Weniger Schwyz, mehr Schweiz
Die Schweizer Bevölkerung will am bilateralen Weg festhalten. Das zeigt eine aktuelle Meinungsumfrage. Die EU allerdings denkt nach der Abstimmung vom 9. Februar nicht im Traum daran, die Personenfreizügigkeit neu zu verhandeln. Der Absagebrief der EU-Aussenbeauftragten Catherine Ashton war so eindeutig wie ein Kinnhaken. Überraschend ist das nicht. Denn auch in weniger komplexen Fällen führt die einseitige Abänderung von Verträgen nur selten zum Erfolg.
Der Bundesrat muss in den nächsten Monaten einen Weg aus der Sackgasse finden. Dies gelingt nur, wenn er einen innovativen Vorschlag für die Umsetzung der Zuwanderungs-Initiative aus dem Hut zaubert. Die sture Rückkehr zum System der Kontingente oder gar die Wiedereinführung des menschenunwürdigen Saisonnierstatuts würde den bilateralen Weg verbauen. Noch schlimmer könnte es mit Ecopop kommen. Diese Erbsenzähler-Initiative will die Brücken zu unseren Nachbarländern vollends abbrechen. Und sie will eine chaotische Ein- und Ausreisebürokratie kreieren, von der sich selbst die SVP-Fraktion im Bundeshaus schaudernd abwandte.
Abschaffung der Pauschalsteuer ist ein erster Schritt aus der Standort- und Steuerdumping-Misere.
Die radikale Ecopop-Vorlage kommt im November zur Abstimmung. Der Bundesrat hat sie in kluger Voraussicht mit der Initiative zur Abschaffung der Pauschalsteuer kombiniert. Wer sich – wie ich – über Zersiedlung, Bodenspekulation und steigende Mitzinsen ärgert, braucht in der Novemberabstimmung deshalb kein gefährliches Protestzeichen zu setzen. Nein, er kann etwas Sinnvolles tun. Die Abschaffung der Pauschalsteuer ist ein erster Schritt aus der Standort- und Steuerdumping-Misere, welche die Bevölkerungsentwicklung in vielen Gemeinden und Kantonen aus dem Gleichgewicht brachte.
Im Kanton Schwyz zum Beispiel. In diesem rechtsbürgerlichen Kanton ist die Bevölkerung seit 1970 doppelt so stark gewachsen wie in der restlichen Schweiz. Ausgelöst wurde der Boom durch eine Tiefsteuerpolitik für die Gutbetuchten, die in Scharen an den schönen Vierwaldstättersee zogen. Das Leben in der Steueroase hinterlässt seine Spuren: Villen, Einfamilienhäuser und Geschäftszentren stehen kreuz und quer in der Gegend herum. Wachsende Pendlerströme kämpfen sich durch den Stau nach Zürich, weil der öffentliche Verkehr sträflich vernachlässigt wurde. Ein Sparprogramm jagt das andere. Im letzten ging es auch den Bezügern von AHV/IV-Ergänzungsleistungen an den Kragen.
Interessant ist: Das Bevölkerungs- und Siedlungsbrei-Wachstum im Kanton Schwyz hat nichts mit der Personenfreizügigkeit zu tun. Schuld ist die Standortpolitik der Behörden. Mit M-Budget-Steuern und einem magersüchtigen öffentlichen Dienst wurden Reiche aus aller Welt angelockt. Doch die Stimmung kippt. Immer mehr Menschen in Schwyz halten den selbstversursachten Standortboom für einen Fluch und ein CVP-Regierungsrat wagt klare Worte. «Wir sind in eine Sphäre gerutscht, in der wir Geld vergöttern», sagte er in einem Interview. Man habe sich nur darauf ausgerichtet, etwa mit der Pauschalsteuer für reiche Ausländer. «Dagegen sträubt sich mein Gerechtigkeitssinn.»
Ende November haben wir die Möglichkeit, diesem verfassungswidrigen Steuerprivileg ein Ende zu setzen. Doch das ist nur der erster Schritt aus der Standort-Dumping-Misere. Weitere Steuerschlupflöcher müssen mit der Unternehmenssteuer-Reform III gestopft werden. Zentral ist auch die Verschärfung der Lex Koller als Mittel gegen die Bodenspekulation. Nur mit diesen Massnahmen – und mit einer Bildungsoffensive – bringen wir Wohnen und Arbeiten in der Schweiz wieder ins Gleichgewicht. Und dies ohne den Bruch mit unseren Nachbarländern.
22 Kommentare zu «Weniger Schwyz, mehr Schweiz»
Die Grünen leiern immer den gleichen Käse runter. Damit wird deren Propaganda auch nicht zur Wahrheit. Den mit Milliarden verhätschelten ÖV als vernachlässigt zu bezeichnen ist eine Frechheit. Der Stau entstand weil die Grünen jede Investition in den Privatverkehr verhindern und so überall ein „Bedürfnis“ für den ÖV erzeugen wollen wo gar keins bestand.
Treffender könnte ihr Kommentar nicht sein! Von einem vernachlässigten ÖV und einem magersüchtigen Service Public zu sprechen – das in der Schweiz und in Schwyz – zeigt, dass Frau Ritz nicht von dieser realen Welt stammt und Fakten einfach ignoriert werden können und im Blog ungeniert negiert werden dürfen. Jeglicher ökonomischer Sachverstand ist unterschlagen (oder nicht verbanden) und mit einem sympathischen Lächeln sind ungebremste Zuwanderung willkommen und die vollkommene Planwirtschaft ein Ziel.
Ein Parteikollege von Frau Rytz, Herr Glättli, hatte unlägngst in einem Interview folgende Lösung parat: „Eine neue grüne Stadt – das wäre doch ein Projekt für die Schweiz von 2020! Wenn die Bevölkerung jedes Jahr um die Anzahl Einwohner von St. Gallen wächst, dann ist doch das die Herausforderung: Bauen wir ein neues St. Gallen – nachhaltig, ökologisch, lebenswert.“ – Dies zeigt exemplarisch die völlige Realitätsferne der Grünen. Wir bauen bis 2020 nicht EIN neues St. Gallen, sondern SIEBEN! Wo bitteschön sollen wir diese denn hinstellen? Die Grünen wollen die 12-Mio-Schweiz. Unglaublich!
Die 12-Millionen-Schweiz ist utopisch. Viel realistischer ist die Einschätzung des SECO, das von 80…120 Millionen in 100 Jahren ausgeht. Nimmt man das gegenwärtige Bevölkerungswachstum (2.3%, Stand 2013) ergibt das nach einer einfachen Potenzrechnung 85 Mio. im Jahre des Herrn 2114.
Liebe Frau Rytz
Die Ecopop-Initiative ist nicht radikal. Radikal ist die zubetonierte und um 3 Millionen Menschen überbevölkerte Schweiz.
Das Foto ist schlecht gewählt: Schindlenbach gehört zur Gemeinde Arth am See (im Hintergrund ist der Zugersee zu sehen), und das ist definitiv keine Steueroase.
Was ich auf der Abbildung sehe, ist Arth am (Zuger)-see. Die meisten dieser mehr oder weniger hübschen Hüsli bzw. Villen sind aber weder am Zuger- noch am Vierwaldstättersee, sondern in der Gegend des oberen Teils vom Zürichsee zu finden. Ich kannte dieses Gebiet als kaum verbaute grüne Landschaft. Wenn die Hoffnung bereits gestorben ist, bleibt die Erinnerung, die zuletzt stirbt.
Regula Rytz hat offensichtlich die Steuerdaten und Statistiken falsch gelesen oder was viel wahrscheinlicher ist bewusst unterschlagen. Der Kanton Schwyz hat so gut wie keine Pauschalbesteuerten. Der Kanton GR und VS sowie VD sind die absoluten Könige der Pauschalbesteuerung. Ich bin auch kein Freund der Pauschalbesteuerung aber die rücksichtslose Verschleuderung von Steuergeldern in Bern und anderen Nehmerkantonen des NFA sind noch verwerflicher.
Wenn Frau Rytz die Bundeskassen wirklich entlasten wollte soll sie wie jeder anständige „gleichberechtigter Bürger“ bis 65J arbeiten!
Die Dame hat Recht was die Steuern angeht, aber leider Unrecht was die Einwanderung angeht. Die Pauschalbesteuerung gehört abgeschaft und die Steuern für die Reichen erhöht. Wo wollen den die Reichen hin? Wir haben Lebensqualität, dass kostet. Bei uns sind die Reichen inkl. deren Familien sicher, da
Wenigstens hat die gute Frau viel Phantasie und an schönen Worthülsen fehlt’s auch nicht.
In Sachen Nachhaltigkeit, Ökologie und Ökonomie fehlt’s dafür umso mehr.
Regula Rytz, so wie es scheint, nicht durch die Profitgier der Bauwirtschaft geblendet. Durch zu tiefe Steuern, bzw zu hohe Unterschiede in den Gemeinden und Kantone werden die schönsten gegenden der Schweiz massiv zubetoniert, die Wohnkosten für die ansässige Bevölkerung untragbar. Beispiel gibt es genug: Genferseeregion, Wallis, Luzern, Appenzell, usw. usw.
Wieviel Beton braucht es noch bis die Schweizer und Schweizerinnen aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen?
Ich war letzhin mit einem Schwyzer im WK (Ich bin Berner).
Meine Güte ist der über die Politik seines Kantons hergezogen. Er hat gesagt, seine Verwanten und bekannten lebten inzwischen kaum mehr im Kanton Schwyz weil sich die Mietpreise dort kein Mittelschichtler mehr leisten kann.
Am Schluss hats im Kanton Schwyz keine Schwyzer mehr. Und was hat dann die ganze Übung gebracht?
Es ist doch überall das Gleiche, nicht nur im Kanton Schwyz. Steuern runter für die Firmen, diese kommen gleich mit dem Personal aus dem Ausland, die Preise fürs Wohnen gehen rauf, und schon wohnt der Zuger nicht mehr in seinem Kanton. Das selbe passiert auch in Luzern, wenn man so weiter macht. Wo die Steuern genau gesenkt werden spielt keine Rolle. ZH ist f. Firmen attraktiv und wohnen tun die Managerli dann in Schwyz. Es lebe der Föderalismus!???
Offenbar fast alles Grüne hier in den Kommentaren. Die aber das falsche Mittel befürworten.
Fakt1: Es ist primär die (bürgerlich gesteuerte) Wachstumswirtschaft, welche nach zwingender Zuwanderung schreit. Ob via Steuer- oder Freizügigkeitspolitik, ist egal.
Fakt2: Wer die Phänomene des „Dichtestresses“ lindern will, muss über diese Auswüchse der politisch erzwungenen Wirtschaftsmigration reden.
Fakt3: Es sind UNSERE Ansprüche, welche die grössten Probleme verursachen, nicht jene der Dritten Welt.
Fakt4: Der Bundesrat mobilisiert mit der Gold-Initiative erst recht viele Ecopop-ja-Stimmen.
Im Kanton SZ sei die Bevölkerung seit 1970 doppelt so schnell gewachsen wie sonst in der Schweiz. Mit der Aussage dass die Pauschalsteuer daran schuld ist, würde heissen dass primär diese Individuen dort wohnen. Die Zahl wäre so hoch das nicht mal alle pauschalbesteuerten aufaddiert auf diese Zahl kämen, zum anderen hat SZ sehr sehr wenige Pauschalbesteuerte. Mit anderen Worten wird hier der Leser schlicht und einfach angelogen, wieder ein mal.
Politik ist die neue Religion… Die Polemik in den Kommentaren ist kaum auszuhalten. Wenn jemand eine klare politische Meinung hat entbindet dies NICHT vom eigenständigen Denken. Steuerkonstrukte die eigentlich eine degressive Steuer zulassen sollten von jedem einmal gründlich überdacht werden, unabhängig davon wie man sich politisch positioniert.
Bin zwar mit dem Kernthema einverstanden, aber wenn so fehlerhaft recherchiert/geschrieben wird, ist es bald ein Schuss in den eigenen Ofen…
1. Vierwaldstättersee?…. Ich mein… Vierwaldstättersee?
2. Es ist nicht der ganze Kanton Schwyz, es ist vorallem die Ausserschwyz.
3. Steuern sind das eine, aber die Region ist auch deshalb so attraktiv, weil eben keine Magersucht betrieben wurde. Z.B. hat Pfäffikon seit Jahren einen ÖV-Anbindung, von der andere immer noch nur träumen
4. Nur mit dem Fluch hat sie recht, die Eingessenen vertreibt’s…
Im Kanton Schwyz von einem vernachlässigten Service Public zu sprechen und damit gegen die Pauschalbesteuerung zu argumentieren, ist sehr gewagt. Gerade die Pauschalbesteuerten tragen durch ihre Grosszügigkeit vorab in den Schweizer Bergregionen massiv zu einem überdurchschnittlichen öffentlichen Angebot an Freitzeit- und Sporteinrichtungen sowie zu einem reichen Kulturleben bei. Das weiss auch Frau Rytz
Die verfassungskonforme Besteuerung nach dem Aufwand, wie sie in ähnlicher Form auch in anderen Ländern üblich ist, ist für das Schweizer Berggebiet sehr wichtig und unbedingt zu verteidigen.
Als Politikerin aus einem Kanton, der vom Geld anderer lebt, würde ich das Maul über den Erfolg anderer nicht so weit aufreissen. Zumal sich Schwyz erheblich sparsamer und bescheidener gibt als Bern, wo sich Regierungsmitglieder immer noch als gnädige Herren verstehen und sich auf Staatskosten eine Limousine plus eigenen Chauffeur leisten. Ich mag Rechtsbürgerliche und Pauschalsteuern ebenso wenig wie Frau Rytz, aber Bern ist mir bisher weder als besonders links noch als besonders fortschrittlich aufgefallen. Bringe den Kanton eher mit der SVP in Verbindung.
Man kann eben nicht alles haben:Reichen bis schwerreichen ausländischen Zuwanderern ein warmes Plätzchen bieten wollen (im Austausch für Steuern,die die meisten dieser Neoschwyzer aus der Portokasse zahlen) und dann auch noch einen halbwegs staufreien Personennahverkehr errichten?Beides zugleich geht offenbar nicht.
Es ist ein allgemeines Problem der Schweizer Politik.In der ganzen Schweiz sind die Steuersätze nicht annähernd ausreichend, um die Staatsausgaben zu finanzieren.
Es ist Zeit jetzt dafür zu sorgen, dass die Vermögensgruppen ihrer wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechend besteuert werden.
Was bedeuten würde, dass zum Beispiel die 10% der Bevölkerung, in denen sich 90 % des Volksvermögens befindet, auch zu 90 % für die Staatsausgaben aufkommen müssen.
Tatsächlich liegt diese Quote eher bei 70%, Tendenz fallend.
Frau Rytz braucht offensichlich die SVP und CVP-Politiker, weil sie keine eigenen Argumente hat. Bei der USTR3 spricht sie von ‚Löcher stopfen‘ statt Klartext zu reden. Es darf keine weiteren Steuersenkungen geben! Weder für Reiche noch für Unternehmen. Wenn wir ein vernünftiges Verhältnis bei der Zuwanderung erreicht haben, kann man wieder darüber reden.
Dass man den ÖV vernachlässigt hat, scheint auf eine Wahrnehmungsstörung zurückzuführen sein. In der S-Bahn (z.B. Züri – Winti) ist ab 19:30 oft nicht mal der halbe Zug besetzt. Trotzdem Halbstundentakt. Das ist Energieverschwendung. Grün??