Kurzwandern für Hausmänner
Morgens müssen die Kinder in die Schule, am Mittag muss gekocht sein. Dazwischen liegen einige Stunden, die ich zusammen mit meinem Jüngsten zum Wandern nutze. Weit kommen wir nicht. Egal. Wir entdecken Orte mit vielversprechenden Flurnamen.
Es gibt Wochentage, an denen ich schon beim ersten Blick aus dem Fenster merke, dass ich raus muss. Nun ist das nicht so einfach – doch zum Glück gibt es den Papatag. Ich stehe früh auf, um die älteren zwei Kinder bereit zu machen für die Schule. Das ist meist ein rechter Trubel – «Was gibts als Znüni?», «Doch, du musst heute zur Schule!», «Wo sind schon wieder die Handschuhe hingekommen?» –, aber um 7.45 Uhr sind die beiden auf dem Schulweg. Und da steht er dann im Wohnzimmer, der kleine Lichterprinz, mit dreckigem Mund, noch im Pyjama und mit voller Windel.
Das Zeitfenster ist kurz
Ist dann einer dieser Ich-will-raus-Tage, schlage ich ihm vor, wandern zu gehen. Meist habe ich erst eine Idee und keinen Plan im Kopf, und das Zeitfenster ist kurz: Spätestens um halb zwölf muss ich ja wieder in der Küche stehen, weil die beiden Älteren hungrig von der Schule zurückkehren.
Nun ist Geduld gefragt. Denn trotz der Begeisterung des Dreijährigen fürs Rausgehen heisst das noch lange nicht, dass er kooperiert. Frühstück wegräumen, Junior anziehen, Rucksacktrage mit dem Allernötigsten packen – das frisst dann jeweils doch mehr Zeit als erwünscht. Weshalb ich den Anspruch, diese Ausflüge mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu bestreiten, gemüllt habe. Wir steigen also ins Auto und los geht es.
An einen Ort, der gut tönt
Wohin? Klar ist, nicht weit weg. Meist habe ich auf einer Karte irgendwann mal einen interessanten Flurnamen gelesen. Ein solcher sagt nur beschränkt etwas aus über eine attraktive Wanderung. Aber dieses Risiko gehe ich an diesen Tagen gerne ein: Einfach losfahren, an einen Ort, der gut tönt. Zu einem Graben, einem Bach, einfach irgendwo hin, wo eine Überraschung warten könnte. Zum Beispiel zur Grabenmühle, und von dort hinein in den Scherligraben. «Schärli, Schärli», sagt der Dreijährige mantraartig hinten in der Rucksacktrage und denkt an seine kleine Spielzeugschere daheim.
Die Grabenmühle ist ein altes Gehöft und steht – wie der Name schon sagt – in einem Schattenloch. Rundherum hat der Besitzer drei grosse Windräder aufgestellt. Wir wandern los und treffen bald auf einen mannshohen Höhleneingang, der ins Dunkle führt. Klar, treten wir ein, doch der Lichterprinz will bald nicht mehr, und auch die Decke wird immer tiefer, sodass ich wegen der Rucksacktrage in der Hocke gehen müsste. Das ist mir dann doch zu anstrengend.
Ein Alpengarten im Mittelland
Etwa 50 Meter weiter unten im Graben sehen wir den Ausgang des Höhlenganges. Bald treffen wir auf einen Hahn, zwei Hühner, drei Zwergziegen, einen Hund, dessen Herrchen einen langen, weissen Bart trägt, und zum Schluss noch auf Alpakas. Es ist ein Fest für den Kleinen und ein Glücksfall für mich. Der Lichterprinz will schliesslich aussteigen und den nächsten Höhlengang mutig selber durchlaufen.
Bald schon drängt die Zeit. Gerade jetzt, wo es nochmals spannend wird: Wir entdecken einen alten Wegweiser, der einen «Alpengarten» ankündigt. Mitten im Berner Mittelland, 20 Minuten von der Stadt entfernt. Meine Neugier ist geweckt. Der Weg ist verlockend, doch die Vorstellung, zwei hungrige Schulkinder vor der verschlossenen Wohnungstüre warten zu lassen, ist nicht schön. Die Vernunft siegt, wir treten den Rückweg an – mit der Idee für die nächste Schulzeitwanderung bereits im Kopf.
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Ein Kommentar zu «Kurzwandern für Hausmänner»
Das finde ich wunderbar, wie sie mit Ihrem kleinen Bub die Landschaft erforschen. Das wird ihn weiterhin aufmerksam machen für die Naturschönheiten und auch für das Skurile in der Natur. Hat mich grad frohgestimmt, Ihr Artikel. Freue mich auf Ihre weiteren Artikel. Danke.