Ein Hoch auf die Helden des Alltags

Der Jahreskalender weist viele Tage auf, die an ein Ereignis oder an eine bestimmte Bevölkerungsgruppe erinnern. Der 30. Oktober wurde nun zum Tag der betreuenden Angehörigen ausgerufen. Aus diesem Anlass wurde eine gross angelegte Plakatkampagne lanciert, um die wichtige Rolle herauszustreichen, die diese Personen im Leben ihrer behinderten, kranken, betagten oder in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeschränkten Angehörigen einnehmen.

Im Gefolge der Waadtländer Initiative von 2012 haben die Westschweizer Kantone daran erinnert, wie wichtig diese oft anonym erbrachte Leistung – die Unterstützung eines Angehörigen in Not – für einen nicht zu unterschätzenden Teil der Bevölkerung ist.

Dieses Engagement macht unsere Gesellschaft erst richtig lebenswert.

Der Mutter beim Einkaufen helfen: Ausschnitt aus einem Plakat zur Kampagne.

Der Mutter beim Einkaufen helfen: Ausschnitt aus einem Plakat zur Kampagne.

Wer sind diese Personen, die auf den im öffentlichen Raum aufgehängten Plakaten zu sehen sind und ihr Engagement mit Sätzen wie «Jeden Tag die Betreuung für meinen Sohn organisieren» beschreiben? Ein betreuender Angehöriger ist eine Person, die sich einem Familienangehörigen zur Verfügung stellt und Zeit aufwendet, um diesen bei seinen täglichen Aktivitäten zu unterstützen. Es gibt Angehörige, die in ihrer Gesundheit oder Mobilität eingeschränkt sind und deshalb unsere Unterstützung benötigen, um für die Bewältigung ihres Alltags unabdingbare Grundhandlungen vornehmen und damit einen Teil ihrer Unabhängigkeit behalten oder wiedererlangen zu können.

Diese Form von Solidarität war früher selbstverständlich. Heutzutage ist sie für einen Teil der werktätigen Bevölkerung, die zahlreiche soziale und berufliche Verpflichtungen wahrnehmen muss, nur noch schwer zu erbringen. Wer eine Person aus seinem Umfeld regelmässig unterstützen will, muss mit den selbst auferlegten und den von aussen auferlegten Pflichten jonglieren können. Keine einfache Aufgabe!

Es mag seltsam anmuten, dass man die Fotos von diesen Personen, welche soziale Beziehungen aufrechterhalten, einfach auf Plakaten zeigt, anstatt sie in den höchsten Tönen zu loben. Es ist aber sehr wichtig, dass diese – in der Regel anonymen – Akteurinnen und Akteure ein Gesicht erhalten und dass man sie sieht, um den Wert ihrer Arbeit zu unterstreichen, aber auch, um ihnen die kollektive Anerkennung zukommen zu lassen, die ihnen für dieses unverzichtbare Engagement zusteht.

In der Schweiz werden jeden Tag Hunderttausende von betreuenden Angehörigen aktiv, um jenen, die sich in einer schwierigen Lage befinden, die für ihr Leben oder Überleben nötige Menschlichkeit gewähren zu können. Dieses Engagement ist alles andere als nur eine Pflicht, vielmehr macht es unsere Gesellschaft erst richtig lebenswert. Es macht wenig Sinn, die Anzahl dieser Personen oder der unzähligen Stunden, die sie aufwenden, aufrechnen zu wollen. Wir möchten an dieser Stelle einfach auf die kollektive Stärke hinweisen, die aus der Vervielfältigung und Wiederholung all dieser einzelnen Handlungen hervorgeht und ein positives Licht auf die Zukunft unserer Gesellschaft wirft.

Ein Tag der betreuenden Angehörigen, der nicht nur in der Westschweiz, sondern gesamtschweizerisch stattfindet, könnte der nächste Schritt auf dem Weg zu einer Politik sein, die materielle Abgeltung in Fällen vorsieht, wo es angezeigt ist, Einkommensausfälle zu kompensieren. Dem betreuenden Angehörigen eine angemessene Kompensation zuzugestehen, heisst, den Wert seines Engagements anzuerkennen.

3 Kommentare zu «Ein Hoch auf die Helden des Alltags»

  • Schmidig sagt:

    Dieses Thema wird aktueller denn je, allein schon aufgrund der Alterspyramide.
    In jungen Jahren half ich meiner behinderten Schwester, danach etliche Kinderbetreuungen, die Hilfe und Unterstüutzung unseres erkrankten Muettis in Ihrem Haushalt bis inklusive Pflege, als es ihr wirklich schlecht ging. Und nun seit vier Jahren unseren Vater bei mir, welcher wirklich nicht mehr zu sich selber schauen kann. Obwohl mein Chef dies mittels Entgegenkommen Arbeitsbeginn/-ende ermöglicht, herrscht im weiteren Arbeitsumfeld gänzlich Unverständnis dafür, leider. (…die kann kommen und gehen, wann sie will…?!?)

    Schade, dass unsere (Arbeits)Gesellschaft nicht mit dem sozialen Umfeld mithalten kann (will??); erst haben Furmen begriffen, dass es Kindertagesstätten braucht, will man Mütter und Väter als Arbeitnehmende beschäftigen, sollten sie bereits auch daran denken, mit flexiblen Arbeitszeiten den Angestellten zu ermöglichen, für ihre pflege- und/oder unterstützungsbedürftigen Väter/Mütter/… da zu sein.
    Langfristig wohl der einzige Weg, wenn wir nicht weiter die Kostenspirale im Gesundheitswesen noch weiter antreiben wollen. Man kann nur hoffen – Frau auch…

  • Sportpapi sagt:

    Wir wir betreuuende Angehörige entschädigen, wird aus Freiwilligenarbeit (oder in anderen Zusammenhängen Ehrenamt) ein Job. Für den es eine Qualifikation und angemessenen Lohn braucht. Ich denke nicht, dass dies ein sinnvoller Weg ist.

  • Ben sagt:

    …die leisten das doch nicht für die Gesellschaft sondern für die nächste neoliberal indoktrinierte Steuersenkung von der die Reichsten was haben. Dazu noch die vielen Pflegeheime und Seniorenresidenzen die sich profitabel privatiserten den sonst würde ja kein Kapitalist dort sein Kapital einbringen. Besonders rentabel sind zudem psychische Krankheiten, heute u.a. Burnout und genau solche Bereiche werden ausgelagert, privatisiert und wenn die KK Versicherungen das nicht übernehmen bleibt nur noch zu Hause…

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