Wer tritt in Cancellaras Fussstapfen?

Trotz grosser Radsportbegeisterung – im Bild die Tour-de- France-Etappenankunft in Bern – wird das IAM-Team im kommenden Jahr nicht mehr weitergeführt. (Bild: Martin Platter)

Trotz Begeisterung – im Bild die Tour-de-France-Etappenankunft in Bern – wird das IAM-Team nicht weitergeführt. (Bild: Martin Platter)

Wer tritt eigentlich in die grossen Fussstapfen von Fabian Cancellara?

In den letzten Wochen blutete mein Velofahrerherz. Die Hiobsbotschaften rissen einfach nicht ab. Zuerst schickten die beiden hochkarätigsten Schweizer Profiteams IAM Cycling und Roth ihre Fahrer wegen Sponsorenmangels in die Wüste. Kurz darauf zog der Radweltverband UCI mit der Austragung der Radweltmeisterschaften im vollkommen stimmungs- und radkulturfreien Wüstenstaat Katar nach.

Immerhin: Aus Schweizer Sicht weiss man seit der WM wenigstens, wer die riesigen Fussstapfen von Fabian Cancellara  ausfüllen soll. «Der Nachwuchs steht bereit», verkündete Radsportspezialist und Co-Kommentator David Loosli am Schweizer Fernsehen seine Einschätzung. Als Grund für diese erstaunlich optimistische Prognose nannte der frühere Radprofi den seltenen Gewinn der Bronzemedaille eines Schweizers im Strassenrennen der Junioren – die einzige Auszeichnung für Swiss Cycling in Doha. Wer die Medaille gewonnen hatte, sagte Loosli nicht. (Es war Reto Müller aus Schaffhausen).

Ob ihm der Name entfallen war oder, ob ihm bewusst ist, dass Erfolge bei den Junioren ziemlich unbedeutend sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Schliesslich wird Nachwuchsförderung primär dazu betrieben, um dereinst Elite- und nicht etwa Juniorenweltmeister zu feiern – und, um den Jugendlichen Halt in der schwierigen Lebensphase der Pubertät zu geben. Es bleibt die Frage: Versinkt der Schweizer Velosport bald in der Bedeutungslosigkeit? Welcher Nichtradsportfan kennt ausser Fabian Cancellara, der zwei Jahrzehnte die Galionsfigur des Schweizer Radsports gewesen ist, aus dem Stegreif noch weitere Namen von Radsportlern?

Schwund an Radsportteams und Dopingfälle

Mich überrascht es nicht, dass der Radsport in den letzten Jahren an Breite und Stellenwert eingebüsst hat. Die dramatische Ausdünnung des hiesigen Strassenradsportkalenders und der Schwund von Radsportteams sind nur zwei Anzeichen dafür. Die Gründe kennt jeder, der sich in einem Veloclub engagiert. Nur wenige sind heute noch bereit, sich ehrenamtlich für die
Allgemeinheit einzusetzen. Dazu kommen die laufend komplizierter und kostspieliger werdenden Bewilligungen und der Personalaufwand für die Streckensicherung, welche für Strassenrennen nötig sind.

Unklarer ist für mich, welchen Schaden die nicht enden wollenden Dopinggeschichten anrichten – zuletzt beim britischen Vorzeigeteam Sky. In einem Interview hat Fabian Cancellara 2011 bemerkenswert offen über die Gratwanderung als Spitzensportler geredet. Soziologen, Psychologen, Ärzte, Sportler und sogar Pfarrer befassen sich immer wieder mit der auch ethischen Frage: Sieg um jeden Preis?

Es scheint, als ob nun die kleinen Rennveranstalter und -teamhalter für die Vergehen auf höchster Ebene büssen. Laufen nämlich Grossanlässe wie die Tour de Suisse oder sogar die Tour de France, ist die Radsportbegeisterung in der Schweiz ungebrochen – wie anders ist es zu erklären, dass anlässlich der Tour-de-France-Ankunft in Bern das Publikum zu Tausenden die Helden der Landstrasse bejubelte?

Glauben Sie an dopingfreien Radsport? Sollen «therapeutische Ausnahmebewilligungen», die schon früher und auch in anderen Sportarten immer wieder zur Kaschierung von Doping gedient haben, verboten werden bzw. der Sportler während der Therapie vom Sportbetrieb ausgeschlossen werden? Und: Wer kommt nach Fabian Cancellara; wohin steuert der Schweizer Radsport?

 

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6 Kommentare zu «Wer tritt in Cancellaras Fussstapfen?»

  • Hämpu Schneeberger sagt:

    Für kleinere Rdf wie TdR, TdS könnte es Mathias Frank unter die Top 3 von schaffen, sonst hat BMC neben Küng mit Dilier und Danilo Wiss weitere wertvolle Helfer. Immerhin hat die Radsportschweiz noch einen ‚Altmeister‘ Albasini, der soeben während der Baskenland-Rdf den Sprintern ein Schnippchen geschlagen hat.

  • Wale Leibundgut sagt:

    Junioren-Weltmeister:
    Die Aussage „ob ihm bewusst ist, dass Erfolge bei den Junioren ziemlich unbedeutend sind“ sollte wohl relativiert werden. Es trifft zu, dass viele später nicht wirkliche Stars geworden sind. Aber Roberto Visentini (Giro-Sieger), Greg LeMond (Weltmeister, TdF-Sieger), Damiano Cunego (Giro), Roman Kreuziger (TdS) und Michal Kwiatkowski (Weltmeister) sowie Marcel Kittel ragen ja dann schon über den Durchschnitt hinaus.

    • Roman Zellweger sagt:

      Wie gesagt es ist kein Garant. Dass einige der jetzigen Stars Juniorenweltmeister waren heisst nur, dass sie ihre Karriere erfolgreich weiterziehen konnten.
      Patrick Vetsch (1989) hat es nie in die ersten Reihen der Profis geschafft, Beat Schumacher (1981) ebenfalls nicht…
      Hier die Liste seit 2009: Jasper Stuyven (der kommt langsam), Olivier Le Gac (?), Pierre-Henri Lecuisinier (?), Matej Mohoric (wann zündet der?), Mathieu van der Poel…
      Hier von 2009 rückwärts: Johan Le Bon (?), Diego Ulissi (OK!), Iwan Rowny (?)
      Marcel Kittel wurde Weltmeister im Einzelzeitfahren.

  • Röschu sagt:

    – Nachweislich überführte Dopingsünder fahren nach kurzer Zeit wieder unbehelligt im Fahrerfeld mit.
    – Als Teammanager und im Staff der Profiteams amten nicht selten Personen mit einschlägiger Dopingvergangenheit.
    – Zwielichtige Ärzte attestieren vielen Profis nicht vorhandene Leiden (wie Asthma), damit diese Fahrer legal irgendwelche Mittel einnehmen dürfen.
    – Die UCI deckt die ‚grossen Namen‘ vor den Dopingkontrolleuren um die Vermarktung dieser Werbeidole nicht zu gefährden.

    Und am Ende des Tages wird allen Ernstes gefragt, weshalb der Radsport für viele Sponsoren nicht mehr attraktiv ist…

    Lösungsansatz: Doping legalisieren um die ständigen Skandale zu verhindern. Und unter uns gesagt: Radsport am TV war in den 90ern wesentlich spannender als heute.

  • Christoph Peter sagt:

    Nachfolger:
    Ich kann mir vorstellen, dass Stefan Küng im Zeitfahren an Cancellara herankommen kann wenn er unfall- und verletzungsfrei bleibt. Ob er als Siegfahrer für die klassischen Eintagesrennen aufgebaut werden kann, weiss ich nicht. Ansosnsten sehe ich niemanden mit dem ganz grossen Potenzial zum Siegfahrer. Bin aber auch nur ein normaler Radsportfan und nicht sehr Insider.
    Doping:
    Die Frage ist für mich: was ist Doping? Doping ist, was auf der Dopingliste steht. Isotonische Getränke sind leistungsfördernd, aber nicht auf der Liste. Warum nicht? Ich bin für Aufhebung aller Schranken aber für vertiefte medizinische Ausbildung und Aufklärung der Fahrer. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, ob wir das gut finden oder nicht. Und wir wollen Spektakel.

  • Roland K. Moser sagt:

    Doping:
    Ich sehe eine offene Klasse und reglementierte Klasse. In der offenen Klasse ist alles erlaubt, in der reglementierten wird analog heute gegen Sünder vorgegangen, oder man versucht es zumindest.
    Gestartet wird gleichzeitig. Die offene Klasse hat z.B. rote Starnummern, die reglementierte z.B. die Standard-Startnummern.

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