«Gestern war ich auf dem Mörder!»

«Was, auf dem Mörder?! Im Ernst?!» Mit diesem Wanderziel ist Ihnen die Aufmerksamkeit garantiert. (Foto: iStock)
Ach, wie langweilig: Schwarzhorn, Rothorn, Weisshorn, Gelbhorn. Seealp, Seealpsee. Seehorn, Seehornsee. Damit stossen Sie beim montäglichen Znünikafi, wenn Sie von Ihrer Sonntagswanderung erzählen, nur auf ein müdes Nicken. Was aber, wenn Sie mal in die Runde werfen könnten: «Gestern war ich auf dem Mörder!» «Was, auf dem Mörder?! Im Ernst?!» «Wer ist dort..!?» «Hast du vielleicht..!?»
Um allen dunklen Absichten einen Riegel vorzuschieben: Der Mörder eignet sich nicht besonders gut für einen Mord. Auf der Nordseite ist er zwar durchaus steil und felsig, für einen mit hinreichender Sicherheit tödlichen Sturz reichts aber nicht. Aber stellen Sie sich vor, Sie liegen im weichen Gras, inmitten duftender Bergblumen und lassen sich die Sonne auf den Pelz scheinen. Und Sie lesen. Vielleicht Agatha Christie, Georges Simenon oder Donna Leon. Jedenfalls etwas mit einem richtig guten Mord. Auf dem Mörder! Glauben Sie mir, das Leseerlebnis wird weit intensiver sein als irgendwo sonst.
Also doch: Mord – oder zumindest Totschlag!
Eine Mordstour ist der Mörder – oder das Mörderhorn, wie der Berg offiziell seit kurzem wieder heisst – übrigens nicht: Mit der Tschinglenbahn schweben Sie bequem auf die Tschinglenalp auf 1500 m ü. M., wo die Tschinglen-Wirtschaft zur Einkehr lädt. Danach bleiben nur noch 900 (steile) Höhenmeter über sonnige Planggen bis zum ultimativen Krimileseerlebnis.
Und falls Ihnen das fast schon zu langweilig erscheinen sollte: Ganz harmlos ist der Mörder vielleicht doch nicht: Zwar stammt sein Name gemäss einer etymologischen Abhandlung Fritz Zopfis aus dem Romanischen und bezeichnet «Hochweiden und darüberliegende Gipfel». Aber: «Hinter dem Laut- und Begriffswandel Morter, Murter zu Mörder verbirgt sich die Personifizierung eines Naturphänomens, des Steinschlags. Durch kleine Steinlawinen, die sich vom brüchigen Fels des Mörders lösten, mögen hin und wieder darunter weidendes Jungvieh oder Schafe und Ziegen erschlagen worden sein.»
Also doch: Mord – oder zumindest Totschlag! Auf der Nordseite des Mörders, auf der Alp Falzüber! Mörderische Steine fallen über Falzüber! Aber, Schwamm drüber, das wurde 1982 geschrieben!
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Route: Von Tschinglen (Seilbahn von Elm) auf dem markierten Bergweg Richtung Segnespass bis auf 2250 m ü. M. südlich unter dem Mörder. Von dort weglos über mässig steile Grashänge auf den Gipfelgrat (T3). Diese Route kann gut als Abstecher von einer Wanderung über den Segnespass von/nach Flims (T2) und/oder durch das Martinsloch (T5) verbunden werden.
Varianten: Von Tschinglen auf (in der LK nicht eingetragenen) Spur mehr oder weniger horizontal über diverse Runsen Richtung Norden bis Mättli, von dort weglos den Gratrücken Richtung Biflenhorn empor. Der Gratrücken kann auf ca. 1980 m ü. M. auch von Elm über Falzüber erreicht werden. Vom Biflenhorn über den Grat auf den Mörder (T5, weglos und teilweise exponiert, nähere Angaben im SAC-Clubführer oder auf www.hikr.org ).
Einkehr: Tschinglen-Wirtschaft auf der Tschinglen-Alp.
Lektüre: Fritz Zopfi, 1982: Spuren und Probleme des alemannisch-romanischen Berührungsprozesses im Glarnerland. Schweiz Zeitschrift für Geschichte, Band 32. Online unter https://www.e-periodica.ch.
6 Kommentare zu ««Gestern war ich auf dem Mörder!»»
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Einen ähnlichen Effekt wie den im ersten Absatz beschriebenene erzielte ich mit der Bemerkung, dass wir auf den Vesuv gewandert seien…
Der Vesuv ist ein vulkanförmiges Hügelchen, ca. 500m nordwestlich vom Kurhaus Heiligenschwendi BE entfernt .
Die Wanderung tönt interessant. Sehr sehr schade ist es, dass sie keine Gps Daten zur Verfügung stellen. Ich werde sie n icht nachwandern können, da ich v.a. mit GPS wandere. Die Form des Internets und der online Berichte würde dies doch gerade anbieten!
Ich bin viele Wanderungen von Thomas Widmer dank GPS nachgewandert.
Die GPS Daten wären gerade für weglose Touren umso wichtiger und nützlicher für Wanderer wie mich.
Also die Route ist ziemlich offensichtlich, dass geht auch ohne GPS
Wer schleppt heute noch auf solchen Wanderungen eine Karte mit, Marc?
Schleppen?
Ich nehme eine Karte mit oder allenfalls den entsprechenden Ausschnitt daraus.
Ansonsten wären wenn schon gpx-Daten angesagt um sich die Koordinaten auf eine Uhr zu laden. Mit Handy in der Hand auf einem Berg rumzustolpern erinnert zu sehr an Teenager im Strassenverkehr von Städten welche die Umgebung nicht wahrzunehmen imstande sind weil dem Glotzen auf das Handy 1. Priorität eingeräumt wird.
Nicht zum ersten Mal bewundere ich die immer wieder exzellenten, anschaulich geschilderten, spannenden und meist leicht ironischen Texte meines Schwiegersohnes von seinen extravaganten und oft weglosen Touren in unseren Alpen.