht aktuell aber in die Richtung: Ich bin Single und will als Familie anerkannt werden, weil dies ein Menschenrecht ist.

  • Gustav Lienhart sagt:

    A propos Naturgesetzlichkeiten: Es gibt nachweislich rund 1500 Tierarten, bei denen Homosexulatät vorkommt, bei rund 500 von ihnen sind diese Beziehungen ausführlich dokumentiert. Ein Teil dieser Beziehungen halten ein ganzes Leben. Die Untersuchung dieser Beziehungen war in der Biologie lange ein Tabuthema – die Homo-Ehe im Tierreich passte halt nicht ins Bild der Wissenschaftler. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, verbog man lieber die Realität bis zur Lächerlichkeit. Auch das ist ausreichend dokumentiert – und bei manchen Zeitgenossen auch heute bestens zu beobachten. Die Behauptung, die Ehe sei die einzige naturgegebene – und damit zu privilegierende – Beziehungsform ist schlicht und einfach falsch und das Männlein-Weiblein-Ding hat in einer modernen Verfassung nix zu suchen.

  • C Moser sagt:

    Liebe Freunde,

    Am 28. Februar stimmen wir über zwei wichtige Vorlagen ab:

    Die Durchsetzungsinitiative, eine der gefährlichsten Initiativen seit Jahrzehnten, gefährdet langjährige Schweizer Errungenschaften und setzt unser Zusammenleben aufs Spiel.

    Die CVP-Ehe-Initiative beinhaltet ein unnötiges, rückwärtsgewandtes und diskriminierendes familienpolitisches Anliegen. Sie will die Ehe für Alle verbieten, reisst ein Loch von bis zu 4 Milliarden in die Staatskasse und torpediert die Individualbesteuerung.

    Deshalb stimme ich zu beiden Initiativen NEIN.

  • Ulrike Grad sagt:

    Diese Initiative ist ganz klar gegen die Menschenrechte!!!

    Der menschenrechtsfeindliche und rassistische Kurs den die Schweiz einschlägt, ist extrem bedenklich.
    Es wird zum Beispiel kein heterosexuelles Pärchen etwas „weggenommen“, wenn auch homosexuelle Pärchen heiraten dürfen. Das ist wie wenn man sagt, dass der „traditionellen Ehe“ was „weggenommen“ wird, wenn auch „schwarze Menschen“ heiraten dürfen. Ok die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung denkt das vielleicht auch so. Aber hier sollte man in Therapie, bevor man andere diskriminiert!

    Eine Demokratie wo eine Mehrheit gegen eine Minderheit oder Menschenrechte abstimmt, kann nur als gescheitert erklärt werden! Eigentlich ist es die Aufgabe eines Staates Minderheiten zu schützen und nicht zu diskriminieren!!!

  • Ulrike Grad sagt:

    DIESE VORLAGE IST GEGEN DIE MENSCHENRECHTE!!!

    Die Verknüpfung von einer Steuervorlage mit einer Ehedefinition ist unsäglich. Zudem verlangt das Inititativrecht, dass Anliegen nicht vermischt werden. In dieser Vorlage ist das aber eindeutig der Fall.
    Die Frage der Ehedefinition wiegt aber viel schwerwiegender als die des Steuerrechts, daher ist die Vorlage eindeutig abzulehnen.

    Eine Demokratie wo eine Mehrheit gegen eine Minderheit oder Menschenrechte abstimmt, kann man nur als gescheitert betrachten!

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