In den Stuben von Markwalder, Vischer und Co.

Politiker reden gerne und lange. Fährt jedoch das Wahlmobil vor, müssen sie sich kurz fassen. Maximal 60 Sekunden Redezeit erhalten sie. Für das Wahlmobil besuche ich mit der Videokamera seit zwei Wochen Nationalratskandidaten zu Hause: Politneulinge, Parlamentsveteranen, Aussenseiter, Junge, Alte, Frauen, Männer. Sie erhalten eine Carte Blanche, um sich und ihre Politik anzupreisen. 

Es ist ein Gütezeichen unserer Demokratie, dass die Politiker zugänglich sind. 

Wahlmobil

Auf Hausbesuch bei Schweizer Politikern: Das Wahlmobil von «Tages-Anzeiger», «Der Bund», «Basler Zeitung» und «Berner Zeitung».

Erstaunlich viele Politiker sind bereit, mich zu empfangen. Dies spricht für unser Milizsystem. Sie sind in erster Linie Bürgerinnen und Bürger und in zweiter Linie Politiker. Sie schweben nicht irgendwo über dem Normalbürger. Natürlich ist Wahlkampf und die Türen öffnen sich daher den Medien bereitwilliger. Dennoch ist es ein Gütezeichen unserer Demokratie, dass die Politiker zugänglich sind. Während viele höhere Beamte und Wirtschaftsführer sich nur von ihrem Sprecher begleitet den Medien stellen, traten bis jetzt alle Politiker ohne «Wachhund» vor die Kamera. 

Die Hausbesuche zeigen, dass die Politiker nicht anders leben und wohnen als der Durchschnittsschweizer. Und: Von der Parteizugehörigkeit kann nicht automatisch auf die Wohnsituation geschlossen werden. So wohnt die Zürcher Jungsozialistin Linda Bär zwar erwartungsgemäss in einer WG. Das aber in Hottingen, einem der besten Wohnquartiere der Stadt. Die Berner FDP-Nationalrätin Christa Markwalder bewohnt in Burgdorf das bescheidene Einfamilienhaus ihrer Grosseltern. Der Zürcher Grünen-Nationalrat Daniel Vischer ist Mieter einer Altbauwohnung, die im gutbürgerlichen Kreis 6 liegt. Die Neubauwohnung der SVP-Hardlinerin Nadja Pieren ist modern und lichtdurchflutet. Auffallend: Die meisten Politiker-Wohnzimmer sind nett, aber unpersönlich eingerichtet. 

Was aber sagen uns die Kandidaten in ihren 60 Sekunden? Zum Teil über die Parteigrenzen hinweg dasselbe: Die Grüne Mirjam Ballmer wie auch die Freisinnige Claudine Esseiva fordern mehr Frauen in der Politik. Und wie Ballmer will auch der parteilose Thomas Minder den Atomausstieg. Markwalder spricht vorsichtiger von «nachhaltiger Energiepolitik». SVP-Vertreter fordern erwartungsgemäss eine unabhängige Schweiz, die Liberalen eine offene Schweiz, die Linken und Grünen eine gerechte Verteilung des Reichtums. Interessantes Detail: Das drängende Problem der Frankenstärke haben bis jetzt nur Christa Markwalder und Barbara Schmid-Federer angesprochen. 

Überraschendes bot bis jetzt keiner der besuchten Kandidaten. Sogar die jüngste Wahlkämpferin fügt sich nahtlos ins Gesamtbild ein. Mentari Baumann ist eben erst 18-jährig geworden und lebt noch bei den Eltern. Die Berner Jungfreisinnige fordert, dass die Finanzierung der AHV auch in Zukunft sichergestellt wird. Diese Stossrichtung zeigt, dass jung nicht gleich wild ist. 

Irritiert es, dass unsere Politiker so leben und wohnen wie wir? Dass sie allesamt nett, voraussagbar und zum Teil ein wenig farblos sind? Nein. Denn genau das Durchschnittliche ist die Stärke der Schweiz und der Schweizer Politik. Das Land funktioniert, der Wohlstand ist vorhanden. Der Reichtum ist zwar nicht gerecht verteilt, aber die meisten haben genug um gut zu leben. Gesundheits- und Sozialwesen haben Probleme, aber sie sind erkannt. So lange das Parlament weiterhin den Durchschnitt der Bevölkerung repräsentiert, wird es Lösungen finden. 

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15 Kommentare zu «In den Stuben von Markwalder, Vischer und Co.»

  • „Genau das Durchschnittliche ist die Stärke der Schweiz“ Das ist für mich eine erstaunliche Feststellung! Wird man doch als Forenschreiber sofort eingeteilt als ob es verboten wäre eine möglichst breit angelegte Meinung zu haben. Das gleiche wird dann aber auch auf die Politiker/innen angewendet welche es wagen auch mal ein Argument der Gegenpartei als richtig zu würdigen! Diese einseitige Erwartenshaltung aller Parteien ist zum Teil auch der Grund für die unsäglichen Streitereien und sturen Haltungen von ganz links bis ganz rechts. Das kostet uns viel Geld und behindert das Vorwärtskommen !

    • tobe or not tobe sagt:

      Stimm ich ihnen zu.. Die Fronten haben sich seit Jahren verhärtet. Doch Demokratie, ist nicht Diktatur einer Partei. Der Konsenz zwischen links und rechts, denke ich, ist das Herz der Demokratie. Alle die nur ihre Ideologie schätzen, haben sich versperrt gegen das Weiterkommen. Die alten Politsysteme haben nicht nur gutes hervorgebracht, deshalb ist es nicht verwunderlich das neue Parteien am Horizont auf ihren Auftritt warten… Der Ton sollte sich mässsige, der Respekt wieder vorhandnehmen. Doch wenn die Wirtschaft dies unterwandert, ist der Bürger an 2. Stelle!!

      • Dr Ruedi vo Stette sagt:

        @tobe ! Genau das was sie sagen: „der Ton sollte sich mässigen, der Respekt wieder vorhandnehmen… (komisches Deutsch!) sollten sie sich selber hinter die Ohren schreiben. Wenn man ihre Beiträge verfolgt stellt man nämlich fest, dass dieselben sehr oft mit beleidigenden Phrasen geschwängert sind ! >Also machen sie einen ersten und ernsten Schritt…

  • gabriela merlini sagt:

    Ja, alles bestens in der schönen Schweiz, immer dasselbe, wir können gelassen sein, uns zurück lehnen. Wir hatten es schon immer schön. Ja, wir nehmen an der Mitte Mass, bauen Institutionen aus dieser Mitte, und gehen davon aus, dass alle im Netzwerk der Mitte selbstverständlich sind, oder Zugang hätten. Der Rest ist selbst Schuld, denn die leiden auf sooo hohem Niveau. Ich bin kein gläubiger Mensch, eher zweifle ich, dass es überhaupt so etwa wie das Göttliche gibt, aber manchmal wünschte ich mir, es gäbe dieses gutgelegene Land, das immersüsse, mag diese Kälte und Härte nicht mehr sehen.

  • Flöru sagt:

    Wie belanglos..
    Und ein weiterer Beleg für die fortschreitende Personalisierung der Politik. Als Wähler interessieren mich die politischen Standpunkte der Kandidaten, ob sie in Einfamilienhäuschen oder im Bonzenquartier wohnen ist irrelevant. Ein politischer Diskurs lebt von Argumenten, nicht Dünkeltum.

  • Vreni Müller sagt:

    Markwalder und Vischer – genau die Zwei? Sie würden lieber Heute als Morgen den Franken und das ganze Land in der EU aufteilen. Nur damit sie mehr Spesen und Sitzungsgelder in Brüssel erhalten. Die Schweiz ist diesen Menschen sch…. egal!

  • Verunsichert sagt:

    Das ist ein Gütezeichen unserer Demokratie. Aha, das ist es also, ein Gütezeichen? Nicht eher das profitieren einer Gratisplattform für die partei und vor allem für den perslnlichen Vorteil?

  • Natürlich spulen sie eingeübte Sätze ab. Woher sollen sie denn wissen, welche Themen den Interviewer interessieren? Man muss halt fragen. Ich habe auf meine ganz konkreten Fragen interessante Antworten erhalten. (Ein Klick auf meinen Namen genügt, wenn ich hier auf meine kleine Umfrage unter verschiedenen Kandidaten aufmerksam machen darf)

  • Roland Kunz sagt:

    „Erstaunlich viele Politiker sind bereit, mich zu empfangen“ – Kein Wunder, ist doch jede(r) Kandidat/in froh, um eine kurze Präsenz in den Medien ohne teure Inserate zu bezahlen. Sie haben gerade „Maximal 60 Sekunden Redezeit“ – schade, mich hätte manchmal noch mehr interessiert, vertiefte Analysen, kritisches Nachfragen. Stattdessen neugieriges „Herumgaffen“ in der privaten Wohnung. Keine gute Idee, dieses Wahlmobil, da höchstens dem heutigen Trend entspricht: Oberflächliche suchen und „schnell irgendwas sagen“ statt Nachdenken und Lösungen erarbeiten.

    • Richi sagt:

      Sie sagen es – bei Wahlen wird von den Kanidaten jede geboten Bühne dankbar angenommen, auch wenn Sie eher nichtssagend und tumb ist, wie etwa das Wahlmobil!

    • Ralf Schrader sagt:

      Hätte man bei Willy Brandt oder Winston Churchill in den Intimbereich geschaut, wären leere Flaschen und frustrierte Familienangehörige ins Auge gesprungen.
      Man sollte sich darauf einigen, dass Politiker öffentliche Personen sind, die nicht mehr über sich, nur noch über ihr Wirken definiert sind. Ein guter Politiker muss kein guter Mensch sein. Aufgeräumte Wohnungen zeugen eher von Kleingeist oder von einer guten Haushaltshilfe. Politiker, die einen Nerv für Privates haben, sind keine Politiker.

  • Hat überhaupt nichts mit Demokratie am Hut sondern mit reiner Selbstdarstellung und Mangel an Anerkennung.
    ewz

  • Leider gibt es jedoch auch Bürger, die unsere demokratischen Bürgerrechte nicht zu schätzen wissen. Auf meinem Blog habe ich über einen Bürger berichtet, der sein Wahlkuvert auf Ebay verkaufen will. Eine Straftat, die aber offensichtlich trotz Meldung an die Bundeskanzlei nicht geahndet wird. Leider ignorieren die Medien diesen Vorfall ebenfalls. Jedenfalls wird im Einheitsbrei der Massenmedien nicht darüber berichtet.

  • hans nötig sagt:

    Ich begreife den Sinn dieses Blogs nicht wirklich. Was will uns der gute Mann damit sagen? Solange wir uns den Problemen und Defiziten nicht stellen, kommen diese auch nicht zur Schau?

  • Georg Stamm sagt:

    In den 60 Sek. von Chr. Markwalder, FdP und Präsidentin des Euroturboklubs NEBS, sagt sie wohlweislich kein Wort zum von ihr angestrebten schnellstmöglichen EU- und Euro-Beitritt der Schweiz. Die 60 Sekunden von Frau Markwalder sind eine Mogelpackung.

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