Was ist Bildungsferne?

Bildungsferne ist ein verräterischer Begriff, erfunden von jenen, die sich selbst als bildungsnah bezeichnen. Verräterisch deshalb, weil er genau das durchsickern lässt, was man in Abrede stellt: Dass es ein Zentrum gibt, dass dieses Zentrum die schulische Bildung ist und dass es eine klare Hierarchie der Bildungswege gibt. Zum Begriff der Bildungsferne gehört jener der Chance. Die Chancengerechtigkeit soll dafür sorgen, dass auch die sozio-ökonomisch Unterprivilegierten (um das Begriffs-Geschwurbel fortzusetzen) aus der bildungsfernen Hölle, in der sie schmoren, erlöst werden und ihren sozialen Aufstieg (aha!) antreten können.

Die Bildungsfernen sehen die Ferne allenfalls bei den Studierten.

Die Bildungsnahen haben oft keine Vorstellung davon: Zubereitung einer Zuger Kirschtorte. Foto: Gaëtan Bally (Keystone)

Bildungsnahe haben keine Vorstellung davon: Zubereitung einer Zuger Kirschtorte. Foto: Gaëtan Bally (Keystone)

Nun sind die Bildungsreformer nicht die Ersten, die mit missionarischem Eifer ausziehen und dann feststellen müssen, dass die Heiden da draussen pfeifen auf ihr Evangelium. Die Bildungsfernen sind höchstens beleidigt, dass man sie so nennt. Ihnen fehlt nichts.

Und sie drehen den Spiess um: Ein Professor ist ein Brotfresser, haha, und die Sesselfurzer haben halt zwei linke Hände. Sonst müssten sie nicht den ganzen Tag im Büro hocken. Die Bildungsfernen, die sich selbst nie so bezeichnen würden, sehen die Ferne allenfalls bei den Studierten. Die haben sich entfernt von der Natur, vom Echten, überhaupt dem Leben. Natürlich wollen sie ihre Kinder nicht an diesen Elfenbeinturm verlieren.

Auf dem Papier ist alles paletti: Wer die Voraussetzungen mitbringt, kann studieren. In der Praxis sieht das anders aus: Als Kind wird man in ein Milieu geboren. Über die Nähe oder Ferne zum Hämmern, Forschen, Pflegen, Metzgen, Handeln oder Schreiben entscheidet man nicht selbst. Aus einem Milieu auszubrechen ist nicht so einfach für einen Teenager. Natürlich wissen auch bildungsferne Jugendliche, dass man studieren kann. Man kann auch zum Mond fliegen, das ist etwa dasselbe. Die Bildungsnahen, die aus Akademikerfamilien stammen, haben oft keine Vorstellung davon, wie fern, wie abstrakt, wie unwirklich ihre Welt für die Bildungsfernen tatsächlich ist. Und wie weit der Weg von der Bildungsverachtung zum Lernwillen – der Voraussetzung für Leistung.

«Die, wo nid welle, sölled Härdöpfel schelle.» Tatsächlich? Was ist zu halten von dem 15-jährigen Mädchen, das eine Lehre als Konditorin antreten will – bei schulischen Bestnoten? Das Gymnasium ist zu weit weg, sagt sie, und meint das geografisch. Seit Generationen sind ihre Vorfahren Bäcker und Konditorinnen, sie möchte auch eine werden. Ist also alles in Ordnung? Wäre für sie das Studium überhaupt eine Chance? Andererseits: Wie frei ist ihr Entscheid – in dem Alter?

Noch immer ist das Elternhaus bei der Berufs- und Studienwahl der entscheidende Faktor. Und noch immer schreiben wir uns Chancengleichheit auf die Fahnen. Wir leben mit diesem Widerspruch und empfinden ihn mal mehr, mal weniger. Was kann man tun? Soll man überhaupt etwas tun? Ich weiss nicht recht.

35 Kommentare zu «Was ist Bildungsferne?»

  • Rolf Hefti sagt:

    Da ich bildungsfern bin, kann ich das nur sagen. Man erzählt von Gleichheit, Brüderlichkeit usw. Finden kann man das aber leider nie. Als Idee ist es schon O.K. Wenn niemand daran glaubt, ist es aber ein totes Ross, welches niemand trägt. Vielleicht ist heute tatsächlich nur noch Geld wichtig. Für Gesellschaft ist es eine starke Säure, wenn nur noch studierte, genug zum bequem Leben, verdienen können. Schade ist, es braucht eigentlich jeden, kurz es ist eine Tragödie. Die von dem sterbenden Schwänen!

  • Blanche Wu sagt:

    Und ist denn ein Konditor bildungsfern? Warum wird hier dieser Schnitt gemacht. Wer an der Uni war ist gebildet und alle anderen nicht? Schon dieses Denken ist eigentlich total verachtend und zeigt die Wahrheit nicht auf. Ich kenne viele Menschen ohne akademischen Abschluss welche privat sehr gebildet sind, weil sie sich in ihrer Freizeit mit komplizierten Themen beschäftigen wie bsp. Geschichte, Philosophie, etc. und zwar nicht auf Anfänger Stufe, sondern sie wissen wovon sie sprechen und sind sehr belesen, etc.

    • Ralf Schrader sagt:

      Dem kann ich mich unbedingt anschliessen. Zum Thema, welches mich privat und beruflich am meisten interessiert, das Krankenversorgungssystem und Gesundheitspolitik, kann man sich mit vielen ’normalen‘ Menschen unterhalten. Nur nicht mit Ärzten, mit sich selbst Gesundheitspolitiker nennenden Gewählten und Journalisten.

      Von denen wird nicht einmal der Begriffsapparat beherrscht, z.B. indem ständig von Gesundheitskosten die Rede ist, wenn die der Krankenversorgung gemeint sind. Man kann sagen, dass die gesamte sog. CH Bildungselite bezüglich Gesundheitspolitik ausgeprägt bildungsfern ist.

    • Fred Niederer sagt:

      Auch als Konditor kann man die BMS machen und dann an einer FH zB Lebensmitteltechnologe bis zum Masterabschluss studieren. Sehr gesuchte Leute bei Nestle, Emmi, Migros, Staat, …..

  • Regula Sterchi sagt:

    Ich empfinde es als schwierig, wenn nicht gar falsch, Bildung mit Studium gleichzusetzen.

    Bildung kann sich jeder Mensch aneignen – Bücher, Filme, Zeitungen und das www machen das auch ohne Uni und Zugang dazu möglich.
    Wir müssen endlich von der Vorstellung weg kommen, dass Jeder, der nicht studiert hat, deshalb auch nicht hell genug leuchten kann um komplexe Sachverhalte und Zusammenhänge zu verstehen. Ein Mancher ohne offiziell bbeglaubigtes Studium versteht mehr von der Welt als viele – sorry – Fachidioten!

  • Heinz Müller sagt:

    Verstehe den Sinn dieses Artikels nicht so ganz.
    Bildung ist nicht gleich Studium. Ich bin so einer der aus Bildungsfernen Schichten in die Akademik gefunden hat.
    Meine Eltern waren Schreiner/Töpferin. Waren Sie deswegen ungebildet? Ganz im Gegenteil.

  • Olivier Flury sagt:

    Mir fällt immer wieder auf, wie oft bildungsnahe Mitbürger Bildung mit Intelligenz verwechseln, was wiederum interessante Rückschlüsse auf deren Intelligenz zulässt…

  • Ralf Schrader sagt:

    Bildungsferne manifestiert sich nicht im exklusiv Fehlen von Abschlusszeugnissen. Im Radio läuft gerade ein Interview mit einem EU- Spitzenpolitiker zum Thema der sog. ‚Flüchtlingskrise‘. Er ist nicht in der Lage, die Ursachen dieser klar zu benennen, beweist damit höchst mangelhaftes historisches Wissen und Denken.

    In meiner 60+ Biographie habe ich noch nie eine politische Krise (Zustand, in dem die Wahrscheinlichkeit eines Systemzusammenbruchs => 50% ist)) erlebt. Der Begriff selbst wird von, so muss ich das konstatieren, politbildungsfernen Politikern und Journalisten im Strahl benutzt.

  • Alain Surlemur sagt:

    Bildung ist nicht Selbstzweck! Bildung soll einem Menschen ermöglichen ein eigenverantwortliches und selbbestimmtes Leben zu führen.

    So gesehen sind viele der Besserwisser die sich über die fehlende Akademisierung der Leute beschweren selber bildungsfern. Wie viele dieser Elfenbeintürmlern würden ohne ihre staatl. subventionierten Pöstchen als Hilfsarbeiter enden?

    Ich Weiss nicht mehr in welchem Buch es war, aber die dort gemachte Unterteilung der Leute in „School Smart“ und „Street Smart“ dürfte für die Gesellschaft als Ganzes bedeutender sein als alle Diplome der Inteligenzia zusammen.

    • Ralf Schrader sagt:

      ‚Bildung soll einem Menschen ermöglichen ein eigenverantwortliches und selbbestimmtes Leben zu führen.‘

      Das ist grundsätzlich falsch. Lebensunterhalt ist lediglich ein Nebenziel von Bildung. Viele hochgebildete Menschen, die wir zeitlos schätzen, konnten ihre Bildung nicht in Lebensunterhalt umsetzen und sind früh und verarmt gestorben. Das Bildungsspektrum in einer Bevölkerung ist vielmehr die Voraussetzung für die kulturelle und damit nationale Identität dieser Bevölkerung und damit Grundlage der Politik. Wirtschaftliche Aspekte sind eher vernachlässigbar.

      • Alain Surlemur sagt:

        Hallo Herr Schrader.

        Höre ich da einen frustrierten Inhaber eines brotlosen akademischen Grades?

        Sie betrachten die wirtschaftlichen Aspekte als sekundär, ich betrachte sie als Hauptziel.

        Ich bin ein freiheitlicher Mensch und werde der letzte sein, der einem Interessierten verbietet tote Sprachen, alte Philosophen, Kunst oder änhliches zu studieren.

        Wenn Sie davon leben können sei es Ihnen gegönnt, aber bitte glauben Sie nicht dass Sie daraus ein Recht ableiten können sich für den Rest Ihres lebens von der arbeitenden “ bildungsfernen“ Gesellschaft durchfüttern zu lassen.

        • marie sagt:

          „…tote Sprachen, alte Philosophen, Kunst usw.“ wovon sie weitaus mehr profitieren, als dass sie denken, oder gar wahr haben wollen herr surlemur 😉 kultur braucht der mensch genauso wie die luft zum atmen. ohne wäre das leben arm.
          aber das ist wie bei nahrungsmitteln: der mensch muss essen, aber heute will er nahrungsmittel möglichst gratis beziehen. ihre aussage passt zum heutigen konsumverhalten und passt auch ganz gut zum thema bildungsfern.

          • Ralf Schrader sagt:

            @marie, es liegt im Wesen der Kultur, dass sie sich manchmal weit von der Wirklichkeit entfernt, weil die Wirklichkeit mit der Realität nicht Schritt hält. Derzeit haben wir so eine Situation. Kulturloses Verhalten zahlt sich kurzfristig aus, deswegen wird gerade in CH Bildung oberhalb der Grundrechenarten verachtet. Der Niedergang des einstigen intellektuellen Flaggschiffes des SRF, der Sternstunde Philosophie, zeigt das deutlich. Mozart wurde bis zum Ende des 1. Weltkrieges nicht gespielt, weil es sich zu leicht, nicht nach Arbeit anhört. Was Schweizer unter Arbeit verstehen, Schweiss, …

  • Anton Keller sagt:

    Bildungsferne ist einzig von den kulturell geprägten Vorstellungen der Eltern abhängig, was gar nichts mit Einkommenstärke der Eltern zu tun hat. Heute ist es für Sozialhilfeempfänger ohne weiteres möglich ihre Kinder an die Universität zu schicken. Dennoch nivelliert man wegen der Chancengleichheit die Bildung nach unten.

  • Kallmann Martin sagt:

    EIn Grund ist auch, wie schwer man an Stipendien kommt. Mein Neffe bekommt familienseitig fast kein Geld, weil die Mutter alleinerziehend und der Vater im Ausland. Er muss durch alle Instanzen bis er endlich Stipendien bekommt – nur weil er nach abgeschlossener Lehre und nachträglicher Matura noch ein Studium beginnen will. Das nenne ich Segragation.

  • Leutenegger sagt:

    Sind das Bildungsfernen Menschen, die ein KV-Abschluss machten, danach die Textilfachschule Wattwil absolvierten, und schlussendlich die erfolgreichsten Jahre dem Saurerkonzern (20’000 Mitarbeitern) als CEO bescherten? Ist das Bildungsfern?
    Ein stark prägender Teil eines Jugendlichen ist das Verhältnis (Chemie) mit Lehrkräften. Ein bekanntes Mädchen wurde vom Lehrer nicht akzeptiert, sie klagte nie. Die Noten waren entsprechend auch in Mathematik. Nach dem Lehrerwechsel schrieb sie noch eine Note 3,5 danach nur noch 6er.

  • Thomas Plüss sagt:

    Als Akademiker sage ich: dieser Artikel ist längst überfällig. Der Begriff bildungsfern ist höchst abwertend und entspringt elitärem Gedankengut. Traurigerweise wird er von Rechten und Linken gleichermassen gebraucht. Von ersteren im Zusammenhang mit Migranten und von letzteren, wenn sie wieder mal ihre Abscheu über die dummen SVP-Wähler kundtun müssen.

  • marie sagt:

    bildungsfern hat nichts mit diplomen oder höherer schulbildung/höhere ausbildung zu tun. und bildung als mittel zum zweck (für die wirtschaft) ist ohnehin nur „musealer bildungsmüll“. bildung hat weitaus mehr mit lebendigkeit zu tun und sich der möglichkeiten zu bedienen, dieses bedürfnis in einen dialog mit „zivilisation“ einzutreten. das kann man auch als konditor, sekretärin, putzfrau usw… dafür braucht man nicht zwingend einen gymi/eine uni. ich persönlich habe viele akademiker kennengelernt, die durchaus bildungsfern waren. einen austausch über eine welt, war nicht möglich. …traurig.

  • Marcel Zufferey sagt:

    Ich finde das Wort Bildungsverachtung interessant: Was genau soll es ausdrücken, was bezeichnen? Die wachsende Kluft zwischen tertiär ausgebildeten Menschen und dem Rest der Bevölkerung? Ist es ein Hinweis auf die wachsenden Klassengegensätze? Machen wir uns nichts vor: Wir leben wieder in einer Klassengesellschaft, und zwar sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Hinsicht. Die Segregation schreitet voran, die Schichten treiben auseinander und haben sich immer weniger zu sagen. Nur beinhaltet die wachsende Verachtung für das jeweilige Gegenüber einigen, sozialen Sprengstoff: Was tun?

    • Martin Frey sagt:

      Interessante Anmerkungen. Natürlich gab es nie eine klassenfreie Gesellschaft, auch im Kommunismus nicht. Wird es auch nie geben. Ob es eine zunehmende Segregation gibt? Ich weiss nicht. Wie bei der berühmt-berüchtigten Schere zwischen Arm und Reich, die aus politischem Opportunismus immer so gerne bemüht wird, ist wohl da auch vieles eine Frage der Perspektive.
      Wichtige Gegenmassnahmen wären eine Aufrechterhaltung des Milizsystems mit allgemeiner Dienstpflicht, idealerweise auch für Frauen. Eine erstklassige Volksschule. Sowie faire Chancen für alle für eine möglichst hohe soziale Mobilität.

      • Marcel Zufferey sagt:

        1) Ich denke nicht, dass die wachsende Segregation nur eine Frage der Perspektive oder des individuellen Empfindens alleine ist. Das Unbehagen ‚von Unten‘ hat durchaus gute Gründe: So verfügen z. B. 64,8% aller schweizer Parlamentarier mittlerweile über einen akademischen Bildungsgrad. Das ist insofern bemerkenswert, als dass nur gerade 25% aller Menschen über einen tertiären Bildungsabschluss verfügen. Es ist also davon auszugehen, dass die Alltagspolitik v. a. von einem akademischen Weltbild (und dem entsprechenden sozialen Milieu) geprägt wird. Das halte ich für problematisch (s. Teil 2).

      • Marcel Zufferey sagt:

        2) Bestünde unser Parlament v. a. aus Schreinern und Elektrikern, würde das die Alltagspolitik mindestens ebenso einseitig prägen! Zurück zum Klassenaspekt: Die beiden Soziologen Stéphane Beaud und Michel Pialoux sprechen mittlerweile von einem „(…) unverhohlenen Desinteresse der Intellektuellen an allem, was die Welt der Arbeiter betrifft.“ Die Akademisierung gesellschaftlicher Debatten stellt das eigentliche Problem dar: Die Situation einfacher Arbeiter- und Angestelltenhaushalte ist nahezu irrelevant geworden. Ich denke, hier liegt zumindest ein Teil der im Artikel angesprochenen Probleme

        • Martin Frey sagt:

          Pflichte Ihren Ueberlegungen absolut bei, Hr. Zufferey. Nur stellt sich für mich die Frage, inwiefern unser Parlament für die Frage nach der Segregation herangezogen werden darf. Denn natürlich ist es ein offenes Geheimnis dass die verschiedenen Berufsgruppen, und nicht nur die verschiedenen Bildungsschichten, in unseren Milizparlamenten völlig asymmetrisch vertreten sind. Ob dies aber reicht um ein Unbehagen auszulösen scheint mir gerade bei etwas bildungsferneren Schichten doch sehr fraglich. Das Desinteresse am Schicksal der verbliebenen „echten“ Arbeiter ist nochmals eine andere Geschichte

          • Martin Frey sagt:

            Die „Arbeiter“, was immer das auch sein mag, dienen heute Parteien und Organisationen verschiedener Couleur vorwiegend nur noch als propagandistisches Feigenblatt. Denn auch die, die vorgeben deren Interessen zu vertreten werden sich kaum ernsthafter mit deren Alltag, Nöten und Aengsten beschäftigen.
            Selber sehe ich weniger die Verakademisierung als die Verjuristisierung als Problem. Wenn man bedenkt, dass z B. innerhalb der obersten Führung des BAG keine einzige Person mit irgendwie geartetem medizinischen Background anzutreffen ist, dann ist das eine Segregation mit whs. grösserer Tragweite.

    • marie sagt:

      …es gibt systemtheoretiker, die zum schluss kommen, da möglichst nicht mitzumachen. wahrscheinlich ist es in der tat das einzige, was man machen kann.

      • Ralf Schrader sagt:

        Nicht nur Systemtheoretiker. Ich zitiere dann immer gern Stefan Stoppok aus dem Lied ‚Wetterprophet‘:

        Ich schwör Dir ich wär nicht der Einzige hier
        der bereit wär zu kämpfen, wenn er wüsste wofür.

        Z.Z. gibt es nichts, wofür man kämpfen kann, nur ganz vieles wogegen man kämpfen muss. Zuvorderst den Kapitalismus mit seinen hässlichen Kreaturen Markt und Geld und einem verfehlten Demokratieverständnis. Nur um dies zu erkennen, bedarf es einer mehr als üblichen Bildungsnähe, vor allem in Philosophie und Sozialkunde.

    • Fred Niederer sagt:

      Ich denke die sog. Bildungsverachtung ist eher die Antwort auf das verachtende Niederschauen einiger Gebildeten (nicht alle) auf Leute mit kleinem Schulrucksack. Wahre Intelligenz hat meist wenig mit Bildung zu tun, so habe ich in meinem Leben den schon einige „hochgebildete“ Dummköpfe getroffen, aber auch schon einige sehr sehr (lebens)weise Leute mit minimalem Schulrucksack.
      Schön zu wissen ist aber auch, dass es immer wieder hochgebildete Leute gibt, die jedermann mit Respekt und Achtung begegnen. Das hat aber dann wohl mehr mit ihrer Erziehung als mit Bildung zu tun.

      • Martin Frey sagt:

        Bildungsverachtung und damit verbundene Vorurteile gibt es auf allen Seiten, nach meiner Erfahrung bei Leuten mit eher schmalem Schulrucksack mindestens so häufig. Mag mich noch gut erinnern wie plötztlich viele meiner Kollegen damals jede meiner Aeusserungen mit Argusaugen verfolgten, kaum war ich ins Gymi übertreten und sie nicht. Irgendwann folgt dann früher oder später das Killerprädikat „meebesser“. Nach meiner Erfahrung haben Leute mit schmalem Schulrucksack mit einem „studierte“, der sich mit ihnen ohne Dünkel auf Augenhöhe bewegen will, oft mehr Mühe als umgekehrt.

  • Corina sagt:

    Was soll dieser Artikel? Eins vorweg: Bildung ist nicht gleich Intelligenz. Dass in der Schweiz die Bildungschancen durch ein Elternhaus vorgeprägt sind, ist totaler Schwachsinn. Dank unserem Schulsystem hat jedes Kind die Möglichkeit/genug Infos zu freier Berufs-/Studienwahl. Weshalb ist Konditorin schlecht? Hauptsache Freude am Beruf! Ich bin Tochter von Eltern, die keine bzw. vor 30 J. eine Lehre als Mech gemacht haben – keinerlei Weiterbildungen. Bin sehr einfach auf dem Land aufgewachsen. Trotzdem habe ich mit 21 den Bachelor gemacht & parallel 80% in der Finanzbranche in ZH gearbeitet.

  • Martin Cesna sagt:

    Könnte eine Missinterpretation des Begriffs „Bildungsferne“ vorliegen? Ich verstehe darunter die Gesellschaftsschicht, wo selbst Mutter oder Vater den Kindern nicht einmal in der Schule helfen können, weil ihnen wesentliche Schulbildung selber fehlt. Dort ist oft auch kein Geld vorhanden für eine höhere Schulausbildung, d.h. das Kind soll so schnell wie möglich verdienen. In der Sozialhilfe ist es immer noch so, dass von den Kindern primär erwartet wird, die Sozialhilfe-Abhängigkeit zu reduzieren, statt eine ordentliche Ausbildung oder gar ein Studium zu machen.
    Hier trifft es v.a. Ausländer.

  • Roman Günter sagt:

    Bildungsfern sind vermutlich in erster Linie Menschen, welche ihre unmittelbaren Lebensumstände nicht weiter hinterfragen und auch nicht versuchen, über den eigenen Horizont zu blicken. Damit kann man in unserer Gesellschaft immer noch gut leben. So gesehen, sind vermutlich überraschend viele Menschen bildungsfern. Problematisch wird es doch erst, wenn jemand kategorisch definieren will was Bildung ist und dabei diese Definition möglichst nahe bei sich ansiedelt, damit wird der Begriff erst politisch verwertbar und öffnet sich Missbrauch und Diskriminierung in vielen Schattierungen.

    • Ralf Schrader sagt:

      Bildungsferne ist immer auch ein relativer Begriff. Wie Sie richtig ausführen, kann es Menschen in allen Schichten betreffen, wenn die ihrer spezifischen Lebenssituation bildungsmässig nicht gewachsen sind. Mein Hausmeister, der mit geringem Schulabschluss nahezu alle Probleme beherrscht, welche meine Wohnung und das Haus in dem ich wohne betreffen, ist mit Sicherheit nicht bildungsfern. Wohl aber so mancher Politiker oder Journalist, der Probleme noch nicht einmal beschreiben, geschweige den lösen kann, bzw. Lösungsvorschläge formulieren kann.

  • Heinrich Nägeli sagt:

    Chancengleicheit ist nicht ein Ziel, sondern eine Vision. Diese gilt es anzustreben, aber erreichbar kann sie nicht sein.
    Bildungsferne ist ein Ausdruck, mit welchem nicht die Nicht-Akademiker gemeint sind, sondern doch eher Personen, welche nicht von einer ca. 9 jährigen Schulbildung profitieren konnten. Daher wird der Begriff am häufigsten im Zusammenhang mit Migranten verwendet.

    • Anh Toàn sagt:

      Für Kinder von Migranten ist Bildung ferner, als für Kinder, deren Eltern in der Schweiz geboren sind, also könnte man den Begriff im Zusammenhang mit Migranten verwenden. Bildungsfern lässt sich nur nicht abwertend verwenden, wenn damit die Bildungschancen und eben gerade nicht die tatsächlich genossene oder erlittene Bildung bezeichnet werden. Um Missverständnisse zu vermeiden, wird der Begriff vorzugsweise nicht benutzt.

  • Ivo Suter sagt:

    Bravo, guter Artikel!
    Ich könnte mir gut vorstellen, dass das intelligente Mädchen eine sehr erfolgreiche Konditorin wird und dereinst mehr verdient als ihre heutigen Klassenkamaraden, die in den Gymer geprügelt werden und später unter den
    zahllosen Akademikern Schwierigkeiten haben, eine Stelle zu finden.
    Angebot und Nachfrage gilt auch auf dem Stellenmark.

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