Ein haariges Vergnügen

  • Tourengehen ist auf dem Weg zum Volkssport. (Foto: Jonathan Viey)

  • Bei der Ausrüstung sind gute Steigfelle gefragt. (Fotos: Pomoca)

  • Hausgemachte Steigfelle: Schweizer Hersteller wie Pomoca dominieren den Markt.

Wenn die ersten Alpinskifahrer sich bereits den Frühling herbeisehnen, geht für die meisten Skitourengeher die Saison erst so richtig los. Einsam ziehen die Wintersportler ihre Spur hinauf zu entlegenen Gipfeln, geniessen oben das Panorama und freuen sich darauf, im Pulverschnee mit einem Schleier aus flirrenden Kristallen talwärts zu gleiten.

Vor 20 Jahren war das noch ein exklusives Vergnügen einiger weniger Alpinisten. Heute ist Tourengehen auf dem Weg zum Volkssport. In einem in Europa und den USA insgesamt stagnierenden, teils sogar rückläufigen Skimarkt zählt Skitourengehen zu den Wachstumssegmenten. Das bestätigt auch Josep Castellet, Geschäftsführer beim Schweizer Steigfellhersteller Pomoca: «Die letzten zwei Saisons sind sehr gut gelaufen, und ich schätze, dass der Markt zwischen 15 und 20 Prozent pro Jahr gewachsen ist.»

Respekt vor Lawinen

Das sind beachtliche Wachstumszahlen. Dass es nicht noch mehr sind, könnte auch der Tatsache geschuldet sein, dass viele Wintersportler zu Recht einen gesunden Respekt vor den Themen Tourenplanung und Lawinenrisiken haben. Hinsichtlich Material gibt es zwar einige Basisinvestitionen. Sind diese aber erst einmal getätigt, ist die Ausübung des Sports vergleichsweise günstig – ganz im Gegensatz zum Pistenskifahren. Bevor man sich in Unkosten stürzt, kann man sich die nötige Sicherheitsausrüstung (Lawinenverschüttetensuchgerät LVS, Lawinenschaufel und -sonde) zu Beginn auch mal auf Leihbasis beschaffen – beispielsweise auf einer von den zahlreichen Sektionen des Schweizer Alpen-Clubs (SAC) durchgeführten Schnupperskitouren oder bei einem spezialisierten Fachhändler wie Bächli Bergsport.

Es braucht nicht viel

Zur Grundausstattung gehört ein Skitourenschuh mit beweglichem Schaft (für die erste Schnuppertour kann man auch den Pistenskischuh verwenden, bei dem man alle Schnallen öffnet, um etwas Bewegungsfreiheit zu gewinnen), ein Touren- oder breiter Allmountainski, mit ausreichender Breite und aufgebogener Spitze, damit der Ski in unverspurtem Schnee genügend Auftrieb gewährleistet. Der grösste Unterschied liegt allerdings in der Bindung, die über eine Gehfunktion verfügt und natürlich ein Steigfell, das in der Vorwärtsbewegung möglichst kraftlos gleitet und gleichzeitig Schritt für Schritt ein Abrutschen nach hinten verhindert. Die meisten Tourengeher beschäftigen sich interessanterweise erst dann intensiv mit dem Thema Steigfell, wenn sie schon fluchend am Berg stehen, weil der Kleber die Haltekraft einbüsst, sich hartnäckige Stollen bilden oder die Steigfelle die Haltekraft vermissen lassen und durchrutschen. Jedes einzelne Problem kostet nicht nur Nerven, sondern auch Energie.

Schweiz – Hochburg der Fellhersteller

Josep Castellet.

Interessanterweise ist die Schweiz eine Hochburg der Fellhersteller mit gleich drei globalen Anbietern: Colltex, Montana und Pomoca. Weshalb die drei Hersteller auch heute noch in einem Hochpreisland wie der Schweiz produzieren können, erklärt Josep Castellet, Geschäftsführer beim Schweizer Steigfellhersteller Pomoca, in unserem Kurzinterview:

Die Schweiz ist Standort von drei der weltweit wichtigsten Fellhersteller. Ist das Zufall?
Dafür gibt es historische und technologische Gründe. Pomoca begann 1933 mit der Fellherstellung, Colltex in den 50er-Jahren. Diese zwei Marken sind seither die Taktgeber dieser Branche. Grundsätzlich sind Skisteigfelle sicher eher komplexe Produkte im Hinblick auf Zusammenstellung, Technologie und chemische Inhalte. Standardisierte Produktionsprozesse oder Maschinen, wie z.B. bei der Herstellung von Ski, gibt es nicht. Die Schweiz ist in dieser Hinsicht ein wettbewerbsfähiges Land.

Pomoca-Werkstatt. (Foto: Pau Costa)

Wie schafft es ein Schweizer Hersteller wie Pomoca, trotz hoher Lohnkosten kompetitiv zu bleiben?
Wir sind möglicherweise die «industrialisierteste» Fellmarke, die es gibt. Wir arbeiten mit modernsten Maschinen, die uns helfen, die Produktivität zu steigern. Vielleicht ist es auch ein Mythos, dass die Schweizer Lohnkosten so hoch sind. Wenn wir auch die Anzahl Feiertage, Arbeitszeiten, Ferientage und Lohnnebenkosten berücksichtigen, ist der Unterschied zum nahen Ausland nur noch unbedeutend.

Wie hat sich das Unternehmen Pomoca in den letzten Jahren entwickelt?
Seit wir von der Oberalp Group übernommen wurden, verzichten wir ganz bewusst auf kurzfristige Profite, um langfristige Stabilität und Know-how aufzubauen. Ziele aus der Vergangenheit waren: die Steigfell-Marke Nr. 1 zu sein und die schnellsten Felle anzubieten – ich denke, dass wir diese beiden Ziele erreicht haben. Grundsätzlich, und das weiss jeder, ist es aber schwieriger, oben zu bleiben, als dort anzukommen.

Wie viele Mitarbeiter arbeiten für das Unternehmen?
Bei Pomoca arbeiten aktuell 16 Mitarbeiter. Für die Produktionssaison stellen wir jeweils zusätzliche Mitarbeiter ein.

Welches sind die wichtigsten Neuerungen am Produkt?
In den letzten Jahren wurden die Felle schneller, leichter und wasserdichter. Die Befestigungen sind schöner und einfacher in der Anwendung geworden.

Haben Sie jemals eine Skitour unternommen? Was hat Sie bisher daran gehindert – der Respekt vor den physischen Anforderungen oder die Angst vor Lawinen? Haben Sie gewusst, dass die Schweiz führend ist in der Produktion von Steigfellen?

 

Christian Penning ist sportlich ein Allrounder und hat auch medial ein breites Portfolio. Seit weit über zwanzig Jahren arbeitet er für Print, Internet und Fernsehen – als Redaktor und Fotograf. Für den «outdoor guide» ist er regelmässig als Autor und Fotograf im Einsatz.

 

Jürg Buschor sitzt seit 1986 im Mountainbikesattel. Er hat für das «Schweizer Bike Magazin» geschrieben und später die beiden Fahrrad-Titel «Move» und «Move News» mitverantwortet. Er ist heute Verleger der Zeitschrift «outdoor guide» und der «Supertrail Maps». Er ist Autor von Tourenführern und lebt in Altstätten SG.

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Ein Kommentar zu «Ein haariges Vergnügen»

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