Ambulator communis und der Mädchenhaarbaum

Diese Woche an der Emme von Gerlafingen nach Alchenflüh (SO/BE)

Zu Silvester und Neujahr gibt es eine Art gesamtgesellschaftliches Einvernehmen: Man reist in die Berge zum Skifahren, Schlitteln, Schneeschuhen.

Doch mindestens ebenso so schön ist es im Flachland. Die Stille macht es aus. Ohnehin liegt in den höheren Lagen nicht überall genug Schnee für ein richtiges Wintervergnügen.

Fahren wir doch nach Gerlafingen. Wandern wir ein Stück die Emme entlang, das erfrischt, schont die Nerven, ist erst noch gratis.

Bibelweg und Entlein

Am Bahnhof Gerlafingen und in den ersten Wanderminuten schon erkennen wir: Am Unterlauf des 80-Kilometer-Flusses verschränken sich Natur und Industrie. Das Stahlwerk, gegründet einst durch die von Rolls, erhebt sich vor uns. Nach wie vor ist es im Betrieb, es recycliert Eisenschrott.

Ein Schild kündigt einen Bibelweg an. Noch vor der Emme empfängt uns alsbald ein Ried mit Entlein. Die nächste Stunde ist erholsam, die Emme ist immer in der Nähe, manchmal aber verdeckt, lange folgen wir einem Kanal; zum Teil gibt es parallele Varianten.

Einziges Berner Wasserschloss

Nach der Papierfabrik Utzenstorf lohnt sich der Abstecher zum Schloss Landshut. Über Jahrhunderte war es Sitz bernischer Landvögte. Die sicherten sich mit einem Wassergraben; heute ist dies das einzige Berner Wasserschloss.

Im Schlossgebäude ist das Schweizer Museum für Wild und Jagd untergebracht; allerdings öffnet es erst am Muttertag wieder. Aber der Park ist jederzeit frei zugänglich. Was es da zu sehen gibt! Eine Karte auf der Internetseite des Schlosses listet die Bäume und Büsche auf mit ihren Standorten: Platanen, Eichen, Eschen, Ahorne finden sich natürlich, dazu der Mädchenhaarbaum, die Sumpfzypresse, der Amur-Korkbaum, der Götterbaum und der Schuppenrinden-Hickory und der Hiba-Lebensbaum. Und, und, und.

Humorlos grad

Man könnte also auch nur in diesem Park umherstreifen und Gewächs um Gewächs besuchen. Und dabei ab und zu ein Auge auf das Schloss werfen, auf den hochklappbaren Holzsteg und die weisse Fassade mit den rotbraunen Läden.

Vom Schloss halten wir wieder zur Emme. Die wird im Emmenschachen, Teil des Naturschutzgebietes Emmenschachen/Urtenensumpf, vollends märchenhaft. Nun, nicht der Fluss selber. Er ist in der Neuzeit brutal begradigt worden, was recht humorlos wirkt; auch nimmt man ihm mancherorts das meiste Wasser, um damit allerlei Anlagen anzutreiben.

Ambulator communis mag das

Was dies kompensiert, sind die Auen, Geländepartien, die immer wieder mal überschwemmt werden dürfen. Alles ist verrankt, verefeut, verbuscht, vermorastet, Holz modert, die Vögel lieben das, die Ringelnattern auch. Ebenfalls wohl fühlt sich Ambulator communis, der gemeine Wanderer.

Vor Kirchberg unterqueren wir erstens die Bahn und zweitens die Autobahn. Vor uns zeigt sich der Turm der Kirche Kirchberg. Wenn wir eine Stunde anhängen und weiter bis Burgdorf ziehen, könnten wir gleich wieder besichtigen, die Altstadt von Burgdorf ist ein Bijou. Indes sind wir bis Kirchberg doch schon über drei Stunden gelaufen. Wir können jetzt getrost auch aufhören und durchlüftet vom Bahnhof Kirchberg-Alchenflüh auf der südwestlichen Seite der Emme nach Hause reisen.

Entspannt sind wir garantiert. Und in die Berge können wir immer noch.

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Route: Gerlafingen, Bahnhof – Emmeweg bis nach der Papierfabrik Utzenstorf – Abstecher zum Schloss Landshut – zurück an die Emme – Utzenstorf, Schachen – Brücke Kirchberg-Alchenflüh – Alchenflüh – Bahnhof Kirchberg-Alchenflüh.

Wanderzeit: 3 1/4 Stunden.

Höhendifferenz: vernachlässigbar.

Kürzer: Jederzeit kürzbar dank der Bahnlinie Solothurn–Burgdorf und ihren nahen Stationen.

Länger: Von der Brücke Kirchberg-Alchenflüh weiter die Emme entlang bis Burgdorf; eine Stunde mehr. Lohnend ist das, weil das historische Städtchen Burgdorf jederzeit eine Visite wert ist.

Wanderkarte: 233 T Solothurn, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Charakter: Leichte Flussufer-Wanderung, industrielle Partien und Naturschutzgebiet (Auen) in Verschränkung.

Höhepunkte: Das gewaltige Stahlwerk zu Beginn. Schloss Landshut, ein Wasserschloss in einem idyllischen Park. Die verbuschte, verkrautete, verefeute Natur im Emmenschachen bei Utzenstorf.

Kinder: Keine Probleme. Allerdings muss man sie wie immer am Wasser im Auge behalten.

Hund: Diese Tour macht den Vierbeiner glücklich. Anleinen, wegen der vielen Wasservögel. Und wegen der Reiter.

Einkehr: In Gerlafingen, Utzenstorf (Abstecher), Kirchberg und Alchenflüh.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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