Der Tunnel unter dem Hinterrhein

Diese Woche von Sufers via Roflaschlucht nach Andeer (GR)

  • Wanderstart in Sufers (Blick zurück). Das Wetter ist durchzogen.

  • Der Weg führt durch ruppiges Gelände, ist aber mit Sorgfalt befestigt.

  • Festungsmuseum Crestawald, ein erster Höhepunkt.

  • Die Gänge sind lang, die Anlage ist riesig, und ...

  • ... überall trifft man auf interessante Dinge.

  • Weiter unten.

  • Streckenweise geht man strassennah.

  • Das Restaurant Rofflaschlucht. Zu ihm gehört der touristisch erschlossene Schluchtweg.

  • In der Schlucht (I).

  • In der Schlucht (II).

  • Arbeiterstatue bei der Bärenburg.

  • Andeer voraus.

  • Andeer ist reizend. Bevor wir heimkehren, werden wir verweilen und auch einkehren.

Diese Weite! Sie macht das Gemüt frei. Das Rheinwald, also das Tal des jungen Hinterrheins, ist eine Gegend zum Durchatmen. Der Himmel ist hoch, die Augen dürfen schweifen.

Gern würde ich also in Sufers verweilen, nachdem ich am Ortsrand aus dem Bus gestiegen bin. Doch das Wetter werde kippen, Regen dräue von Westen heran, hiess es am Morgen im Radio. Also ziehe ich gleich los und lege im Dorf keinen Halt ein. So rührend es mir auch vorkommt.

Rein ins Labyrinth

Immer schön talwärts, so einfach ist das. Eine lange Gerade führt aus dem Dorf, zur Rechten sehe ich kurz den Sufnersee, und schon bin ich im Wald. Der Pfad nimmt nun schnell die Gestalt an, die er in den nächsten Stunden behält: Es geht mal auf, mal ab, der Boden ist feucht und wurzeldurchsetzt, weswegen gute Schuhe vonnöten sind. In den Hängen stauen sich Felsblöcke mit Moospolsterung. Über besonders ruppige Stellen helfen Steinstufen und Holztreppen.

Das Festungsmuseum Crestawald kündigt sich durch eine Schiessscharte mit Geschützrohr an. Dieser Halt muss sein, auch wenn sich die Wolken über mir zusammenziehen. Ich zahle am Schalter meinen Eintritt und gerate in ein Labyrinth auf mehreren Etagen, in dem man sich endlos lange vertun kann. Oder sich verlaufen, wenn man die Hinweisschilder ignoriert.

Wie das wohl war damals?

Waffen und Uniformkleidung aus dem Zweiten Weltkrieg sind zu sehen, Schlafräume, Offiziersquartiere, der Essraum, die Kampfstationen. An einer Stelle hängt neben einem Telefon von damals die Buchstabiertabelle: A wie Airolo, Ä wie Ägeri, B wie Bern, C wie Colombier. Crestawald war Teil einer Talsperre bei Sufers; hätten die Achsenmächte angegriffen, hätte man hier das Tal blockiert.

Eine Stunde später setze ich die Wanderung fort, hänge aber noch lange dem Bunker nach und den Männern, die darin bange Zeiten durchlebten – würde der Feind kommen? Irgendwann wechsle ich auf die rechte Seite des Flusses, gehe einmal nah an der Strasse, dann wieder am Wasser in einer Wildnis aus Moos und Farnen.

Roflaschlucht und Rofflaschlucht

Kurz vor der Roflaschlucht kommt eine erhöhte Passage mit einer Kettensicherung, zur Linken fällt das Gelände abrupt ab. Zehn Minuten später bin ich bei der Schlucht. Genauer gesagt: beim Restaurant, das sich «Rofflaschlucht» mit zwei F schreibt und als Eingangstor zum touristisch genutzten Schluchtteil fungiert.

Ich löse ein Billett, folge dem schmalen Pfad am Fluss, bewundere die Wegmacherkunst, die ihm zugrunde liegt. An einer Stelle führt gar ein Tunnel unter dem Hinterrhein durch: Er ist spektakulär wie auch der Wasserfall. Der Wirt Christian Pitschen-Melchior schuf vor gut 100 Jahren mit dem Bohrer und Sprengstoff die Anlage; seine Nachfahren führen bis heute Wirtschaft und Schluchtbetrieb.

Der Chauffeur klönt

In der Gaststube nehme ich einen Kafi, am Nebentisch klönt ein Lastwagenchauffeur über die Behörden. Als ich wieder ins Freie trete, rechne ich mit Regen. Stattdessen beginnt sich die Sonne zu zeigen, und ich pfeife ein Lied. Bei der Kraftwerkstation Bärenburg macht mir die Werksbahn Eindruck. Und die Statue eines Arbeiters.

Bald darauf habe ich Andeer zu Füssen. Noch etwas mehr Wald durchstreift, noch ein paar Felsklötze mehr umkurvt, noch einige Dutzend Baumwurzeln mehr sorgsam gemieden, um nicht zu stürzen, dann besänftigt sich das Gelände. In Andeer denke ich nicht daran, gleich heimzufahren. Dafür ist das Dorf zu schmuck. Und Hunger habe ich auch. Ich bin gut gewandert, jetzt will ich gut essen.

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RouteSufers – Crestawald, Festung – Roflaschlucht – Bärenburg – Andeer, Dorf – Andeer Bad.

Wanderzeit: 3 1/2 Stunden.

Höhendifferenz: 347 Meter auf-, 777 abwärts.

Wanderkarte: 257 T Safiental, 1:50 000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Charakter: Mittellange Wanderung mit feuchten und ruppigen Passagen, sie erfordert richtige Wanderschuhe. An einer Stelle hart an der Kante (vor der Roflaschlucht). Ereignisreich, ein Mix aus Wildnis und Strasse – und auch die Strasse ist interessant.

Höhepunkte: Das Festungsmuseum (eindrücklich) und die Roflaschlucht (der Tunnel unter dem Hinterrhein).

Kinder: Bei der üblichen Vorsicht an heiklen Stellen empfehlenswert, weil der Weg nie monoton ist.

Hund: Why not?

Einkehr: Restaurant Rofflaschlucht. Bis 4. November täglich offen wie die Schlucht. Mehrere Lokale in Andeer.

Festungsmuseum: Freie Besichtigung von Crestawald ohne Führer bis 27. Oktober jeweils samstags.  Führungen für Gruppen auf Anfrage auch zu anderen Zeiten. 081 650 90 30, Gästeinformation Viamala in Splügen.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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4 Kommentare zu «Der Tunnel unter dem Hinterrhein»

  • Monika Odermatt Soom sagt:

    Die Wanderung hat bezüglich Landschaft und Wanderwegen sehr gefallen. Schade, dass in keiner Weise auf den Auto- und Baulärm hingewiesen wirde, der die Idylle für uns sehr beeinträchtigte.
    Schöner Gruss

  • Came sagt:

    Der beschriebene Wegabschnitt entspricht der 2. Etappe (in umgekehrter Richtung, ab Sufers) ) der Via Spluga, die ich letztes Jahr gewandert bin. Und ich war enttäuscht. Der Weg gibt meiner Meinung nach wenig her, die A13 sorgt für Dauerberieselung…. sogar im Dorf Andeer, das in der Tat schmuck ist und neben Therme mit div. guten Restaurants aufwartet. Für Speis und Trank und auch als Übernachtungsort empfehle ich die ‚alte Post.‘
    Die Roflaschlucht ist schön, beeindruckend v.a. ihre Entstehungsgeschichte.

  • Reto Hugenberg sagt:

    Die Festung Crestawald eigent sich auch für Schulkalssen. Ich besuche den Bunker jeweils während dem Klassenlager und meine Schülerinnen und Schüler sind immer sehr beeindruckt.
    Leider wird bei Sufers momentan viel gebaut und der schöne Wanderweg am See entlang ist kein Erlebnis …

  • Christine Gerber sagt:

    Herzlichen Dank für den interessanten Bericht über diesen etwas wenig bekannten Teil des Kantons Graubünden. Vermisst habe ich die Erwähnung des wunderbaren Mineralbads in Andeer. Grad als Abschluss einer Wanderung unbedingt zu empfehlen. Das warme Wasser lockert die Muskeln und beim „Sprudeln” in die umliegenden Berge zu blicken – ein tolles Erlebnis !! Man fühlt sich nachher wie „neu geboren“ und geniesst das anschliessende Nachtessen besonders.

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