Wer arbeiten will, darf nicht bestraft werden
Das Bundesamt für Sozialversicherungen gibt sich bei der Sanierung der IV gute Noten. Die Bilanz für das Jahr 2013 macht auf den ersten Blick einen positiven Eindruck: Einnahmen von 9,8 Milliarden Franken standen Ausgaben von 9,3 Milliarden Franken gegenüber, wodurch ein positives Betriebsergebnis von rund 500 Millionen Franken resultierte. Dieses Ergebnis konnte jedoch nur dank einer Zusatzfinanzierung durch die bis 2017 befristete Erhöhung der Mehrwertsteuer von 1,1 Milliarden Franken sowie der Übernahme von Sonderschuldzinsen in der Höhe von knapp 200 Millionen Franken durch den Bund erzielt werden. Ohne diese hätte die IV im Jahr 2013 mit einem Defizit von 800 Millionen Franken abgeschlossen. Damit zeigt sich: Auch zwei Jahre nach der Inkraftsetzung der IV-Revision 6a ist die IV vom Sanierungsziel weit entfernt.
Dank der Revision 6a konnten Personen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen ins Arbeitsleben (zurück)geführt werden, aber lange nicht so viele wie erwartet. Dass 12’000 gewichtete Renten wegfielen, ist nur auf die IV-Revisionen 4 und 5 zurückzuführen, die sich stärker auswirkten als erwartet.
Sichern wir für die Schwächsten in unserer Gesellschaft die Invalidenversicherung!

Integrieren statt ausgrenzen: Ein handycapierter Mitarbeiter erledigt Versandarbeiten in einem Lagerhaus. Archivbild: Keystone
Was ist also zu tun? Die einzige Lösung ist ein erneuter Versuch das Reformpaket «4+5+6» abzuschliessen. Nur so kann diese wichtige staatliche Sozialversicherung endgültig saniert werden. So wurden nach dem Scheitern der Revision 6b im Parlament mehrere Motionen eingereicht (13.3641; 13.3990; 13.4060), um den Scherbenhaufen IV-Revision aufzuräumen. Der Bundesrat soll nun so schnell wie möglich eine neue Vorlage ausarbeiten, damit die IV für Invalide endlich wieder eine verlässliche Sozialversicherung ist. Wichtige Elemente der Reform sind die Schuldentilgung, die Eingliederungsmassnahmen und das lineare Rentensystem.
Wo liegen denn die grössten Probleme bei der IV? Einerseits nützt es wenig, Menschen mit einer Behinderung zum Arbeiten aufzufordern und sie auch dabei zu unterstützen, wenn man ihnen danach mehr von ihrer Rente abzieht, als sie neu verdienen. Jeder vernünftig denkende Mensch wird sich so hüten arbeiten zu gehen. Solche Schwelleneffekte haben in einer modernen Sozialversicherung nichts mehr zu suchen.
Andererseits muss der Missbrauch des Systems konsequent und hart bekämpft werden: Sowohl Arbeitsnehmer wie auch Arbeitgeber sollen ehrlich mit dieser Sozialversicherung umgehen. Dies umfasst eine periodische Prüfung der Renten, welche auch Kontrollen umfassen und eine harte Bestrafung bei erwiesener Schuld. Wer sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichert, darf nicht mit einem Klaps auf die Hand davon kommen. Weiter soll vor allem die zunehmende Zahl von Jugendlichen mit subjektiven Leiden genau abgeklärt werden, damit diese nicht automatisch mit psychiatrischen Diagnosen stigmatisiert werden. Diese haben in den letzten 20 Jahren um fast das Zehnfache zugenommen – da stimmt doch etwas nicht. Sichern wir für die Schwächsten in unserer Gesellschaft die Invalidenversicherung. Das sind wir ihnen schuldig.
28 Kommentare zu «Wer arbeiten will, darf nicht bestraft werden»
Man sollte vor allem im Bereich mit psychischen Krankheiten ansetzen. Ich kenne persönlich 5 Fälle, zugegebenermassen aus Basel, der Sozial – und IV -Hochburg der Schweiz, die nie und nimmer Invalide im eigentlichen Sinne sind. Undefinierbare psychische Störungen, Psychosen, die 20 Jahre her sind, Alkoholprobleme sind die Diagnosen. In keinem anderen Land
würden solche Leute IV-Renten bekommen. Die Schweiz ist viel zu naiv, grosszügig und lernt aus Fehlern nicht.
Für mich sind das keine „Fälle“ sondern immer noch Menschen.
Natürlich steht es jedem Schweizer frei medizinische Gutachten in Frage zu stellen.
Um seine vorgefertigte Meinung zu bestärken.
Sie wollen doch nicht dem Schreiber unterstellen, dass mit dem med. Ausdruck „Fall“ etwas Menschenverachtendes meinen?
Es ist die Pauschalisierung die mich stört.
Er kennt fünf Menschen denen Akademiker nach eingehender Untersuchung
eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt haben.
Leider kann ich nicht beurteilen wo Bertram zu seinen Diagnosen kommt.
Objektives Betrachten ist oft schwierig bei einem solch emotionellen Thema.
Es stehen immer noch Menschen dahinter. Gut wenn sie nicht psychisch krank sind…aber pauschal zu sagen die könnten arbeiten, wär ich vorsichtig. Denn ich weiss, was es heisst, psychisch krank zu sein…Theoretisch bin ich wieder fit, die Störung liegt einige Jahre zurück. Praktisch holt sie mich immer wieder unerwartet in From von Panikattacken, Kopfschmerzen und ähnlichem ein. Gottseidank in harmlosen Dosen meist und mit einem verständnisvollen Arbeitgeber. Den haben nicht alle und andere leiden auch nach Jahrzehnten noch so darunter, dass sie beeinträchtigt sind, obwohl man von aussen
Nichts mehr sieht. Die haben genau so ein Recht auf ein menschenwürdigs Leben, wie jeder Arbeitslose usw. Mehr Kontrollen bin ich sofort dabei, damit die, die wirklich schmarotzen (und zu Hause ihr Haus selber bauen, aber IV kriegen wegen Rückenleiden) gehören rigoros bestraft.
Ich finde es absolut skandalös wie die Schweiz mit ihren Kranken umgeht. Einmal werden die aussortiert und dann wieder jene fortlauffend werden Gründe gefunden um ja keine Renten zahlen zu müssen. Krank ist einfach krank und punkt. Viele IV Bezüger stehen in Arbeitsverhältnissen, die an Sklaverei erinnern. Es wäre auch mal interessant zu erfahren wieviele Menschen in der Schweiz wegen ablehnenden IV-Entscheiden Suizid begehen. Meiner Meinung nach müsste das ganze Sozialsystem durch ein bedingungsloses Grundeinkommen ersetzt werden.
@Bertram: hässlich, hässlich, was Sie da von sich geben. Sie haben absolut keine Ahnung, wie sich solche Psychosen auf die Persönlichkeit eines Menschen auswirken. Ich betreue und begleite seit über fünf Jahren eine solche Patientin. Es kann mehrere Wochen sehr gut gehen und man schöpft Hoffnung, bis ein unvorhersehbarer Rückfall/Absturz in Form von unerklärlichen Panikattacken und Angstzuständen diese Hoffnung beinahe wieder zunichte machen. Solche Attacken pflegen sich nicht vorher anzumelden, Herr Betram, sie sind von einer Sekunde auf die andere da! Ich wiederhole: Sie haben keine Ahnung!
@ Auf der Maur
Ich kenne eine Menge Leute wie Bertram, Cassis usw.. Vermutlich am Besten wäre es die Invalidenversicherung zu privatisieren, damit Behinderte nicht weiterhin Spielball und Opfer von Behördenwillkür und dem unsäglichen Profilierungssucht der Politiker werden. Privatversicherungen im Sozialbereich arbeiten derzeit (aus meiner Sicht erlebt) seriöser als die staatlichen Behörden. Auch würde durch Privatisierung die Gerichtspraxis wieder Neutraler. Derzeit glaube ich weder an seriöse Abklärung durch diese zum Teil völlig surrealen IV Verfahren noch an eine neutrale Gerichtspraxis.
Das würde nicht viel ändern, höchstens den Verwaltungsapparat zusätzlich verteuern. s. u.a. auch zutreffender Kommentar von Laura. Die Wiedereingliederungsprogramme taugen nicht viel, da alle mehr oder weniger die gleichen Programme durchlaufen. Wenn schon, müsste die IV als Stellenvermittlerin aktiv werden. Dies wiederum ist schwierig, da Betroffene je nach Beruf und/oder Schweregrad der Invalidität ihren angestammten Beruf nicht wieder aufnehmen oder mangels Mobilität nicht einfach umziehen oder längere Arbeitsstrecken in Kauf nehmen können.
Frau „Auf der Maur“, mir geht es darum dass Behinderte auch tatsächlich (in angemessen kurzer Zeit) Versicherungsleistungen erhalten und die Gerichtsverfahren fair werden auch die Wartezeiten verkürzt werden. Derzeit muss man in ZH zum Teil über 24 Monate warten bis zum Gerichtsentscheid. Da sowohl Richter als auch IV-Behörden staatliche Beamte und Behörde sind, kommt es nach meiner Erfahrung schnell zu unfairer Parteinahme zu Ungunsten der Versicherten. Da die IV Staatlich ist, kommt es hier oft zu Profilierungssucht von Politikern, die auf Kosten der Behinderten ausgelebt werden.
@ Betram: Es ist richtig, dass manche Betroffenen in ihrer Verzweiflung zu Alkohol greifen, weil solche Attacken für die Betroffenen nicht auszuhalten sind und mit Alkohol versuchen, diese Zustände zu überdecken. Das wird für Psychiater ein zusätzliches Problem. Manche Psychosen sind einmalig, andere bleiben für den Rest des Lebens. Wie gesagt, Sie haben keine Ahnung. Mag sein, dass es in ihrem Umfeld Menschen gibt, die die IV missbrauchen, was ich aber kaum glaube. Viel störender ist die destruktive Pauschalisierung Ihrerseits. Auch das ist eine Form von Krankheit, Herr Betram!
Na ja, es gibt auch Leute die ohne Psychosen zu Alkohol greifen, es gibt Leute die zu unrecht und zum Teil in betrügerischer Absicht eine Rente beziehen und dann gibt es natürlich auch welche, die zu Unrecht keine erhalten. Ist ja alles nicht schwarz/weiss.
„Esel klopfen“ ist einfacher, als Ursache suchen. Die Firmen hüten sich vor Behinderten, da sie wohl so schon an der Grenze sind, weil durch hier notwendig hohe Löhne und hohe Mietpreise die Selbstkosten höher sind als im Ausland. Selbst den Nichtbehinderten geht mittlerweile die Arbeit aus, besonders ü50, Frau oder ungelernt. Der hohe SFr. verteuert Schweizer Produkte auch unnötig im Ausland, bedient aber eine Finanzindustrie und Spekulationswirtschaft.
Vorschlag: Erst Vorraussetzung für mehr Arbeitsplätze schaffen, dann „Randgruppen“ reintegrieren, umgekehrt geht es nicht!
es wird auch langsam Zeit, dass auch bei den AG mal genauer hingeschaut wird. Wie lange konnten diese ihre MA via IV entsorgen und so Lohnkosten sparen. Ich selber kenne Fälle, in denen Behinderte während Jahren vollen Einsatz brachten und ein Vollzeitpensum hinlegten. Dann mussten sich diese eine IV Rente beantragen, um Lohnkosten zu sparen. Dies ist auch nicht fair. Oder AG die Ihre MA voll in die IV abschieben, zu Lasten der Allgemeinheit wird die Bude saniert. Hier gilt es mal anzusetzen; die IV-Bezüger haben dann schlussendlich das Nachsehen, weil alle im gleichen Topf landen.
„…Einerseits nützt es wenig, Menschen mit einer Behinderung zum Arbeiten aufzufordern und sie auch dabei zu unterstützen, wenn man ihnen danach mehr von ihrer Rente abzieht, als sie neu verdienen…“
Und das wird gemacht?
Mich würde einmal interessieren warum die IV derart im Defizit ist. Man hört immer nur von Leistungen die abgebaut werden sollen, von betrügern und schmarotzern. Wohin wird das Geld verschleudert dass hart arbeitende Schweizer über Jahre in diese Versicherung einzahlen. Soll doch einmal einer hinstehen und erklären.
Das wäre richtig, dass mal einer hinstehen würde und dies erklären würde. Nun sie sitzen dort in komfortablen Büros, geben Aperos für Ärzte, alles vom Feinsten (Weiterbildung) habe ich von einem Arzt erfahren. Sie drucken aufwendige, teure Broschüren und ein ganz grosser Kostenpunkt werden diese sogenannten „Eingliederungsmassnahmen“ sein, nebst dem Personal, dass beschäftigt wird. Da bleibt wohl nicht mehr viel übrig für die Betroffenen. Was mich besonders stört im Arikel ist die Aussage: „Wer sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichert….Als ob, man mit einer Rente reich würde.
Politiker wie Hr. Cassis haben es geschafft, dass Menschen, die sich bei der IV wegen ihrer Behinderungen anmelden, schämen. Die Fluktuation bei den Mitarbeitern der IV ist gross, da sie die menschenunwürdige Arbeit der Abweisung und dem permanenten Misstrauen gegenüber den Antragstellern wohl kaum noch gewachsen sind. Und wo ist die Verantwortung der Arbeitgeber? Da nutzen keine berufsbegleitenden Investitionen wenn keine geeigneten Arbeitsplätze vorhanden sind.
@ D. Lutz: Kein Unternehmen stellt sich freiwillig bereit, Menschen mit unkalkulierbaren Arbeitsausfällen, wie das bei psychisch kranken Menschen vorkommen kann, einzustellen. In der heutigen Zeit will man möglichst unbedarfte Unverbrauchte, die ihre Kräfte überstrapazieren bzw. nicht richtig einschätzen können. Die massive Zunahme an Burn Outs spricht geradezu Bände über diese heile Arbeitswelt.
Ruthild auf der mauer, ihre aussage dass die Unternehmen einem menschen mit psychischen störungungen (depression,born out, adhs ,schyzophrenie usw) garantiert keine chance bekommt, stimmt nicht zu 100%! Vieleicht zu 97% ,ich hatte das glück,dass ich trotz teilrente eine stelle bekam ohne hilfe und zuschüsse seitens iv! Ich weis ,es ist eine ausnahme aber es gibt sie,leider zu wenig! Ps: Ich habe nicht nur psychische sondern noch andere krankheiten…. Das wollte ich einfach gesagt haben…….
Als ich Ende 2007 erkrankt war, wollte ich von der IV Eingliederungshilfe in einen anderen Beruf. Man riet mir eine Rente zu beantragen. Ich hatte aber auch 2012 (trotz 80% Arbeitsunfähigkeit auf dem alten Beruf) trotz wiederolten Anfragen keine Eingliederungshilfen in Zürich erhalten. Ich wurde während der 4 Jahre Rentenverfahren niemals nach ZH zu einem Eingliederungsbeamten eingeladen. Die IV (und später das ZH Gericht) behaupten ich hätte eine Krankheit gar nicht gegen die ich aber seit mehreren Jahren alle 4 Wochen im Spital eine Infusion erhalte und die per Biopsie nachgewiesen ist.
Wer wie ich psychiatrisch mittels FFE, neu FU diskriminiert, bevormundet, zwangsbehandelt, isoliert und medikamentös vergiftet wurde, ist gesellschaftlich erledigt. Dazu kommen die durch die Psychiatrie dazugekommenen, unvergesslichen Traumen. Diagnose, Bahandlung sowie der psychiatrische Sprachgebrauch hat der Patient zu akzeptieren, ansonsten gilt er als krankheitsuneinsichtig! Egal, was Mensch mit Status Patient in einer Psychiatrischen sagt oder tut, es wird in eine Diagnose verwandelt. Von Psychopharmaka wieder loszukommen, ist dann fast nicht mehr möglich! FFE/FU haben eben ihren Preis.
Die Untersuchende Medas – Stelle hat mir eine IV – Rente empfohlen,Seit dem Beziehe Ich eine Volle 100 % IV – Rente. Erst kürzlich führte die IV Stellte eine Revision durch, dabei Stellten Sue fest das alles beim alten ist, Ein Freiwilliger Arbeitsversuch von mir, Scheiterte Leider, da Ich starke Psychische Probleme habe, Ich mache meine Arbeit, Ich gehe auch nach der Zusprache der IV – Rente, immer noch Regelmässig in die Psychiatrische Behandlung. Ich kann nicht schlechtes über die IV Sagen.
Da haben sie aber Glück gehabt Herr Köhl. Andere denen es auch sehr schlecht geht erhalten nichts. Da kann der Psychiater noch so lange schreiben, wenn die Medas anderer Meinung ist. Habe gerade so einen Fall in der Nachbarschaft.
Es ist dringend nötig, dass die medizinische Behinderung von der Politik strikt getrennt wird und ehrlich beschrieben wird:
„80% arbeitsunfähig, aber aus politischen Gründen gibt es nur 20% Rente und damit nichts.“ wäre wohl oft die Wahrheit.
Herr Cassis beschreibt selber die politische Komponente, die aber in keinem IV-Bescheid erwähnt wird, obwohl sie Realität ist. Eigentlich ist das aus meiner Sicht eine Betrügerei seitens einer Staatsstruktur.
Behinderung wird damit zum Spielball der Politik und verliert damit ihren menschlichen Grundwert.
Kommen Sie mal wieder runter, Herr Cassis: Selbst wenn man von den stark frisierten Missbrauchszahlen des BSVs ausgeht, beträgt der Missbrauchsanteil gerade einmal 0,2%. Es ist vollkommen egal, wie heftig wir auf diese paar Leute einprügeln: Am Finanzierungsproblem der IV ändert das absolut nichts.
„Weiter soll vor allem die zunehmende Zahl von Jugendlichen mit subjektiven Leiden genau abgeklärt werden, damit diese nicht automatisch mit psychiatrischen Diagnosen stigmatisiert werden.“
Und wenn jemand tatsächlich psychisch krank ist, ist es egal, dass er stigmatisiert wird, oder wie genau müssen wir das verstehen?