Als seien wir Gleitschirmler

Diese Woche nach Sion im französischsprachigen Wallis

  • St-Léonard, wir durchqueren als Erstes das Dorf.

  • Blick von oberhalb St-Léonard. Dieser Teil des Wallis: ein Reich der Reben.

  • An der Suone von Sillonin.

  • Der Hund wartet, seine Herrin ist in der Schlucht.

  • Schluchteingang mit Gedenkkerzli.

  • Die andere Seite.

  • In der Schlucht, der Weg ist ...

  • ... gut gesichert

  • Nach der Lienneschlucht.

  • Hier kann man rasten. Danach kommt die Suone von Lens.

  • Hier ist sie.

  • Genial, diese Wegführung!

  • Ronja biegt um die Ecke.

  • Hier lohnt es sich wirklich, Fotos zu machen.

  • Aufstieg zum Châtelard.

  • Trockenzone weiter oben.

  • Der Christus vom Châtelard.

  • Unser Ziel kommt in Sicht.

  • Wir sind angekommen. Lens. Es gibt ein schönes Plättli.

Eines besonnten Tages zog ich mit Wanderfreundin Ronja von St-Léonard los, dem Nachbarort von Sion. Wir durchquerten das Dorf. Stiegen durch die Reben hinauf nach Les Planisses. Erreichten die im Mittelalter erbaute Suone von Sillonin. Für die, die es nicht wissen: Suonen sind die historischen Wasserkanäle im Wallis, die oft atemberaubend verlaufen.

Dank meiner Karte wusste ich: Gleich würde unsere Suone um die Ecke in die Schlucht der Lienne einbiegen, um sich dort unsichtbar zu machen. Die Schlucht wird gruselig, dachte ich. Da sah ich vor uns den Hund. Ein Golden Retriever wohl. Er war an einen Pfosten geleint, wedelte wild mit dem Schwanz, winselte und heulte.

Jemand hatte das arme Tier zurückgelassen. Aber wer? Während wir rätselten, kam uns aus der Schlucht die Besitzerin entgegen und erklärte sich. Sie liebe, sagte sie, die Lienne-Schlucht und begehe den Schluchtweg immer wieder mal. Der Hund dürfe nicht mehr mit. Er liebe die Schlucht nämlich noch viel mehr als sie. Total begeistert sei er von ihr. Er werde auf dem Weg jeweils ekstatisch, rase hin und her, sei nicht mehr zu bändigen. Einmal habe er sie fast in den Abgrund geschubst.

Die nächste Viertelstunde durch die Schlucht hatte es in sich. Auf halber Höhe zieht sich horizontal der schmale Pfad, 200 Meter tiefer sieht man das blaue Band der Lienne, ein Fehltritt wäre fatal, die speziell exponierten Stellen sind mit Seilen und Geländern gesichert.

Ronja blieb locker, ich nicht

Ronja ging voraus, blieb locker in den Knien und machte Witzchen übers Abstürzen. Ich lachte nicht und lief steifer als üblich. Ab und zu blieb ich stehen und genoss die Sicht auf den Gegenhang mit Weinbergen in üppigem Grün, die durch Mäuerchen derart kleinräumig parzelliert waren, dass das Ensemble aussah wie die Reisterrassen von Bali.

Am Ende stiegen wir steil aufwärts auf einem treppenartigen Holzbohlensteig, die Holzbohlen waren schief. Gut, waren wir nicht in der Gegenrichtung unterwegs. Gut auch, hatten wir trockenes Wetter.

Irgendwie war ich aber doch auf den Geschmack gekommen, das Portiönchen Grusel machte Hunger auf mehr. Weiter oben, nachdem wir den Hügel Sarmona rechterhand umgangen hatten, vollzogen wir daher eine Spitzkehre, gingen südwärts und erreichten die höher gelegene Suone von Lens.

Bald schon wandelten wir direkt neben den Holzkänneln durch die senkrechte Fluh. Unter unseren Füssen waren Planken, darunter das Nichts; wir sahen so gerade aufs Rhonetal hinab, als seien wir Gleitschirmler und nicht Wanderer. Wieder war freilich alles gut gesichert. Wer mit Bedacht geht, braucht sich auf dieser Wanderung nicht zu sorgen.

Wir trafen Jesus

Beim Punkt, der auf der Wanderkarte mit der Höhenangabe 1029 Meter angeschrieben ist, erneut eine Spitzkehre: Jetzt hielten wir wieder nordwärts. Ronja eilte in bergziegenartigem Tempo den wurzeldurchsetzten Buschpfad empor, ich keuchte hinterher wie ein altes Pferd. Der Châtelard, ein aussichtsreicher Berg, bot uns eine Riesenüberraschung, die Statue du Christ-Roi, eine 15 Meter hohe Jesusfigur, die man von weitherum sieht.

Eine halbe Gehstunde später, nach einem sanften Miniabstieg, langten wir im Dorf Lens an. Wir installierten uns vor dem Café Restaurant de l’Union, konsultierten den Fahrplan: viel Zeit blieb bis zur Abfahrt des nächsten Postautos nach Sion. Gut so. Wir gönnten uns einen Trockenfleisch-Käse-Teller. Schwindelwanderungen wie diese machen hungrig.

++

Route: St-Léonard, Bahnhof – Les Planisses/Sillonin-Suone – Lienne-Schlucht – Suone von Lens (Grand Bisse de Lens) – Le Châtelard, Christusstatue – Lens, Post (Bus nach Sion).

Wanderzeit: 3 ¾ Stunden.

Höhendifferenz892 Meter aufwärts, 263 abwärts.

Wanderkarte: 273 T Montana, 1: 50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Charakter: Viel Aussicht und ein Quäntchen Gruselfeeling in der Lienneschlucht und an der Suone von Lens. Alle Wege sind aber gut gesichert, wer trittsicher und schwindelfrei ist, dürfte keine Probleme haben.

Höhepunkte: Die Passage durch die Lienne. Das Gehen auf den Holzbrettern der Suone von Lens mit dem offenen Wasser im Kanal. Das Erreichen der Christusstatue oberhalb Lens.

Kinder: Machbar, wenn die Kinder genug Selbstkontrolle haben.

Hund: Machbar.

Einkehr: Lens, Café Restaurant de l’Union, kein Ruhetag.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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