Zwei Sieger im Stress
Den Auftakt ins Superwahljahr 2015 bilden die kantonalen Wahlen für Regierungs- und Kantonsrat. Im Herbst folgen die eidgenössischen Wahlen, wo es in Zürich notabene für den Ständerat zum grossen Showdown kommt. Zum Abschluss wird im Dezember dann der Bundesrat gewählt.
Hier meine Prognose für die Regierungsratswahlen: Vier der fünf (männlichen) bisherigen Regierungsräte scheinen fest etabliert. Ich gehe davon aus, dass die beiden SVPler Ernst Stocker und Markus Kägi problemlos wiedergewählt werden. Das Gleiche gilt auch für Mario Fehr (SP) und Thomas Heiniger (FDP). Bleiben also drei Sitze, um die sich realistischerweise vier Kandidaten streiten: Der Bisherige Martin Graf hat als Grüner die kleinste Hausmacht und ist nach dem Fall Carlos etwas angeschlagen. Die drei neuen Kandidatinnen Jacqueline Fehr (SP), Carmen Walker Späh (FDP) und Silvia Steiner (CVP) sind ihm auf den Fersen. Ich gehe von einem knappen Rennen aus, denn alle drei haben unterschiedliche Stärken und Schwächen.
Der Wahlkampf verlief bis vor kurzem in gewohnten Bahnen. Die Parteien und Kandidaten setzten auf bewährte Strategien und Instrumente. Das gilt im Wesentlichen auch für den Wahlkampf im Cyberspace. Jacqueline Fehr kündete ihre Kandidatur nicht wie gewohnt in den traditionellen Medien, sondern via Social Media zuerst ihren eigenen Unterstützern an. Solche Onlinestrategien gehören in den USA längst zum Standard, bei uns ist es aber bemerkenswert. Selbstbewusst präsentierte Fehr auch gleich ein ganzes Programm für den Kanton Zürich. Ihre Schwäche ist, dass sie in einem klar bürgerlich dominierten Kanton ein pointiert linkes Profil hat.
Negativkampagnen haben ihren Ursprung in Zürcher Wahlen.

Bekannter nach dem Angriff: Wahlplakat von Silvia Steiner im Zürcher Volkshaus. Foto: Ennio Leanza (Keystone)
Ebenfalls für Aufsehen sorgte die Negativkampagne gegen Silvia Steiner. Ein Komitee liess im grossen Stil eine Broschüre verteilen, in welcher Steiner frontal attackiert wurde. Solche Negativkampagnen sind in der Schweiz zwar nicht neu. Sie haben ihren Ursprung im Gegenteil sogar in Zürcher Regierungsratswahlen. Bei den Wahlen 1996 schickte die SP zuerst Vreni Müller-Hemmi ins Rennen. Die SVP sprach der SP den Sitzanspruch zwar nicht ab, schaltete aber Inserate, welche sich direkt gegen die SP-Kandidatin wandten. Nach dem ersten Wahlgang zog sich Müller-Hemmi zurück, und die SP schickte neu Markus Notter. Ob die Kampagne gegen Steiner ähnlich effizient sein wird, bezweifle ich allerdings. Dazu ist sie zu frontal und zu wenig dokumentiert. Steiner ist weniger bekannt als ihre direkten Gegenkandidatinnen. Der Angriff hat die CVP-Kandidatin schlagartig in den Fokus der Medien und der Öffentlichkeit gebracht. Falls Steiner nicht gewählt wird, ist es trotz und nicht wegen der Negativkampagne.
Ich frage mich, ob die FDP mit Carmen Walker Späh auf die richtige Kandidatin setzt. FDP-Frauen werden im Kanton Zürich historisch gesehen dann gut gewählt, wenn sie wie Männer politisieren und ergo von der SVP-Basis mitgewählt werden. Von Vreni Spoerry über Ursula Gut bis hin zu Doris Fiala war das Teil des Erfolgsrezeptes. Carmen Walker Späh ist vom Habitus und den politischen Prioritäten her anders. Wenn schon eine explizit feministische Politikerin, dann hätte die SP das Original im Programm.
Bei den Wahlen in den Kantonsrat sind vor allem GLP und BDP in der Defensive. Vor vier Jahren waren sie die grossen Sieger, jetzt stehen sie unter Druck. Nachdem die BDP bei den Wahlen im Kanton Bern und Basel-Landschaft regelrecht abgestürzt ist, sind die Zürcher Wahlen nun die letzte Hauptprobe vor den eidgenössischen Wahlen.
Gespannt sein dürfen wir auch auf das Resultat der SP. Sie setzt als erste Partei in der Schweiz im grossen Stil auf eine Telefonwerbekampagne. Sinnvollerweise werden die Zürcher Wahlen dazu als Test für die nationalen Wahlen genutzt. Herr und Frau Schweizer sind eher introvertiert. So gesehen, ist die Aktion fast etwas unschweizerisch. Ich erachte sie aber trotzdem als vielversprechend. Wahlen für ein Parlament sind in erster Linie Listenwahlen. Der entscheidende Faktor ist dabei die Mobilisierung der eigenen Basis. Genau dort setzt die Telefonaktion an.
6 commentaires sur «Zwei Sieger im Stress»
Die Rechtstendenz aus BL und LU wird sich fortsetzen : Die ewigen Bremservorstösse aus der linksgrünen Ecke gehen der Bevölkerung langsam auf den Wecker (z.B. « Energieinitiative 92 % Nein). Im Zeitalter von Frankenstärke und Billigkonkurrenz beginnen Betriebe nach Asien abzuwandern, da ist wirtschaftliche Kompetenz gefragt und nicht Träume über Solarenergie, höhere Steuern für Umwelt- oder sozialen Luxus, Asylunterkünfte, Rechtsanpassung an die EU usw. Unsere Freiheit und unser Wohlstand dürfen nicht durch solche Experimente aufs Spiel gesetzt werden !
Wenn ich Sie, Herr Felber, richtig verstehe, halten Sie rote oder grüne Politik für einen Luxus, den man sich in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit nicht leisten kann. Das Schweizer Erfolgsmodell nach dem 2. Weltkrieg verdanken wir allerdings – neben viel Glück in der Weltgeschichte – nicht dem bürgerlichen Schulterschluss, sondern der Konkordanz zwischen SP und vernünftigen Bürgerlichen in FDP, CVP und BGB: Sozialer Frieden, Arbeitszeitverkürzung, faire Löhne, Aufbau der Sozialwerke. Wer das nicht sehen will, gefährdet mutwillig einen Pfeiler unseres Wohlstandes.
Komisch nur, wenn man die vielen Kommentare bestaunen konnte in der Vergangenheit. Doch heute wo es zum wählen geht, da scheinen all die geschriebenen Kommentare sich in Luft aufgelöst zu haben. Sind die heutigen Wähler tatsächlich so inkonsequent, oder unterstellen alle dem Prinzip dem Dreiaffen?
Im Ernst? Unter der Rubrik « Schweiz » wird mir auf derbund.ch mit dem Titel « Zwei Sieger im Stress » ein Beitrag über die Zürcher Wahlen geboten, ohne darauf hinzuweisen, dass es um den Kanton Zürich geht (das sieht erst, wer den Beitrag öffnet)? Weil nun mal einfach klar ist, dass alles, was nicht deutlich anders deklariert ist, in der Schweiz Zürich ist? Und nebenbei: Die Zürcher Wahlen sind « der Auftakt ins Superwahljahr » – obwohl Basel-Landschaft im Februar gewählt hat und Luzern vorgestern (Tamedia hat berichtet)? Gebt uns endlich den Bund als eine Zeitung aus Bern zurück
Dieser Beat Felber ist der Meinung es sei wirtschaftliche Kompetenz gefragt und nicht Träume über Solarenergie. Die wirtschaftliche Kompetenz der seit Jahren bürgerlichen Regierungen in CH kennen wir mittlerweile. Eines von vielen Ergebnissen ist der Ausverkauf der Heimat an ausländische Finanzgrössen, gar oft mit kriminellem Hintergrund. Ebenso
kennt man den Aufkauf von ehemals CH-Firmen durch diese Clique und nachfolgender Zerstückelung zwecks Geldbeschaffung. Auch wenn momentan Qutschköpfe Furore feiern, die Lage wird nicht besser.
Bei den von L.P. aufgeführten Kandidaten verfügt die Kandidatin der CVP und nicht Martin Graf über die kleinste Hausmacht. Die CVP erzielte bei den Kantonsratswahlen 2011 eine Wähleranteil von 4.9 %. Nun droht ihr das Ausscheiden aus dem Parlament, da sie mindestens in einem Wahlkreis einen Wähleranteil von 5% erreichen muss, um an der Mandatsverteilung teilzunehmen. Demgegenüber erzielten die die Grünen bei den letzten Kantonsratswahlen einen Wähleranteil von 10,6 %. Die Hausmacht von Martin Graf ist demnach mehr als doppelt so gross. Dies mag L. P. nicht passen, es ist jedoch Fakt.