Und jetzt machen Sie mal Pause!

Der sechste Platz und somit bester Schweizer Läufer: Armin Flueckiger freut sich an der Ziellinie am Zürich Marathon 2017. Foto: Ennio Leanza (Keystone)

Gehören Sie zu den Menschen, die heute nur rückwärts die Treppe hinaufgehen? Können Sie sich kaum aus Ihrem Bürostuhl heben und sich nur unter Höllenqualen zur Kaffeemaschine schleppen? Verstärken Sie das Hinken bewusst, damit auch jede und jeder merkt: Sie sind am Sonntag den Zürich Marathon gelaufen. Sie haben die epische Distanz von 42,195 km auf ihren eigenen Füssen zurückgelegt und sind damit in den Rang eines «Finisher» aufgestiegen. Gratulation!

Auch wenn die Bewältigung eines Marathons mittlerweile in jeden kompletten CV gehört wie ein Weiterbildungsseminar in Team-Building oder ein Selbsterfahrungsaufenthalt in einem thailändischen Kloster, ist die Bewältigung der klassischen Langstreckendistanz noch immer eine grosse sportliche Leistung und ein Kraftakt, der im Nachgang eine konsequente Erholung und einen sorgfältigen Wiederaufbau verlangt. Es ist kein Zufall, dass die Topathleten in der Regel nur zwei Marathonläufe pro Saison absolvieren – und im Training nie über die komplette Distanz gehen.

Endzeit spielt keine grosse Rolle

Bruno Lafranchi, Organisationschef des Zürcher Laufs und früher selber Spitzenläufer mit einer Bestzeit von 2:11,12 sagt zum Thema Erholung: «Am besten regenerieren die Muskeln, wenn man sich nach dem Marathon in ein Eisbad legt.» Wie schnell man wieder mit dem Training beginnen sollte und kann, hänge davon ab, wie nah man an der eigenen Leistungsgrenze gelaufen sei. Dabei gelte: Wer sich schon zehn Prozent unter dem eigenen Limit bewegt, ist nach dem Wettkampf weit weniger abgekämpft als ein Läufer, der die letzten Reserven ausschöpft. Dabei spiele die Endzeit keine grosse Rolle: Denn im Marathon läuft jeder quasi gegen sich selber. «Für Spitzenläufer ist ein Tempo von 4 Minuten pro Kilometer regenerativ», sagt Lafranchi. Diese Pace ergibt eine Zeit von 2:48,47 – und wäre für jeden Hobbyläufer wie der Gewinn einer Olympiamedaille.

Dreiwöchige Abstinenz

So oder so ist der Körper nach dem Marathon muskulär und orthopädisch angeschlagen. Ausserdem leidet das Immunsystem. Deshalb empfehlen die Sportmediziner in der ersten Woche nach der Belastung unbedingt eine Pause – und danach eine mehrwöchige Phase des reduzierten Trainings.

Der frühere deutsche Langstreckenläufer Herbert Steffny, einer der führenden Trainingswissenschaftler, plädiert pro gelaufenen Kilometer im Wettkampf für einen halben Tag Pause – nach einem Marathon macht das also eine dreiwöchige Laufabstinenz.

Selbstverständlich gibt es Sportler, die diesen Ratschlägen lockeren Schrittes davonlaufen – beispielsweise der Deutsche Christian Hottas. Der 60-jährige Arzt gilt mit über 2500 absolvierten Marathons und Ultramarathons als Weltrekordhalter. Pro Jahr läuft Hottas rund 150 Dauerprüfungen. Er bezeichnet das Laufen als Lebensqualität und Lifestyle. Weil er derart viel laufe und trainiere, könne sein Körper die Leistung relativ leicht erbringen. Die Zeit spiele für ihn keine Rolle, sagt er. Damit ist Hottas schon zweieinhalbmal um die Erde gerannt – und hat eine galaktische Dimension erreicht. Auf dem Weg zum Mond fehlen ihm nur noch drei Viertel der Distanz.

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2 Kommentare zu «Und jetzt machen Sie mal Pause!»

  • Herbert Peter sagt:

    Zum Glück gehöre ich nicht zu jenen, die einen Marathon im CV brauchen.

  • Reiner Zufall sagt:

    Ich war gestern zum 15. Mal dabei und es tut jedes Mal höllisch weh am nächsten Tag. Der Zürich-Marathon ist besonders hart, da ausschliesslich auf Asphalt. Dagegen ist der Jungfrau-Marathon trotz der deutlich längeren Laufzeit ein Zuckerschlecken, was die Muskelschmerzen danach angeht. Im Gegensatz zum letztjährigen 2-Grad-Lauf bei Schneeregen war es gestern brutal heiss auf dem Rückweg von Meilen ohne die Chance aus Schatten. Mindestens in dieser Woche wird es kein Lauftraining mehr geben. In meinen Anfangszeiten mit deutlich besseren Zielzeiten war ich bereits nach drei Tagen wieder in den Laufschuhen.

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