Politisches Risiko und humanitärer Skandal

Autsch! Diese 8,8 Milliarden Dollar tun richtig weh. Und zwar nicht nur der von den USA abgestraften Grossbank BNP Paribas, sondern auch dem reputationsmässig eh schon angeschlagenen Rohstoffplatz Schweiz. Grund für diese völlig legitime Rekordbusse sind nämlich äusserst lukrative Sanktionsumgehungen bei der von Genf aus getätigten Finanzierung von Rohstoffdeals, in diesem Fall mit unter US-Wirtschaftsembargo stehenden Staaten wie dem Sudan und dem Iran.

Wir hätten wirksame Hebel, um die humanitäre Dauerkatastrophe des Rohstoff-Fluchs massgeblich zu mildern.

Die schwächsten in der Handelskette: Kinder in der Zentralafrikanischen Republik beim Goldschürfen. (Foto: Emmanuel Braun/Reuters)

Diese schamlose Fortführung eines Geschäftsmodells, das schon Marc Rich zunächst erfolg- und dann folgenreich praktiziert hat, illustriert zwei für die politische Schweiz zentrale Tatsachen:

  • Die strukturelle und ethische Verzahnung von Finanz- und Rohstoffplatz.
  • Bei fast jedem globalen Rohstoff- und Finanzskandal führt die heisseste Spur in die Schweiz.

Diese Alarmsignale beunruhigen – zunehmend und zu Recht – auch den Bundesrat. Das zeigte bereits sein letztes Jahr publizierter «Grundlagenbericht Rohstoffe» und mehr noch ein Sektor übergreifender Bericht zur Thematik Unternehmen und Menschenrechte von Ende Mai. Dieser enthält die explizite Anerkennung, dass unsere «Position als weltweit führender Handelsplatz (…) bezüglich der Einhaltung von Menschenrechten, Umwelt- und Sozialstandards eine Herausforderung (bedeutet)». Letzte Woche wurde nun gar nachgelegt: In ihrer Antwort auf ein Postulat der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats konzedierte die Regierung «eine besondere Verantwortung, die internationalen Bemühungen für mehr Transparenz zu unterstützen. Durch die Einführung von Transparenzregeln könnte die Schweiz dazu beitragen, dass Korruption effizienter verhindert bzw. aufgedeckt werden kann und Regierungen die Einnahmen aus dem Rohstoffgeschäft im Interesse der Allgemeinheit einsetzen.» Mit anderen Worten: Das Mutterland vom Roten Kreuz hätte wirksame Hebel, um die humanitäre Dauerkatastrophe des sogenannten Rohstoff-Fluchs massgeblich zu mildern. Dieser Begriff steht für die Tatsache, dass ressourcenreiche Entwicklungsländer und ihre Bevölkerungen durch vermehrte Korruption, wachsende Ungleichheit und Konflikte unter ihrem Reichtum eher leiden als davon zu profitieren.

Doch politisches Problembewusstsein und konkrete Lösungsbereitschaft klaffen in Bern immer noch kilometerweit auseinander. So kündigt der Bundesrat in seiner aktuellen Stellungnahme zwar an, die für alle Beteiligten risikoreiche Schweizer Transparenzlücke im globalen Rohstoffgeschäft rasch schliessen zu wollen. Aber ausgerechnet der in Zug und Genf gesteuerte Rohstoffhandel soll von einer künftigen Regulierung ausgenommen werden. Diese würde damit zum überflüssigen, unwirksamen Alibi-Gesetz. Denn ihre Finanzflüsse bei Förderaktivitäten müssen die grossen von der Schweiz aus operierenden Rohstoffunternehmen sowieso offenlegen, weil sie wegen Mutterholdings in der EU oder – seltener – EU/US-Börsenkotierung unter deren Transparenz-Regime fallen.

Wie in anderen Situationen, wo inakzeptable Schweizer Geschäftsmodelle unter wachsenden internationalen Druck geraten sind, greifen also auch hier die helvetischen Politreflexe des Aussitzens und – wenn es finanziell und reputationell gar nicht mehr anders geht – eines pseudo-autonomen Nachvollzugs. Tatsächlich will der Bundesrat darauf warten, dass deutlich kleinere Handelsplätze in dieser für rohstoffreiche Entwicklungsländer existentiellen Frage vorangehen. Dabei wäre eine solche Zahlungstransparenz, mit der Schweizer Unternehmen lediglich die zivilgesellschaftliche Korruptionsprophylaxe unterstützen würden, für Glencore & Co wie auch für unseren Wirtschaftsstandort völlig schmerzfrei. Doch der Bundesrat verweigert jegliche Führungsrolle. Bleibt die Frage, wie viele Negativschlagzeilen und Strafmassnahmen es noch braucht, bis politische Vernunft und humanitäre Tradition endlich über ökonomischen Opportunismus siegen.

14 Kommentare zu «Politisches Risiko und humanitärer Skandal»

  • M. Pfisterer sagt:

    Ich gebe ihnen Recht Herr Classen – hier wären Regulierungen von Seiten der Schweizer Politik unbedingt von Nöten. Es ist deprimierend zu sehen, wie internationale Firmen in Zusammenarbeit mit korrupten Politikern auf Kosten von Umwelt und Bevölkerung Rohstoffe ausbeuten. Ja hier müssen wir als Schweiz geradezu etwas tun.

  • Josef Marti sagt:

    Ziel des Establishments von Banken und Mulits sowie ihrer gekauften Lakaien in Bern ist die vollständige Auslieferung der CH in die Geiselhaft der Rohstoffmultis, zu diesem Zweck wird die UStR III propagiert.

  • D. Ryter sagt:

    Mit dieser Haltung bezweckt man eben, dass diese Firmen hierher kommen und auch bleiben. Tant pis für die geschädigten Menschen: Zynismus als politisches Leitprinzip.

  • Maria Halder sagt:

    Die humanitaere Katastrophe ist haupsaechlich verursacht durch die Korruption gewisser schwarzer Despoten, die die Macht über ihre Länder und damit Ressourcen haben. Es wird einmal Zeit, dass man diese Herren zur Verantwortung zieht. Ich bin durchaus auch dafür, dass Rohstoffhändler mehr überwacht werden, im Interesse der Schweiz. Aber Geldmachen ist kein reines Schweizer Geschäftsmodell, sondern die Regel weltweit. Natürlich wissen dies ultralinke Studenten nicht, da sie noch nie wirklich etwas zum Bruttosozialprodukt beigetragen haben. Dafür sind sie gut im Gebrauch von abstrusen Floskeln.

    • Clemens Tuor sagt:

      Frau Halder, klar schlussendlich sind es die korrupten Leader, welche sich bereichern und die humanitäre Katastrophe verantworten. Allerdings sind sich die grossen Rohstoffmultis durchaus bewusst, mit wem sie ihre Geschäfte machen und übernehmen keinerlei Verantwortung für die Konsequenzen, obwohl man als grosse MNC durchaus Druck ausüben könnte. Eine kleine CSR-Abteilung reicht da eben nicht. Natürlich haben Sie Recht, Geld regiert die Welt. Aber um dies zu kritisieren muss man nicht gleich ultralinker Student sein, weswegen ich auch Ihren Seitenhieb im Zusammenhang nicht ganz verstehe.

  • Erich Meier sagt:

    Der ewige linksgrüne Alarmismus nervt langsam nur noch. Es ist doch genau gleich wie mit den Banken: Ausländische Konkurrenten und Neider erreichen mit Hilfe selbsternannter einheimischer Moralisten einzig, dass schmutzige Geschäfte inkl. die damit verbundenen Arbeitsplätze ins Ausland ausgelagert werden. Die Welt wird damit keinen Deut besser.

    • Margot sagt:

      Von den Rekordbussen der Banken haben Sie nichts gehört? Die kommen nicht von den einheimischen Moralisten!
      Die Rohstoffmultis haben in der Schweiz nur ein paar wenige Büroangestellte und Reinigungspersonal. Steuern bezahlen die nicht, dank Herrn Alt BR Merz mit seiner eingeführten UStR II.
      Ich frage mich schon lange, worin der Nutzen für die Gesellschaft bei solchen Unternehmen ist.

  • Bernd Schlemm sagt:

    Jetzt braucht man nur noch die schweizer Direktdemokratie aufzugeben,
    uns schon sind wir da, wo die anderen jetzt schon sind.
    Allerdings drischt da so gut wie niemand auf seine Versorgungsunternehmen
    ein. Dies geschieht hier geradezu schon lustvoll.

  • Dorothée Meier sagt:

    Rohstoffe gehören allen, und sollten von NGOs „verwaltet“ werden. Deshalb sollte ein globales Gesetz eingeführt werden, dass sämtliche Gewinne nur für Investitionen sowie Forschung + Entwicklung eingesetzt werden dürfen. Weiter müssten die Arbeitgeber in diesen Ländern verpflichtet werden, dass die Menschen einen guten Lohn, Investionen in Infrastruktur und Bildung einzusetzen, bis ein lebenswertes Niveau erreicht wird. CH Banken sollte verboten werden Geld von Leute anzunehmen die Kriegführen oder korrupt sind.

    • iskra sagt:

      Richtig, Frau Meier, Rohstoffe gehören allen, Ja, und wie ist das mit dem Boden ? Solange der Boden, das Land nicht allen gehört, bleibt dieser Wunsch ein Wunsch. ( Betrifft ja nicht nur Rohstoffe, auch Boden zum Bebauen und Wohnen !

  • Georg Keller sagt:

    Das kolonialistische, überhebliche Getue hier nervt. Es ist die Entscheidung der jeweiliegen Länder, mit wem und wie sie Geschäfte machen.
    Diese Leute alle als korrupt und dumm abzustempeln geht nicht. Es geht uns übrigens nicht an. Alternativ könnte man ein Söldnerherr einmarschieren lassen und anschliessen könnten die NGO’s die Macht übernehmen.

  • Sägesser Barbara sagt:

    Tja, die wirtschaftsfreundliche, bürgerlich-konservative Politik schaut schon zu ihresgleichen. Dies zeigt der Artikel wunderschön auf. Die Konsequenzen (Migrationsströme z.B.) sieht man wunderbar. Nächstes Jahr sind wieder Wahlen. Also gut überlegen wen man wählt. Ich denke es ist Zeit, dass ein Umdenken stattfindet, welches weg von Profit-Gier und Geiz-ist-Geil lenkt. Eine gerechtere Verteilung, mehr Sorge zur Umwelt tragen, mehr soziale Verantwortung und die Migrationsströme könnten weniger werden…

    • André Dünner sagt:

      Dies sehe ich ähnlich. Wir sprechen allesamt von Menschen selbst gemachten Vorzügen und Benachteiligungen.

      Da der Mensch wirkt wie es der Mensch nun mal macht, vielfach egoistisch auf Eigenvorteil gerichtet an Grundwerten und
      -stoffen herumwerkelt, kommt ein uns übergeordnetes System in Zugzwang. Wir leben seit geraumer Zeitspanne nicht mehr nur mit und von der Welt, wir laben in einer mathematisch (ver-) geteilten Welt.

      Dort liegt vielfach die Schwierigkeit. bei der Rechnung 1 + 1 = 2 Denn dort. sind die Folgekosten nicht mit einkalkuliert. Bewusst oder nicht.

      Auch dies ist menschlich.

  • Peter sagt:

    Beweise? Wozu auch!
    1. Schaut mal, was Glencore beispielsweise in Chile aufgebaut hat: Wohnsiedlungen, Schulen, Schutzmassnahmen in den Minen und örtlich faire Löhne. Während die Regierung die Mafia gewähren lässt.
    Jede Regierung entscheidet frei, mit wem sie zusammenarbeitet – oder eben nicht.

    PS: Und die teuersten und knappsten Rohstoffe brauchen wir übrigens dringend, um Solarpanels zu bauen 😉

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