Bin ich süchtig nach Sport?

Der Übergang von einer passionierten Läuferin zur Sportsüchtigen ist schwer fassbar. (Foto: iStock)

Die Frage beschäftigt mich nun seit Monaten. Seit vergangenem Oktober fehlt mir das Laufen. Von einer Verletzung gegroundet, tigere ich innerlich wie ein Tier in Gefangenschaft durch den Tag. Zuweilen unleidig, ungeduldig und frustriert, dann wieder sehnsüchtig, niedergeschlagen und resigniert. Bin ich süchtig nach Sport und nun auf Entzug? Das Internet bietet etliche Tests, mit denen ich versucht habe, auf  diese Frage eine Antwort zu erhalten.

Beim deutschen Ratgeber-Verlag etwa muss ich 13 Fragen beantworten. Unter anderem: «Ist das Training ihr wichtigster Lebensinhalt, dem Sie Beruf, Familie und Freunde unterordnen?» Nein – der Sport ist mir zwar wichtig, aber er steht nicht an allererster Stelle. Hingegen bejahe ich aus tiefem Herzen die Frage: «Sind Sie missgelaunt, unruhig, nervös und haben Sie Schuldgefühle oder sind deprimiert, wenn Sie keinen Sport treiben?» Mit Ausnahme von den Schuldgefühlen ein deutliches Ja. Der Sport macht mich umweltverträglich, gut gelaunt und ruhig! Bei diesem Test erreichte ich 30 Punkte und bin knapp süchtig, denn die Sucht startet bei 30 Punkten.

Vom Emotionsventil zum Suchtpotenzial

Beim Test von Das Sorgentelefon kann ich mit Schiebertasten die Nuancen berücksichtigen und muss mich nicht zwischen trifft zu oder nicht entscheiden. Hier will man wissen, ob ich einen Grossteil meiner Freizeit mit Sport verbringe. Ja, das ist so, weil ich mich sehr gerne bewege, es liebe, draussen zu sein – und oft tue ich das mit Menschen, die ich mag. Was also will ich mehr? Eine andere Frage, ob ich manchmal länger Sport treibe als erwartet. Ja, das kommt durchaus vor, weil ich es ab und an einfach zu sehr geniesse, auf den Trails die Welt zu entdecken oder durch die Blumenwiesen zu biken und dann spontan noch eine Schlaufe anhänge. Nach rund 20 Fragen heisst es dann: «Im Ergebnis gibt es Hinweise, dass das Thema Sportsucht in deinem Leben eine wichtige Rolle spielt.»

Das Fitnessmagazin «Fit for Fun» hat auf seiner Onlineplattform ebenfalls einen Test aufgeschaltet. Neun Fragen gilt es zu beantworten. Dabei will man wissen, ob ich Entzugserscheinungen habe, wenn ich nicht trainieren kann… Was genau unter Entzugserscheinungen gemeint ist, wird nicht erläutert. Trotzdem: Ja, klar, mein Emotionsventil und meine Freiheit da draussen fehlen mir furchtbar – gezittert habe ich allerdings deswegen noch nie. Eine weitere Frage lautet: «Treibst du auch Sport, wenn es keinen Spass macht?» Ja, etwa Krafttraining ist für mich ziemlich spassbefreit – es gehört aber dazu, wenn man gesund über eine Marathonziellinie laufen möchte. Bei diesem Test erhalte ich 18 von 27 Punkten und rauskommt, dass ich eine hohe Bindung an den Sport habe.

Am nächsten an der Wahrheit…

Beim Onlineportal Go Feminin will man von mir bei der ersten von acht Fragen wissen, warum ich Sport treibe. Am nächsten an die Wahrheit kommt die Multiple-Choice-Antwort: «Weil mein Sport mir Spass macht und mich fit hält.» Eine andere Frage lautet: «Wirst du von anderen auf dein Sportverhalten angesprochen?» Meine ausgewählte Antwort: «Nein, denn die wenigsten kennen mein tatsächliches Sportpensum.» Dieser Test kommt zum Schluss: Alles im Normalbereich. Ich würde zwar regelmässig Sport treiben, allerdings in gesundem Masse. Meine Lieblingssportart mache mir einfach Spass und ich würde es geniessen, dadurch nebenbei auch noch fit zu bleiben.

Beim Netdoktor entscheiden zehn Fragen über Sucht oder Nichtsucht. Ich werde dabei mit Aussagen konfrontiert wie: «Durch Sport bin ich im Leben leistungsfähiger.» Für mich ist das eine klare Sache – ich bin dann ausgeglichener, besser gelaunt, konzentrierter. Ich bin zudem überzeugt, dass derjenige, der einen Marathon bestreiten kann, in der Lage ist, auch in privaten oder beruflichen Situationen von dieser ausdauernden Belastbarkeit zu profitieren.

Probieren Sies selbst!

Weiter heisst es: «Ich kontrolliere regelmässig mein Gewicht.» Danke für den Reminder – ich war schon lange nicht mehr auf der Waage. Mit dem Resultat von zwischen 17 und 23 Punkten heisst hier das Verdikt: «Sie finden, Sport gleicht aus!» Ganz so harmlos ist es scheinbar aber nicht, denn die Auswertung enthält auch die kleine Warnung: «Achten Sie darauf, dass Sie sich auch künftig keinem Zwang aussetzen, weder im Training noch in Beruf oder Familie.»

Mein Fazit zu diesen Tests lautet, dass keiner davon sich wirklich dafür eignet, den in meinen Augen sehr feinen Unterschied zwischen einer passionierten Läuferin und einer Sportsüchtigen zu machen. Sie geben allenfalls Hinweise darauf, in welche Richtung die Fragestellungen für eine Diagnose gehen. Probieren Sie selbst!

Weil das Resultat unbefriedigend geblieben ist, werde ich der Sportsuchtfrage in meinem nächsten Post mit einem Experten auf den Grund gehen.

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11 Kommentare zu «Bin ich süchtig nach Sport?»

  • Claude Fontana sagt:

    Sobald der Sport leiden schafft ist leidenschaft überschritten. oder die Selbsteinschätzung übertreten Wer Läuft, laüft entweder auf einen Herzinfarkt zu, oder vor sich davon. Die mit einem echten Ziel, machen es zur profession.

  • Gabi sagt:

    Meiner Meinung nach sind weder Onlinetests noch Experten, die man ein-, zweimal trifft, die richtigen Interpretationsmethoden. Selbst in den eigenen Spiegel schauen hilft da schon eher. Braucht zuweilen etwas Mut, sich gewisse Dinge einzugestehen, es lohnt sich aber.
    Zudem gibt es zu jedem Problem eine Lösung (auch wenn diese manchmal gewöhnungsbedürftig sein mag). Im Fall von einer Verletzung und physischem Bewegungsmangel könnte der Fokus auf andere Themen im Leben gelenkt werden. Auch der Geist ist beweglich.
    Habe mehrere 6-9monatige Pausen so genutzt und viel wertvolles für mich gelernt und gewonnen. Gibt zwar keine Medaille, braucht‘s auch nicht.
    Gute Besserung

  • Helena sagt:

    Ich mache keine Ausdauersportarten, wie Langlauf. Eher im Sprint-Bereich (schnell fertig), sowie regelmässig rhythmische Sportgymnastik (geht auch bestens zu Zweit). So kommt auch das Soziale nicht zu kurz.

  • Jacques sagt:

    Eine Sucht kann man auch vermeiden, indem man süchtigmachende Stoffe meidet. Wie etwa Heroin. Extreme Ausübung von Sport soll auch Endomorphine erzeugen. Die wirken genauso wie Morphine eben wirken.

  • maia sagt:

    Ich kann mir kaum vorstellen, dass irgendjemand bei Online-Test’s ein ernstzunehmendes Resultat erwartet. – In dem Sinn überrascht es mich, dass bei Ihnen die Ergebnisse doch alle mehr oder weniger in dieselbe Richtung weisen.

    • flori antha sagt:

      @Maia: Wenn man Online-Test’s macht, dann vielleicht nicht, aber bei Onlinetests schon….aber jetzt mal im Ernst: warum sollten sich die Verfasser dieser Tests nichts sinnvolles dabei überlegt haben? Finde ich eine merkwürdige Annahme.

      • Jacques sagt:

        Sie gehen also positivistisch davon aus, dass die Ersteller von Onlinetests seriöse Fachleute sind. Wie Mediziner/ Psychiater. Es könnten auch Psychologiestudenten sein; also reine Theoretiker, so mit ein bisschen Supervision. Das Testprogramm kommt aber so günstiger.

  • Alfred Frei sagt:

    Es gibt definierte Suchtkriterien, die sich auch auf Sportsucht anwenden lassen. Dazu gehören u.a. die Erhöhung der Dosis, das Verheimlichen des Konsums vor andern, der Kontrollverlust (nicht mehr aufhören können), Entzugserscheinungen, Vernachlässigung anderer Aktivitäten, anhaltender Konsum trotz negativer Auswirkungen auf Gesundheit, Finanzen, Beruf und/oder Beziehung.
    Der Unterschied ist natürlich, dass der menschliche Körper für Aktivität gemacht ist und mangelnde Bewegung sich ebenso unangenehm bemerkbar macht, wie mangelnde Nahrung oder mangelnder Schlaf.Nicht jeder Bewegungsdrang ist deshalb gleich eine Entzugserscheinung.

  • Michael sagt:

    Jedem das seine. Joggen war noch nie meine Welt – Tischtennis schon eher. Ich habe zweimal die Woche intensiv 4 Stunden trainiert. Dazwischen dann noch Punktspiele. Nie auf höchstem Niveau, aber mit hoher Einsatzbereitschaft. Training fand immer in Schulsporthallen statt und es war der Horror, wenn unsere Halle zu Ferienzeiten geschlossen wurde. Bei aufkommenden Entzugerscheinungen haben wir uns dann befreundetet Vereine gesucht, wo wir mittrainiern konnten. Da entstand dann auch der Spruch zum Kofferpacken, wenn es in die Ferien geht: Das erste was reinkommt ist die Kelle….
    Ergo – Sport, egal auf welchem Niveau man es betreibt, kann absolut süchtig machen.

  • Christoph Bögli sagt:

    Bei sozial stark akzeptierten und weit verbreiteten Verhaltensweisen ist es eh besonders schwer, die unscharfe Grenze zur Sucht zu erkennen. Das gilt bereits für Alkohol, wo der Übergang vom sozialen Typen, Geniesser oder Weinkenner zum Alkoholiker auch sehr fliessend ist, und wird erst recht schwierig bei Sport oder Arbeit, welche keine unmittelbaren Schädigungen verursachen, sondern grundsätzlich sogar nützlich und erwünscht sind.

    Letztlich hilft aber bei allem eine einfache Faustregel: beeinträchtigt die Verhaltensweise das eigene Leben oder jener des direkten Umfelds, dann ist Vorsicht angebracht.

  • R. K. Moser sagt:

    Seit Oktober verletzt? Was ist passiert?

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