Warum Bildung unnütz sein muss
Wenn über die Matura-Quote diskutiert wird, geht es scheinbar um Sein oder Nicht-Sein. Die Zukunft, so die eine Seite, gehöre der Wissensgesellschaft. Wenn die Schweiz im Kampf um diese Zukunft die Nase vorn haben möchte, so müssen die Matura- und die Akademikerquoten dringendst angehoben werden. Die Berufslehre stamme aus der Vergangenheit der Handwerks- und Industriegesellschaften. Die andere Seite will in solchen Predigten Irrlehren erkennen, die uns arbeitslose Akademiker, unnötige Beamte und praxisferne Chefs bescheren. Auch in der Zukunft brauche es praxisnahe Berufsleute. Das duale Bildungssystem weise deshalb den Weg in eine goldene Zukunft.
Beide Positionen verpassen zielsicher eine grundlegende Dimension von Bildung, wie sie seit dem 19. Jahrhundert im bürgerlichen Denken geprägt worden ist. Bildung definierte sich darin gerade in Abgrenzung zur Nützlichkeit, zur Verwertung. Die allgemeine Schulpflicht realisierte gegen massiven Widerstand genau diesen Gedanken. Die Kinder sollten der Welt der Erwachsenen entrissen werden, um sich einer unnützen Sache zu widmen: Der Auseinandersetzung mit der Welt, der Natur und der Kultur.
Die Vielfalt der Bildungsangebote muss verteidigt und ausgebaut werden

Studenten in St. Gallen protestieren gegen die Erhöhung der Studiengebühren. Foto: Keystone
Wer über die Zukunft der Bildung nachdenkt, sollte das bürgerliche Erbe des 19. Jahrhunderts nicht leichtfertig ausschlagen. Selbstverständlich haben sich Inhalte und Methoden der Bildung verändert und müssen auch weiterhin angepasst werden. Ihr Wert ergibt sich allerdings weiterhin durch den Aufschub von Verwertungsstrategien. Bildung war und ist vorerst ein Ziel an sich, der Nutzen der Bildung liegt in der Bildung. Alle weitergehenden Ziele von Bildung – wirtschaftliche, staatsbürgerliche oder ethische – setzen diesen vorübergehenden Verzicht auf Nützlichkeit voraus. Genau das unterscheidet Bildung von Ausbildung.
Der Fokus auf Bildung als unnütze Sache ermöglicht einen anderen Blick auf die Schweizer Bildungslandschaft nach der obligatorischen Schulzeit: Die Berufsschulen bieten nicht nur eine Berufsausbildung, sondern auch Allgemeinbildung an, und mit der Berufsmatura wurde diese Ausrichtung für interessierte Jugendliche noch verstärkt; die Gymnasien führen nicht nur zur Hochschulreife, sondern lassen die Jugendlichen in die Welt des Wissens eintauchen; die nicht-gymnasialen Mittelschulen (u.a. Wirtschafts- bzw. Handelsmittelschulen und Fachmittelschulen) bereiten nicht nur auf Berufsfelder vor, sondern befriedigen und entfachen mit vielfältigen Inhalten die Neugier junger Menschen. Alle nachobligatorischen Schulen schaffen also auf unterschiedliche Weise jene Freiheit, für die im 19. Jahrhundert ein neuer Lebensabschnitt erfunden wurde: die Jugend.
Wenn wir es ernst mit der Freiheit nehmen, muss die Vielfalt der Bildungsangebote verteidigt und ausgebaut werden. Die Möglichkeit einer Vollzeit-Schule sollte deshalb nicht für die leistungsstärksten Schülerinnen und Schüler reserviert bleiben, sondern mit den nicht-gymnasialen Mittelschulen noch verstärkt anderen geeigneten Jugendlichen offen stehen. Umgekehrt sollte die Berufsmatura dank einem anspruchsvollen Bildungsangebot auch für die Leistungsstärksten attraktiv sein. Und schliesslich sollte der Anteil der Allgemeinbildung an den Berufsschulen ausgebaut werden. Bildung für alle, darum geht es!
Dreh- und Angelpunkt einer Bildungsoffensive muss also nicht zwangsläufig die Matura-Quote sein. Meines Erachtens sollte man eine moderate Erhöhung der Quote prüfen. Entscheidend ist aber vielmehr, dass die Schulen nicht von Interessen der direkten Verwertbarkeit vereinnahmt werden. Die Funktion des Gymnasiums darf nicht darin bestehen, ausschliesslich Kompetenzen für das Hochschulstudium oder gar einer bestimmten Studienrichtung aufzubauen, und der Ausbau der Allgemeinbildung in der Berufslehre darf nicht gestoppt werden.
Sie glauben, dass meine Position weltfremd ist? Unterschätzen Sie nicht die Strategien des Bürgertums im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Denker entdeckten damals die offene Zukunft: Die Entwicklung der Persönlichkeiten und der Märkte ist ungewiss, und deshalb muss jede Investition in die Zukunft auch ein wenig unnütz sein.
32 Kommentare zu «Warum Bildung unnütz sein muss»
Ja, wir schmücken uns gerne mit dem Begriff Bildung: „Ich studiere dies und das…“. Vergessen dabei jedoch, dass unsere sogenannte Bildung all zu oft aus sturem Auswendig-Lernen besteht und in schönen vorgegebenen (leichtverdaulichen) Häppchen serviert wird (selber erlebt an der Uni). Zudem wird heute diese sogenannte „Bildung“ nur Bildung genannt, wenn sie einer politischen korrekten Meinung entspricht, Denktabus überall. Schulen sind heute mehr Orte geworden, um alle auf Linie zu bringen, Freidenker werden heute nicht gerne gesehen. Man stutzt sie zurecht.
Richtig! Warum glauben Sie, wurde das Kindergartenobligatorium ausgedehnt? Weshalb gibt es keine freie Schulwahl?
Möglichst früh indoktrinierend Einfluss nehmen, die Eltern und deren Erziehungskompetenz Unterlaufen mit z.B. gutes Essen (Obst), schlechtes Essen (Schoggi), etc. etc. Schulleiter in Blockwartfunktionen zur Bespitzelung der Lehrkräfte betreffend deren Linientreue, diese sonst diffamieren als nicht Teamfähig, etc. so wie früher in der DRR
Herr Hintermeier ich denke es liegt an Ihrem Lernstil, dass Sie vor allem auswendig gelernt haben. Scheinbar hatten Sie kein grosses Interesse an Ihrem Studium, dass Sie dieses nur mit dem Auswendiglernen verknüpfen. Ich studiere ein MINT-Studienfach. Etwas Faszinierendes, was wahnsinnig viel Zeit, Disziplin und Wille braucht um zu bestehen. Ich habe auf keine Prüfung etwas „auswendig“ lernen müssen, sondern musste durch das Üben lernen zu verstehen, Muster erkennen, kreativ Probleme lösen etc… Ich bin sehr zufrieden mit der ETH und ich bin mir sicher die Uni ist nicht soooo anders.
@ Dirk Hofer: Ich stimme Ihnen zu: bilden kann man sich nur selber und nicht zwingend weil man eine Uni besucht. Es verfallen halt viele dieser Illusion, dass sie nun „gebildet“ seien, weil sie einen Hochschulabschluss besitzen (Hybris), selbständiges Denken haben sie trotzdem nicht gelernt, sondern nur effizientes Auswendig-Lernen! Meine „Bildung“ hat erst so richtig nach dem Studium begonnen, aus Freude am Wissen (Zusammenhänge erkennen und individuell vertiefen können, Mindblowing) und dauert ein Leben lang (zum grossen Teil sogar in anderen Disziplinen als meine Studienrichtung).
@ Dirk Hofer: und nein, es lag nicht an meinem Lernstil, habe in meinem Studium nicht nur auswendig gelernt, sondern konnte diese Herangehensweise im Ggt. bei vielen Kommiliton_innen beobachten, die auf diese Art gut durch die Prüfungen kamen (und sich heute keine unabhängige Meinung bilden können). Es bleibt aber zu sagen, dass seit Bologna das System nun klar das stupide Auswendiglernen fördert, also genau der Bildung entgegenwirkt, mehr als Auswendiglernen wird i.A. auch nicht verlang!
Vielen Dank, dass Sie das Thema aus dieser Warte aufgreifen. Die Forderung nach mehr Vollzeitschule nach der obligatorischen Schulzeit bedingt aber auch entsprechend motivierte Jugendliche, doch viele von ihnen wollen nach neun Jahren Schule endlich etwas „richtiges“ machen, während man sie für ihren Traumberuf zwingt, noch länger in die Schule zu gehen (z. B. Kindergärtner(innen)).
Dazu muss sich aber auch erst einmal die Gesellschaft ändern. Denn der Wunsch „endlich einmal etwas richtiges zu machen“ kommt ja selten aus den Jugendlichen selber. Sondern aus der CH-Gesellschaft, aus der andauernd das Geschrei kommt, Schule/Uni/Bildung sei ja nichts „richtiges“ Ich bin woanders aufgewachsen und da habe ich niemanden gekannt, der mit 15 oder 16 darauf brannte, die Schule für etwas „richtiges“ zu verlassen. Die wenigsten hätten gewusst, was sie sonst hätten machen sollen. Die, die keine Lust auf Schule hatten, wollten eher gar nix machen, als etwas „richtiges“.
„Bildung ist das, was übrigbleibt, wenn wir vergessen, was wir gelernt haben.“
Edward Frederick Lindley Wood, 1. Earl of Halifax
„Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung, keine Bildung.“
John F. Kennedy, 35.Präsident der USA
Gute und wichtige Gedanken. Wenn Schule nur die Vorbereitung zum Berufsleben wird, kann sich nichts ändern an unserem kranken Wirtschaftssystem. Bildung soll ergebnisoffen sein!
„Die Funktion des Gymnasiums darf nicht darin bestehen, ausschliesslich Kompetenzen für das Hochschulstudium oder gar einer bestimmten Studienrichtung aufzubauen, und der Ausbau der Allgemeinbildung in der Berufslehre darf nicht gestoppt werden.“ Herr Weber, könnten Sie bitte diesen Satz ausschneiden, auf Zettelchen vervielfältigen und an die Stirn, am besten innenseitig, unserer Bildungspolitiker nageln? Besten Dank.
Danke für diesen grossartigen Beitrag! In der Zeit einer zerstörerischen Sparwut tut diese wirklich „liberale“, freiheitliche Sicht gut! Die Verzweckung der Bildung führt nur zur Abrichtung des Menschen zum Rädchen in einer grossen Maschinerie des Profits. Wirklich freie Menschen müssen selbständig und kritisch denken lernen. Und das ist nur in einer Form von Bildung möglich, die möglichst frei ist vom heutigen Zweckdenken. Darum ist es gut, wenn die jungen Menschen und ihre Lehrpersonen protestieren gegen den Bildungsabbau. Bitte: weniger Steuersenkungen – dafür mehr offene Bildung!
Danke für den sehr guten Artikel. Bildung als Orientierungshilfe wird in der Bildungsdiskussion unterschlagen und seit der Bologna-Reform mit Punktesammeln verwechselt. Das Unwissen mit ungenauen und englischen Ausdrücken verwedelt:
education=?Erzihung=?Bildung=?Ausbildung.
Aber trotzdem muss eine Gesellschaft mit Zukunft das richtige Verhältnis finden zwischen
– Ausbildung (nicht nur Uni),
– Orientierungswissen (nicht nur Uni)
– Wissen und forschen als l’art pour l’art
In diesem Sinne ist die Maturaquote (Fachrichtung?) keine sehr aussagekräftige Grösse.
Bildung an sich hat den grossen Nachteil, dass der Betroffene auf die Idee kommen könnte, über sich und die Welt zu reflektieren, anstatt ansandslos das auszuführen, was die Wirtschaft, der allgemeine Bedarf oder halt die „Notwendigkeiten“ von ihm verlangen.
Man ist dadurch für die Mächtigen „weniger pflegeleicht“, weniger gut zu manipulieren.
Wissen ist halt noch immer Macht, wenn der Kleine weniger weiss, weiss er auch das Unrecht weniger gut einzuschätzen.
Zum Beispiel: Menschenrechte-Gültigkeit.
Sollen die Schulen nur noch auf wirtschaftlich verwertbare Bildungs- und Forschungsinhalte ausgerichtet werden? Ein wirksames Mittel, den Trend zu „weichen Fächern“ zu stoppen wäre es, den Schwerpunkt der Bildungsinhalte schon in der Volks- und Mittelschule auf Mathematik, Wirtschaft und Technik zu legen, dies auf Kosten der sprachlichen und musischen Fächer, der Geographie und der Geschichte. Im Weiteren könnte an den Hochschulen durch entsprechende Studien- und Forschungsbedingungen eine Umlenkung der Studierendenzahlen auf die von der Wirtschaft bevorzugten Studienrichtungen versucht werden
Typische Ansicht eines abgehobenen Akademikers, der wenig oder keine Ahnung von der Realität der Privatwirtschaft hat. Denn dort passiert die Wertschöpfung, die Wohlstand schafft und Staatsdienern in der Verwaltung, im Bildungswesen, in der Sozial- und Asylindustrie Spitzenlöhne ermöglicht. Bildung, die nicht zu einer kurzfristigen Integration ins Erwerbsleben führt, ist unsinniger Luxus und kann höchstens als persönliche Bereicherung, also als Hobby, angesehen werden.
Persönliche Bereicherung ist also unsinniger Luxus ? Das nehmen Ihnen nicht mal hartgesottene Neoliberale ab, auch wenn sie etwas ganz anderes meinen. Aber bitte, ein Dasein als Helfershelfer des „Gestells“ (Martin Heidegger) als Gegenentwurf zur Selbstverwirklichung ist Ihnen freigestellt.
Typische Antwort eines mit Scheuklappen versehenen in der Privatwirtschaft Taetigen, der wenig oder keine Ahnung von der Realitaet des Hochschulwesens hat. (Ist etwa eine gleich faire und ausgewogene Behauptung, wenn Sie verstehen, was ich meine). – Wie genau kommen Sie auf „Spitzenloehne“ im Bildungswesen (die anderen Bereiche lasse ich mal aus)? Haben Sie schon mal als Doktorand oder wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer staatlichen Uni gearbeitet? Da muessen Sie mir zeigen, wo sich da die „Spitzenloehne“ verstecken. (Professuren machen den geringeren Anteil des wiss. Personals aus).
Jemand mit entsprechender Bildung könnte aber auf die Idee kommen, Ihre Lebensmaximen wie Wertschöpfung, Wohlstand, Spitzenlöhne oder kurzfristigen Integration ins Erwerbsleben zu hinterfragen. Und eventuell zu anderen Prioritäten kommen. Und sollten Sie sich wirklich einmal ergebnisoffen in ein direktes Gespräch mit so jemanden trauen, könnten Sie in die Lage kommen, dass Ihre Lebensziele hinterfragt werden. Dazu muss man schön ganz schön stark sein, um das auszuhalten. Versuchen Sie es!
Sicher gibt es heute Zeitgenossen, die fest daran glauben, mit der Schnell-Lektüre des Schunkens „Bildung“ von Schwanitz könne man ein paar Jahre überspringen (leider versteht das Buch niemand ohne den entsprechenden Bildungshintergrund). Heute arbeitet man ja in der Wirtschaft gerne mit passenden „Fach“kräften ohne echte Bildung, die keine Fragen stellen, praktisch nichts verdienen wollen und die firmengerechten Mantras hirnlos nachbeten. Natürlich kann ich es auch an dieser Stelle wieder nicht verkneifen: solche Fachkräfte sitzen schon im Bundesrat.
Hr. Weber Sie erwähnen als weitergehende Ziele wirtschaftliche, staatsbürgerl. und ethische Zwecke. Das sind nicht weiterge-hende Ziele, die gehören heute dazu, wie Musik zu Literatur, Geschichte zu Kunst (z.B. Malerei). Wenn ich mir beispielsweise das Germanisten-Wissen in Sachen Musik vorstelle, dann muss ich Ihnen schreiben, dass auch gebildete/bildungsbeflissene oft keine grosse Ahnung von Musik haben. Auch hier sind Grenzen gesetzt!! Unnütz – ist provokativ! Ebenso provokativ will ich sein: Gebildete, die den Blick lesen. Studierende/Studierte, die ein Open-Air besuchen usw. Schildbürger
Liebe Kommentierende: Danke für Ihre anregenden Kommentare zu den Überlegungen meines Texts. Ich merke dank Ihren Beiträgen: Mit meiner Haltung, die die Autonomie von Bildung verteidgt, ergeben sich wohl mehr Fragen als Lösungen. Es ist gut, dass diese Fragen im Politblog auftauchen statt sie der Verwaltung und den Bildungsexperten zu überlassen: Wie ist das Verhältnis von Bildung und Ausbildung zu gestalten? Sollen leistungsschwächere, aber interessierte Jugendliche auch ein Recht auf nachobligatorische Bildung haben? In welcher Form? Und: Welchen Nutzen hat der Verzicht auf Nützlichkeit?
Danke für Ihren Mut, diesen „Grundfehler“ der modernen Schulbildung zu thematisieren. Bevor ein Mensch wissen soll, was er für eine Funktion wahrnehmen will, muss er möglichst viel wissen, wo er ist, woher er kommt und wer ausser ihm auf der Erde lebt. Natur, Geografie, Geschichte wecken in Kindern die Neugier, die beste Ausgangslage für vertieftes Wissen, dann spezialisiertes, dann funktionales Wissen. Philosophie und Philosophiegeschichte sollte schon früh zentraler Teil der Bildung sein. Auch praktische Bildung gehört verstärkt auf den Stundenplan. Und statt Sport lieber Unterricht im Wald!
Sehr einverstanden, Gerd Fehlbaum!
Jugendliche stellen uns Fragen, die weit über den Bereich der Nützlichkeit hinausreichen. In den Realienfächern werden die Schüler mit dem Menschen und seiner Umwelt konfrontiert. Doch G/Gg/Na haben an der Volksschule an Stellenwert eingebüsst. Ich spreche nicht von träumerischer Pädagogik, sondern von einer Auseinandersetzung der Jugendlichen mit den grossen Fragen. Daraus entsteht Tatkraft, denn der Wille zu konstruktiven Veränderungen setzt vertiefte Einsichten voraus. Eine vernünftige Kombination von Nützlichkeit und Sinnfindung können wir uns leisten.
Weshalb soll Unterricht im Wald den Sport ersetzen? (und Musik und Werken vermutlich auch gleich?) Wo sehen Sie da den Zusammenhang?
Ich sehe, dass engagierte Kindergärtnerinnen wöchentlich in den Wald gehen. Ebenso meine Frau mit ihrer ersten Primarklasse. Offenbar kann man dort gewisse Themen gut bearbeiten. Aber es haben natürlich nicht alle die gleichen Prioritäten.
Der Nutzen eines zeitweiligen und / oder gezielten Verzichts auf Nützlichkeit ist immens. Danke Philippe Weber für diesen Blog. Wer sich weiter in diese Richtung bereichern will sei herzlich das Werk von Nuccio Ordine empfohlen: Von der Nützlichkeit des Unnützen. Ein Manifest – Warum Philosophie und Literatur lebenswichtig sind (2014 deutsch bei Ullstein). Wie schön und zeitlos sind doch die Träumereien eines einsam Schweifenden von Rousseau; gehen sie auf die Petersinsel und machen sie eine nützliche Erfahrung für ihr Gemüt.
Nutzlosigkeit ist kein Ziel! Der Nutzen sollte aber meines Erachtens darin bestehen, dass die „Gebildeten“ nachher fähig sind, selbstbestimmt ihren Weg im Leben zu suchen und zu finden.
Tatsächlich war ja sicher bis vor 100 (oder noch weniger?) Jahren für viele ein Ziel, die Kinder zu „guten Staatsbürgern“ zu machen. Heute fragt man doch tatsächlich irgendwelche Topmanager wenn man Richtlinien für „gute Bildung“ haben möchte – und die brummeln dann halt so irgendwelches Manager-Blabla vor sich hin – und das gilt dann als ganz besonders „praxisorientiert“… 😉
Da wäre für einen Gebildeten durchaus noch eine andere Aufgabe: Die Früchte der eigenen Bildung in die Öffentlichkeit tragen. Es sind die differenzierten Ansichten, nicht die üblichen Schlagwort-Plattitüden, die Lösungsräume öffnen, die differenzierter sind als „ja oder nein zur EU“.
Ansonsten bei Rückzug ins eigene Private überlässt man den öffentlichen Raum den allgemeinen Platt-Machern, die die Menschen zu ganz kurzen Gedanken verführen wollen.
Das wäre dann die Diktatur des Mobs.
Ein befreiender Artikel, vielen Dank!
Nützlichkeit ist ein wichtiger Teil der Bildung, aber lange nicht alles. Jugendliche sind wissenshungrig. Fächer wie Biologie, Geschichte oder Geografie haben ein riesiges Potenzial, um Jugendliche zu begeistern. Was es in diesen Fächern an Spannendem zu entdecken gibt, öffnet ein weites Feld für das Verstehen des Lebens. Leider geraten diese Fächer schon in der Primarschule zugunsten der nützlichen Fremdsprachen ins Hintertreffen. Und der neue Lehrplan will mit seinen vielen Kompetenzzielen das direkt Anwendbare und Messbare der Bildung noch verstärken.
Ich glaube nicht, dass man Kompetenzorientierung so eng sehen muss, wie Sie das üblicherweise tun. Es könnte ja zum Beispiel eine Kompetenz lauten, sich im Wald orientieren zu können, geschichtliche Zusammenhänge erfassen zu können, usw. Immerhin geht es darum, das Lernen von der Anwendung, vom Problem, vom Interesse her zu betrachten, und eben nicht stur auswändig zu lernen.
„Wenn wir es ernst mit der Freiheit nehmen, muss die Vielfalt der Bildungsangebote verteidigt und ausgebaut werden.“
Ein sicherlich erstrebenswertes und edel anmutendes Ziel. Diese Darstellung stellt eine lineare Denkweise dar, indem man nicht erkennt, dass auch gesellschaftliche Systeme einem Zyklus unterworfen werden. In wirtschaftlich guten Zeiten wird teilweise nicht auf wirtschaftlichen Nutzen orientiertes Verhalten erschwinglich, jedoch verändert sich solch eine Entwicklung in Zeiten, wenn das wirtschaftliche und politische Umfeld ungemütlicher wird.
Wenn man bei Kindern nicht edel anmutende Ziele anstrebt, weiss ich nicht genau, wo sonst, Herr Huber! Ich befürchte gar, man könnte vergessen, was edel heisst und was Mut bedeutet…