Bremst du noch oder stehst du schon?

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Zwei Finger an der Bremse, drei am Lenker: Mit Scheibenbremsen lässt es sich dosiert und kontrolliert bremsen. Foto: iStock

Normalerweise geben Mountainbiker und Rennvelofahrer alles dafür, ihr Bike leichter und schneller zu machen. Die Bremse ist das einzige Bauteil, das gezielt langsamer machen soll. Und diese Aufgabe erfüllt die hydraulische Scheibenbremse am besten. Sie hat die stärkste Bremskraft, lässt sich präzise und feinfühlig dosieren und funktioniert auch noch bei nassen oder dreckigen Bedingungen zuverlässig.

Natürlich gibt es gerade bei Rennvelos und Gravelbikes auch Nachteile gegenüber der «klassischen» Felgenbremse: das Disc-System ist etwas schwerer und auch etwas aufwändiger zu warten. Hinzu kommt, dass Scheibe nicht gleich Scheibe ist. Je nach Einsatz und persönlichen Vorlieben hat man die Wahl beim Disc-Durchmesser, bei der Kolbenanzahl (zwei oder vier) und natürlich beim Hersteller. Führend sind hier Shimano, Sram und Magura. Bevor man sich für ein Modell entscheidet, sollte man zu allererst klären, wo, wie und von wem die Bremse genutzt wird.

Je grösser, desto kraftvoller

Allgemein gilt: je grösser die Scheibe, desto mehr Kraft hat sie. Den grössten Anteil an der Verzögerung hat die Bremse am Vorderrad – aus diesem Grund ist die Scheibe in der Regel auch grösser als die am Hinterrad. Bei den meisten Trail- und Allmountainbikes ist ihr Durchmesser 180 Millimeter. Es gibt aber auch Faktoren, bei denen man vorn auf eine Scheibe mit 200 Millimetern wechseln sollte: hohes Fahrergewicht, aggressive und schnelle Fahrweise, lange Abfahrten oder ein antriebsstarkes aber schwereres E-MTB.

Neben der Grösse der Scheibe verändert auch die Kolbenanzahl die Bremsleistung. Verbreitet sind hier die Varianten mit zwei oder vier Kolben. Der Unterschied: Bei einer Bremse mit zwei Kolben werden die beiden Bremsbeläge von links und rechts jeweils von einem Kolben gegen die Scheibe gepresst, bei einer Vier-Kolben-Bremse sind es auf jeder Seite zwei, wodurch sich der Druck des Bremsbelags auf eine grössere Fläche verteilt. Er liegt also plan auf der Scheibe auf, es können weniger Vibrationen entstehen, die Bremspower ist grösser. Der einzige Nachteil des Vier-Kolben-Systems: es ist schwerer als die Variante mit zwei Kolben.

Montiert und einsatzbereit

Hat man sich für die passende Bremse entschieden, gibt es für die erste Fahrt noch ein paar Dinge zu beachten. Die Bremse braucht etwas Zeit, bis sie ihre volle Bremskraft entfalten kann. Man muss sie einbremsen, damit sich die Oberflächen von Scheibe und Belag anrauen und aneinander anpassen:

Erst danach hat die Scheibenbremse ihre volle Power. Voraussetzung: Man bremst richtig. Kontraproduktiv für die Verzögerung ist, wenn der Biker die Bremse während der gesamten Abfahrt schleifen lässt. Dadurch entsteht vor allem Wärme. Wärme, die durch das sogenannte «Fading» zum Bremskraftverlust führen kann. Aus diesem Grund sollte man die Disc immer nur gezielt und dosiert einsetzen. Mit wenig Fingerkraft lässt sich dennoch ein grosser Effekt erreichen. Die ideale Handstellung ist deshalb auch: ein, maximal zwei Finger an der Bremse, der Rest umgreift den Griff für mehr Kontrolle.

Luft raus, Bremskraft rein

Jetzt gibt es für die absolute Verzögerung nur noch eins zu beachten: die Wartung. Sprich: Beläge rechtzeitig wechseln und Entlüften. Es kann vorkommen, dass Luft in das geschlossene Hydrauliksystem dringt. Dann verliert die Bremse an Power. Der Druckpunkt wird schwammig, oder noch schlimmer: die Bremsleistung nimmt rapide ab. Klar, die Wartung einer Scheibenbremse ist definitiv aufwändiger als die einer Felgenbremse. Es dauert, bis die Luft aus der Leitung ist. Bei einem grossen Service sollte die Bremsflüssigkeit (je nach Hersteller DOT oder Mineralöl) komplett getauscht werden. Für versierte Schrauber ist das sicherlich keine Herausforderung. Magura verspricht eine Schnellentlüftung in gut zwei Minuten:

Ungeübte sollten dafür aber eher eine Werkstatt aufsuchen. Denn auch wenn die Bremse das Bike langsam macht – das sollte sie absolut zuverlässig tun.

Bei Mountainbike ist die Lage klar: Gebremst wird mit Scheibe! Aber braucht es das beim Rennvelo? Würden Sie auf Scheibenbremsen wechseln?

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8 Kommentare zu «Bremst du noch oder stehst du schon?»

  • I Baumgartner sagt:

    „Führend sind hier Shimano, Sram und Magura“
    Das kann ich so nicht unterschreiben. Keiner der Marken kommt mir jemals wieder ins Haus.
    Ich fahre seit 2001 Scheibenbremsen. Vornehmlich Bremsen von Hope.
    Wenn an meinem jetzigen Bike keine Shimano verbaut gewesen wäre, hätte ich immer noch keine von denen. Sonst finde ich deren Komponenten ja ganz gut. Aber die Bremsen sind hässlich und noch dazu Fehleranfällig.
    Wenn ich das Bike am Vorderrad aufhänge, verschwindet am Hinterrad der Druckpunkt und ich muss pumpen bis er wieder kommt. Warum auch immer. Luft im System hat es keine.
    Die alte XT von 2003 war eine tolle Bremse. Das heutige Zeug möchte ich nicht geschenkt.
    Ich bleibe bei Hope. Habe damit einfach die besten Erfahrungen gemacht.

    • Gerry Diethelm sagt:

      Mit „führend“ ist hier wohl Marktanteile und Auswahl gemeint. Ob die Bremsen von Hope besser oder schlechter sind kann ich nicht beurteilen. Aber es gibt sie in den Farben orange, schwarz, rot, blau, violett und silber. Wer darauf Wert legt….

      Wenn der Druckpunkt verschwindet und durch Pumpen wieder kommt ist eindeutig Luft im System. Das kann z.B. passieren wenn man die Bremsflüssigkeit wechselt und dabei noch Luft in der Spritze war. Abhilfe ich recht simpel: Einfach den Trichter mit Bremsflüssigkeit in die Einfüllöffnung des Hebels schrauben und pumpen bis keine Luftblasen mehr aufsteigen.

  • Dino Müller sagt:

    Sram RE-Bremsen für Elektro-Bikes
    Ich habe ein neues E-Bike für viel Geld gekauft. Das Bike brauche ich sowohl für die Arbeit wie auch zum biken.
    Ich habe gestaunt, als ich das Bike nach einer längeren Pause wieder benutzen wollte. Die Bremsen haben nicht mehr funktioniert. Gemäss Händler ein altbekanntes Problem, Dichtungsringe eines Kolbens im Bremshebel waren defekt.
    Der Händler bot mir an, auf Shimano zu wechseln, wenn ich keinen Ärger mehr haben wolle… Kosten rund 700 Fr.
    Die Schweizer Vertretung von Sram Bremsen, die Firma Amsler, bot mir ein Auswechseln der Bremsen an. Wartezeit mindestens 1 Monat, der Wechsel auf einen anderem Typ von Sram Bremsen gehe nicht, weil nur die RE-Bremsen für E-Bikes zugelassen sein (sic!)
    Mein Fazit: Hände weg von Sram Bremsen.

  • Raphael sagt:

    Noch ein kleiner Tipp bezüglich Fahrtechnik: Beu hydraulischen Scheibenbremsen reicht ein Finger am Bremshebel (nicht 2 wie unter dem Bild erwähnt). Dadurch hat man auf holprigen Trails den Lenker besser im Griff und meiner Meinung nach (nach der Umgewöhnungsphase) sogar eine etwas bessere Dosierbarkeit der Bremse. Auch nur mit dem Zeigefinger kann man die Räder locker zum blockieren bringen, die Bremskraft ist also gewährleistet.

    Allen viel Spass auf dem Rad

  • Hotel Papa sagt:

    Über die Verzögerungslesitung meiner Magura-Bremsen kann ich nicht schimpfen. Über das „Rubbeln“ schon. Gehört bei diesem Typ offenbar dazu…
    .
    Ich möchte trotzdem nichts mehr anderes als Scheiben. Um Grössenordnungen zuverlässiger und wirkungsvoller als Felgenbremsen.
    .
    Bin allerdings nicht Gümmeler, sondern Alltagsvelofahrer (8..10’000 km im Jahr), und lege auch bei anderen Komponenten mehr Gewicht (wortwörtlich) auf Zuverlässigkeit und Wartungsfreundlichkeit.

  • Laura von Waltenstein sagt:

    Der Mann auf dem letzten Video hat ein sehr gequältes Lächeln
    Trauriger

  • Eduard J. Belser sagt:

    Ich fahre einen der ganz wenigen Hinterrad-Nabenmotorantriebe mit Rekuperationsbremse und benutze diese gerne und intensiv. Ich habe mir eine entsprechend sanfte Fahrweise angewöhnt. Das schont die Scheibenbremsen und hält sie bei längeren Talfahrten kühl für Notfälle. Als Vielfahrer muss ich trotz dieser Fahrweise mehrmals im Jahr die Scheibenbremsen warten lassen. Der Wechsel von mechanischen auf hydraulische Scheibenbremsen hat sich gelohnt. Diese sprechen feiner an. Mit dem Wechsel von einer vorsintflutlichen, klapprigen Kettenschaltung auf eine Pinion-Getriebeschaltung am Tretlager ist das Antriebs- und Bremssystem nun wirklich durchoptimiert. Das Mehrgewicht stört nicht. Es wird durch meinen Gewichtsverlust durch das häufigere fahren mehr als kompensiert.

  • Sportsmann sagt:

    Bin auf meinem BMC Rennrad mir Scheibenbremsen (Shimano Ultegra) unterwegs und sehr zufrieden. Mir gefällt die Optik und Bremsleistung (trocken und nass). Allerdings bemerkt man bei langen Passabfahrten, dass die Scheiben sehr heiss werden und etwas quitschen. Bei vielen Veloclubfahrern sind die Scheiben verpönt (Optik, Gewicht, Gewohnheit, etc.).

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