Das Rennen gegen die Grippeviren

Ein Beitrag von Thomas Renggli*

Sue Tran stretching before a snowy run in Salt Lake city, Utah.

Wer sich krank fühlt, sollte pausieren: Eine Läuferin beim Training. Foto: Getty Images

Eine Erkältung dauert mit Medikamenten sieben Tage – und ohne eine Woche. Grossmutters Laienprognose ist in der Regel zwar recht zuverlässig, doch gefühlt kommt den Betroffenen die Zeit mit Husten, Schnupfen und Heiserkeit wie eine Ewigkeit vor. Die gesundheitliche Beeinträchtigung trübt die Lauffreude. Wer kennt das nicht? Wenn der Hals kratzt und die Nase läuft, mag man selber nicht laufen.

Grundsätzlich stärkt regelmässiger Sport das Immunsystem. Lange und intensive Trainingseinheiten können den Körper aber anfällig auf Erkältungen und Infekte machen. Vernachlässigt man dann Erholung und Ruhe, jubeln Viren und Bakterien. In der Fachsprache ist von einem «Open Window» im Immunsystem die Rede.

Hat man eine Erkältung eingefangen, gilt fürs Training eine einfache Faustregel: Der Puls sollte nicht über 100 Schläge pro Minute gesteigert werden. Sonst begibt man sich leichtsinnig in Gefahr. Der Zürcher Sportmediziner Bernhard Sorg warnt vor falschem Ehrgeiz in angeschlagenem Zustand: «Bei einer Erkältung ist das Immunsystem geschwächt. Wer den Körper dann grossen Belastungen aussetzt, nimmt das Risiko von Herzmuskelentzündungen oder anderen Infekten in Kauf. Weil die Abwehrkräfte geschwächt sind, können Giftstoffe Organschäden verursachen.»

Eine Trainingspause kann leistungsfördernd sein

Bei einem leichten Schnupfen sieht die Sache weniger dramatisch aus. Wohldosierte Anstrengung kann in diesem Fall das Immunsystem sogar unterstützen. Entscheidend ist aber, dass man noch besser auf den eigenen Körper hört und «nur» im Wohlfühltempo läuft. Lieber langsam laufen oder sogar gehen (allenfalls mit Nordic-Walking-Stöcken) als den Organismus über Gebühren forcieren. Grosse Vorsicht ist bei sportlichen Aktivitäten im Umgang mit Medikamenten gefordert: «Auf keinen Fall darf man vor dem Training fiebersenkende Mittel einnehmen», sagt Sorg.

Keine zwei Meinungen gibt es bei einem starken Infekt. Körperliche Ruhe ist dann oberstes Gebot. Vor der Wiederaufnahme des Trainings sollte man mindestens drei Tage beschwerdefrei sein. Musste man Antibiotika einnehmen, rät die Schulmedizin zu einer fünftägigen Wartefrist nach Absetzen des Medikamentes. Sorgen über einen nachhaltigen Leistungseinbruch sind fehl am Platz. Wer sich grundsätzlich in solider physischer Verfassung und auf einem guten Trainingsniveau befindet, hat allfällige Defizite innert weniger Tage wieder wettgemacht. Psychologisch kann eine Trainingspause sogar leistungsfördernd sein. Denn nach einigen Tagen Laufabstinenz erhöht sich die Motivation automatisch.

Grundsätzlich gilt: Konsequenz im Training ist wichtig, aber wer sich krank fühlt, sollte pausieren. In der Ruhe liegt die Kraft! Übereifer kann im falschen Moment zur Gefahr werden. Das gilt auch für den normalen Arbeitsalltag. So sagt Mediziner Sorg: «Wer einen Bürojob hat und physisch nicht stark gefordert wird, kann auch mit einer Erkältung arbeiten. Bauarbeiter aber sollten zu Hause bleiben.» Eine Erkältung gilt in der Regel als Vorbotin der Grippe. So oder so sei vorbeugen besser als heilen. Der Mediziner rät zur Grippeimpfung: «Leistungssportler, die eine Grippe einfangen, verlieren in der Regel vier Wochen.»

Tipp: Lesen Sie zum Thema auch: Darf ich trotz Erkältungssymptomen laufen?

thomas_renggli*Thomas Renggli ist Dauerläufer und Journalist.

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8 Kommentare zu «Das Rennen gegen die Grippeviren»

  • Sebastian Michel sagt:

    „Der Puls sollte nicht über 100 Schläge pro Minute gesteigert werden.“

    Ich nehme mal an, dass dies auf der schulmedizinischen Methode der persönlichen maximalen Pulsbestimmung (220 – (minus) Lebensalter = max. Puls) beruht. Dies wäre dann in meinem Fall deutlich anders – und nach meiner Schätzung von meinem Läuferumfeld zu 50% ebenfalls.

    • Peter Balzer sagt:

      Die Schulweisheit vom Puls habe ich schon lange abgelegt. Bin 50, meine aerob/anaerobe Schwelle liegt bei 172, der Maximalpuls bei 193 Schlägen. Mein Ruhepuls ist 41 und sobald ich mich bewege, habe ich schon Puls 130. Ich frage mich, für WEN die meist mantramässig vorgebeteten Pulswerte überhaupt stimmen?

  • Tim Weser sagt:

    Viel entscheidender ist es doch, dass man erst gar keine Erkältung oder gar Grippe bekommt. Hygiene ist hier das Zauberwort. Händewaschen, Händewaschen und nochmals Händewaschen. Und das gründlich.
    Und für zwischendurch notfalls auch mal Händedesinfektion verwenden. Aber nicht das Zeug aus der Drogerie, das wirkt nur gegen Bakterien, sondern dezidiert viruzides Hände-Desinfektionsmittel welches u.a. auch gegen Rhinoviren wirksam ist.

    • Marcus Ballmer sagt:

      Zu häufiges Reinigen schädigt die Haut. Beim Händewaschen mit Seife wird die Haut immer auch „entfettet“, d. h. körpereigene Substanzen wie Ceramide, die die Haut geschmeidig halten, werden mit entfernt. Zudem nützt Händewaschen nicht mal viel gegen eine Grippeansteckung. Influenza-Viren werden per Tröpfcheninfektion übertragen, also beim Niesen, Husten, Sprechen, Küssen. Kurzum: letztlich müssen Sie der kaputten Haut wegen zum Dermatologen – nachdem Sie die Grippe überstanden haben. Was wirklich hilft: impfen.

  • arbeiter sagt:

    Ich habe mich mitte Oktober, wie jedes Jahr impfen lassen, ausser dass mir der gestochene Arm weh tat, spürte ich nichts. Aber ohne Schnupfen und Halsweh gehts auch bei mir nicht, und dann walke ich im Fitnesscenter. Hr. Bill, ich war beruflich lange Zeit im med. Bereich tätig, und da haben sich alle impfen lassen, auch die Herren in weiss. Was die Medis betrifft, gebe ich Ihnen Recht. Aber für mich ein guter Imput, werde meinen Hausarzt fragen, ob er sich auch impfen liesse.

  • Maurice Bill sagt:

    Die Impfung bietet keinen vollständigen Schutz vor Grippe. Nur wenn das Labor viel Glück hat, bekämpft die Impfung genau die Viren, die dann wirklich die Grippe verursachen. Hinzu kommt, dass die Impfung selber zu einer leichten Grippe führen kann. Nach der Impfung muss deshalb der Körper geschont werden. Die meisten Ärzte lassen sich übrigens nicht impfen und nehmen auch viel weniger Medikamente ein als ihre Patienten. Honni soit qui …

    • Leo Schmidli sagt:

      Es kann niemals einen vollständigen Schutz geben. Eine Impfung reduziert nachweislich die Krankheitssymptome (auch ohne Glück). Dass eine Impfung eine Grippe auslösen kann ist Unfug. Und schonen muss man den Körper wegen einer Impfung auch nicht.
      Die Ärzte, die ich kenne, nehmen wegen jeder Kleinigkeit Medikamente…

    • Marcus Ballmer sagt:

      Ob die Impfung einen vollständigen Schutz bietet, weiss ich nicht. Aber sie bietet einen sehr guten Schutz. Seit wir, meine Frau und ich, uns impfen lassen, ist die alljährlich eingezogene Grippe passé.

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