Geheuchelte Empörung

Die Credit Suisse zahlt in den USA fast drei Milliarden Busse, weil sie systematisch amerikanischen Bürgern geholfen hat, Steuern zu hinterziehen. Nun kann sie zumindest einen Teil dieser Summe vom Gewinn und damit indirekt von den Steuern abziehen. Darüber sind viele empört – auch Politiker verschiedener Parteien, die ihrem Ärger in der soeben abgelaufenen Session mit Vorstössen Luft gemacht haben. Die Empörung ist auf den ersten Blick verständlich, sieht es doch so aus, wie wenn die Steuerzahler die Zeche für die nach ausländischem Recht illegalen Machenschaften der Banken bezahlen müssten. Bei genauem Hinsehen ist allerdings ziemlich viel Heuchelei im Spiel.

Unter dem Titel «Alle wussten, was die Banker taten» hat Redaktionskollege Bruno Schletti überzeugend dargelegt, dass die Verwaltung von ausländischem Schwarzgeld jahrelang zum Geschäftsmodell vieler Schweizer Banken gehörte. Es war nicht nur allgemein bekannt, was die Banken taten, es haben auch viele davon profitiert – nicht zuletzt die öffentliche Hand, deren Steuereinnahmen dank den Milliardengewinnen des Finanzplatzes kräftig gesprudelt sind. Obwohl ein schöner Teil dieser Steuereinnahmen aus denselben Geschäften stammte, für welche vor der CS schon die UBS gebüsst worden ist, mochte sich niemand empören.

Es war nicht nur allgemein bekannt, was die Banken taten, es haben auch viele davon profitiert.

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Goldgrube am Paradeplatz: Die Millionengewinne der Grossbanken haben jahrelang das rot-grün regierte Zürich mitfinanziert. (Foto: Keystone)

Den linken Parteien ist immerhin zugutezuhalten, dass sie die Banken seit langem kritisieren und die Abschaffung des Bankgeheimnisses gefordert haben. Aber auch linke Exekutivpolitiker haben die Steuergelder aus den Hinterziehungsgewinnen noch so gerne einkassiert. So etwa das rot-grüne Zürich, das sich seine städtische Wohlfühloase jahrelang von den Steuermillionen der Bahnhofstrasse mitfinanzieren liess. Oder die frühere Aussenministerin Micheline Calmy-Rey, die seit einiger Zeit für den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen wirbt. Als sie noch Genfer Finanzdirektorin war, hat sie sich hingegen bestens mit dem Bankgeheimnis arrangiert. Weil sie jene Steuergeschenke, die sie so beliebt gemacht haben, ohne die Gewinne der ebenso noblen wie diskreten Genfer Privatbankiers nicht hätte finanzieren können.

Die Bussen der Grossbanken in den USA sind letztlich nur die Kehrseite ihres langjährigen Geschäftsmodells. Es hat daher auch eine gewisse Logik, dass sie nun den Steuerertrag der Banken mindern. Die Politiker, die sich früher nicht an den hohen Gewinnen gestört haben, sollten sich daher jetzt auch nicht über die Abzugsfähigkeit der Bussen empören. Sondern hoffen, dass es künftig keine solchen Bussen mehr geben wird, weil die Banken ihr Geschäftsmodell geändert haben.

9 Kommentare zu «Geheuchelte Empörung»

  • Nicolas sagt:

    Alle haben profitiert nur die oberste führung der bank wusste nichts davon, kassiert haben sie trotzdem

  • Frank Meier sagt:

    Trifft den Nagel aber so was von auf den Kopf! Alles Heuchler diese Poltiker. Noch schlimmer als Banker….

  • Hedy CAHEN sagt:

    Man sagt; Wachstum sei nötig, doch wo ist dieser mit diesen „Horror-Bussen“? Zurück zu mehr Aufrichtigkeit und gesundem Menschenverstand!

  • Richard Marti sagt:

    Ihre Analyse ist falsch und entspricht ja genau der Argumentationslinie der Hochfinanz-Klientelparlamentarier (spannend für einen Linken). Denn eine Strafe hat immer einen Strafzweck, der ja durch den Abzug ja vermindert wird. Stichwort: Steuerersparnis durch kriminelles Verhalten. Der Staat darf davon ausgehen, dass die Wirtschaftssubjekte in der Legalität operieren. Insbesondere haben dies ja die Banken immer beteuert, wenn sie sich gegen strengere staatliche Regulierungen wehren. Ebenso gilt in einem Rechtsstaat immer die Unschuldsvermutung und nicht der Generalverdacht – auch für Banken!

  • J Berthel sagt:

    Die ach so ab- und aufgeklärte Kritik an den Heuchlern kommt mit etwas gehäuchelt vor. Wie kann man bloss so denkfaul sein? Die rot/grünen Regierungen/das Volk hätte(n) also auf die Steuereinnahmen verzichten sollen, so den Banken noch grössere Gewinne ermöglicht und dann troztdem die Steuereinbussen schlucken müssen. Wenigstens kommen die Steuern dem Volk zugute, die Banker haben sich privat bereichert. Auch wenn Herr Lenzin sich an der – wie von ihm reichlich tendenziös und reduktiv ausgedrückt – „rot-grünen Wohlfühloase“ stören mag: Unrecht und Unrecht ergibt noch kein Recht.

    • urs lehmann sagt:

      Nein, sie hätten die illegalen Praktiken abstellen sollen. Und nicht noch fördern, wie bspw Blocher der das Bankgeheimnis in die Verfassung schreiben will. Im Nachhinein wie die CS-Führung zu behaupten, man hätte von allem nichts gewusst, ist nichts als scheinheilig.

      • urs lehmann sagt:

        Was ich damit meine ist: Alle haben’s gewusst, und alle haben das Geld gerne genommen. Rechte wie Blocher, aber auch Linke.

        Non olet.

  • Leontine Bachmann sagt:

    Eine Mitschuld der Linken zu konstruieren, nur weil deren Politiker als Exekutiv-Mitglieder auch Steuergelder der Banken verwalteten, entbehrt jeder Logik. Was hätten den die linken Exekutiv-PolitikerInnen Ihrer Meinung nach tun sollen? Die Banken von ihrer Steuerlast befreien? Das ist 1. nicht möglich und 2. blanker Unsinn. Das aktuelle Schlamassel haben die bürgerlichen Apologeten der Steuerhinterziehung alleine verbockt!

  • Jack Stoffel sagt:

    Lieber Herr Lenzin; da ist Ihnen in Ihrer redaktionellen Wohlfühloase eine Glanzidee eingefallen, mit der ich absolut einverstanden bin: Linke Regierungsräte sollten aus Gewissens- und Konsequenzgründen keine Steuergelder von Banken annehmen dürfen.
    Nun aber ist der Finanzminister meines Kantons ein Rechtsbürgerlicher und schimpft seit Jahrzehnten heftig über Linke wie mich. Ich fände es eigentlich auch richtig und hätte nichts dagegen, wenn es ihm unter diesen Voraussetzungen verboten wäre, Steuern von mir anzunehmen. Soll ich ihm das erklären oder tun Sie es?

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