Von wegen FDP und Gemeinsinn

Es geht ein neuer Wind durch die Wirtschaft. Teilen ist die Sehnsucht des modernen Menschen, und nicht mehr erwerben, besitzen, horten. «Sharing Economy» nennen es die Experten. Frühere Generationen fixierten sich auf Statussymbole, junge Menschen empfinden Eigentum zunehmend als Last.

Der FDP ist diese Entwicklung nicht entgangen. Jedenfalls taucht in ihrem neuen Wahlkampfslogan der Begriff Gemeinsinn auf, der in früheren Parteiprogrammen keine Rolle spielte. Wohl will die Partei etwas mitsegeln im frischen Wind, der Start-ups wie die Wohnungsbörse Airbnb und die Ridesharing-Site Uber zu wirtschaftlichen Wunderkindern gemacht hat.

Doch die FDP und die Firmen aus der Meins-ist-Deins-Ökonomie unterscheiden sich radikal. Den neuen Stars der Wirtschaft ist es gelungen, das eigentlich kommunistische Konzept des Gemeinsamen und des Teilens einer neuen Logik zu unterwerfen: jener der kapitalistischen Maximierung des eigenen Nutzens.

Frühere Generationen fixierten sich auf Statussymbole, junge Menschen empfinden Eigentum als Last.

Meins ist deins: Eine Frau in San Francisco arrangiert das Zimmer für «fremde» Airbnb-Gäste. Foto: Keystone

Im vergangenen Jahr erzielte Airbnb einen Umsatz von 250 Millionen Dollar. Ökonomen schreiben dem Unternehmen bereits einen Wert von 10 Milliarden Dollar zu. Uber soll bereits 17 Milliarden wert sein und nutzt seine Vormachtstellung, um Kunden die unverschämte Vermittlungsgebühr von 20 Prozent zu verrechnen. Davon können viele Dienstleister der alten Ökonomie nur träumen.

Das freisinnige Konzept von Gemeinsinn wirkt im Vergleich zu den innovativen Machern der New Economy wenig ambitioniert. Denn die FDP schafft es nicht, dem kommunitaristischen Wert des Teilens eine eigene, neue und vor allem politische Deutung zu geben. Im Gegenteil: Obwohl die FDP den Gemeinsinn zu einem Teil ihrer Marke und Identität macht, verstösst ihn die Partei sogleich wieder aus dem Bereich des Politischen und damit auch aus dem Bereich ihrer ureigenen Einflusssphäre.

Denn für den freisinnigen Gemeinsinn soll nicht  die Politik zuständig sein – indem sie etwa dem Staat soziale Ziele vorschreibt –, sondern allein das Individuum. Und das auf rein freiwilliger Basis. Die Gemeinschaft – respektive die Politik – darf den Einzelnen nicht in die Pflicht nehmen. Dieser soll die freie Wahl haben und sich dann für das gemeinnützige Engagement entscheiden.

Den Gemeinsinn verstehe die Partei als «Teil der Eigenverantwortung, als freiwilliges Engagement für die Gemeinschaft», wie Andrea Caroni sagt, Ausserrhoder Nationalrat und stellvertretender Wahlkampfleiter. Marc Mächler, Präsident der St. Galler Sektion, sagt es noch deutlicher:  «Was wir unter Gemeinsinn verstehen, hat nichts mit der staatlich erzwungenen Verteilpolitik der Linken zu tun.»

Alles gut und recht, diese Ansicht kann man gut und gern vertreten. Nur, was sucht unter dieser Voraussetzung der Gemeinsinn im Slogan der Partei? Bekundet sie doch, dass der Gemeinsinn gerade nicht in ihren Bereich falle und sie sich daher mit den Mitteln einer Partei – Gesetzesvorstössen und Initiativen – nicht für diesen einsetzen könne.

10 Kommentare zu «Von wegen FDP und Gemeinsinn»

  • Der Autor will irren. Durch die explizite Nennung des Gemeinsinns und eine anschliessende klare Abgrenzung legt die FDP fest, dass dieser nicht mittels Vorstössen zu institutionalisieren ist, die Politik aber Voraussetzungen schaffen muss, um (wieder mehr) Gemeinsinn zu ermöglichen. Wenn jede Form von Unterstützung professionalisiert wird, verkümmert der Gemeinsinn. Der Staat soll’s richten. Die Auswüchse in der inzwischen als „Sozialindustrie“ bezeichneten Branche zeigen dies beispielhaft. Gemeinsinn ist eben gerade nicht in Kapitalismus gegossene Nächstenliebe, sondern bedingungslose Hilfe.

  • dan sagt:

    Wie bitte, gewinnorientierte Unternehmen wie Airbnb oder Uber und deren Nutzer haben etwas mit „Gemeinsinn“ zu tun, haben sogar „kommunistische“ (!) Komponenten …? Da ist bei David Schaffner wohl einiges durcheinander gekommen.

    • Ralf Schrader sagt:

      Kurz: Gewinnorientierung Gemeinsinn. Der erste Rappen Gewinn führt den Gedanken des Gemeinsinns ad absurdum.

  • Jeanclaude sagt:

    Da ist der Autor aber tüchtig auf die Nase gefallen! Riesen-Profite durch Propagierung von Gemeinsinns-Business für junge Leute, die Eigenthum als Last empfinden (lol!). Wer’s glaubt, bezahlt einen Taler.

  • Reto Gächter sagt:

    Die schweizer Armee symbolisiert den „Gemeinsinn“ in der Schweiz wie keine andere Institution.
    Ich möchte nu die FDP beim Wort nehmen und hätte gerne, dass sie Stellung bezieht. Ich spreche hiermit Andrea Caroni und Mrc Mächler gleich persönlich an:

    «Teil der Eigenverantwortung, als freiwilliges Engagement für die Gemeinschaft» –> die FDP müsste sich für die Abschaffung der Wehrpflicht stark machen, Herr Caroni.

    «Was wir unter Gemeinsinn verstehen, hat nichts mit der staatlich erzwungenen Verteilpolitik der Linken zu tun.» –> sprechen sie hier die ca 5 Mia CHF der Armee an, Herr Mächler?

  • Erwin sagt:

    Gemeinsinn als Motto für die FDP ist wahrlich ein Brüller!
    Keine Partei unterstützt den wirtschaftlichen Egoismus mehr als die FDP: Pauschalbesteuerung, Untern.Steuerreform II + III, 1’000 Kartelle (SIE haben d.Kartellgesetz gekillt), Bankgeheimnis, – alles Gesetze, die das Förderband des Geldes von unten nach oben unterstützen, bzw. erst richtig in Gang bringen.
    Nein, diese Partei müsste für alle Nicht-Multimillionäre unwählbar sein. Aber mit Propaganda macht man sogar aus einer Milchkuh eine goldene Eier legende Henne…

    • Reto Gächter sagt:

      Doch, eine gibt es noch, ist aber beinahe dasselbe, nennt sich SVP.

    • Helga Klee sagt:

      Erwin bevor Sie Kritik üben wüden Sie sich besser informieren. Es war nicht die FDP, welche im Nationalrat das Kartellgesetz killte, sondern die SVP und die Linken. Zum Glück sind die Abstimmungen öffentlich einsehbar, dort sieht man genau, wer nicht einmal auf das Gesetz eintreten wollte. Also die Diskussion verweigerte. Die FDP wollte das Kartellgesetz, sie wollte, dass wir günstiger einkaufen können. Das ist eben auch Gemeinsinn. Gemeinsinn heisst auch sich ehrenamtlich für das Gemeinwohl zu engagieren und das machen sehr viele Freisinnige. Also keine Spur von wirtschaftlichem Egoismus.

  • Hans Koller sagt:

    Nun das die Sharing-Economie zunimmt liegt nur daran das Europa am verarmen ist. Viele Leute können es sich schlicht nicht mehr Leisten ein eigenes Auto zu haben und dann gibt es noch die Idealisten, letztere zeigt man uns in den Zeitungen. Ich habe Lust meine eigenen Sachen zu besitzen und niemanden Rechenschaft darüber abzulegen was ich mache. Das ist Freiheit, Freiheit ist aber nicht Gratis, man muss sie sich erarbeiten oder halt leisten können.

  • Hans-Jürgen lorenz sagt:

    Sinn und Zweck der bürgerlichen Politik ist immer der Gewinn.
    Immer unter der Voraussetzung, das nur der gut verdienende Unternehmer den Staat vorwärts bringt.
    Dass das nicht mehr der Fall ist und Gewinnmaximierung die damals sozialen Komponenten abgelöst haben, ist in
    Kleinbürgerlichen Gehirnwindungen anscheinend noch nicht vorgedrungen.
    Mithin sind Parteien wie SVP, FDP und CVP ein Anachronismus, der sich selbst ablöst. Warten wir mal ab, wie groß der
    Schaden , den diese Grundhaltung der Egoisten dem Gemeinwesen noch zufügen kann denn sein darf,

Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.