Dem Salz auf der Spur
Diese Woche von Vuiteboeuf auf historischem Pfad nach Sainte-Croix (VD)
Heute kaufen wir ein Kilo Salz im Coop oder Migros, es wird einem nachgeworfen, wie man so schön sagt. Einst jedoch war Salz kostbar. Ein Luxusgut, unter Mühen gewonnen und dorthin geführt, wo es benötigt wurde.
Die Gnädigen Herren zu Bern beschafften sich ihr Salz unter anderem im grenznahen Frankreich, in Salins-les-Bains und Arc-et-Senans; sie trieben damit einen schwunghaften Handel. Auf dieser Wanderung kommen wir ihrem Geschäft auf die Spur.
Charmant verlottert
Mit der Schmalspurbahn fahren wir von Yverdon hinauf nach Vuiteboeuf. Dessen Bahnhof hält Abstand zum Dorf. Ein bewaldeter Jurakamm markiert den Horizont. Wir halten über die Ebene auf den Kamm zu, kommen ins Dorf, das charmant verlottert in einer Senke liegt.
Nun gibt es zwei Wege hinauf zu unserem Ziel Sainte-Croix. Der eine Weg ist der wildromantische: die Direttissima durch die Schlucht Gorges de Covatanne.
Um den anderen Weg, den geschichtlich bedeutenden, soll es hier aber gehen. Am Bahnhof war er braun ausgeschildert mit «voie historique». Im Unterschied zur Covatanne-Route zieht er vorerst ein wenig nach rechts an jenen Hang mit den Kehren der Strasse nach Sainte-Croix.
20 Zentimeter tiefe Rillen
Nachdem wir einige Zeit, immer den braunen Schildern folgend, gegangen sind, kommt die Infotafel eines Themenweges in Sicht. Es ist Tafel fünf, denn wir wandern den Weg quasi rückwärts und eröffnen mit der letzten Tafel. Natürlich kann man umgekehrt gehen, abwärts, mit Start in Sainte-Croix. Doch in dieser Jahreszeit ist der Waldboden, gerade der kalkdurchsetzte im Jura, rutschig.
Die Tafel erklärt, was wir in den nächsten dreiviertel Stunden im Boden sehen: markante, bis zu 20 Zentimeter in den Stein greifende Rillen. Die meiste Zeit handelt es sich um Rillenpaare, wobei beide Rillen parallel laufen; mancherorts ziehen sich mehrere Paare nebeneinander durch den Wald. Bisweilen gibt es zwischen einem Rillenpaar Stufen.
Wer kürzlich meine Kolumne über den Weg von Tavannes nach Tramelan las, wo dergleichen rudimentär auch vorkommt, der ahnt es: Die Rillen sind alte Karrengeleise. Womit wir wieder im Ancien Régime sind. Und beim Salz. Die zweirädrigen Ochsenkarren, die den Rohstoff von den erwähnten Salinen zum Schiffsverlad in Yverdon beförderten, hatten ein Problem. Unseren Steilhang eben. Die Rillen lösten das Problem, die Karren spurten in sie ein und fuhren, bei angezogener Bremse, wie in einem Tramgeleise kontrolliert talwärts. Ochsen und Menschen kamen die Stufen dazwischen zupass.
Neuer Blick aufs Salz
So war das damals im 17. und 18. Jahrhundert, Genaueres lese man auf den Tafeln nach. Wenn die Rillen enden, ist die Wanderung dann noch längst nicht fertig. Ein längeres Stück noch gehen wir im Hang, bevor wir bei Le Château-de-Ste-Croix mehr oder minder wieder in der Zivilisation sind. Der Rest ist ein schönes Auslaufen zum Hochplateau von Sainte-Croix hin.
Und wenn wir angekommen sind? Können wir gleich wieder hinab nach Yverdon schmalspuren. Oder uns durch das Musikdosen- und Automatenmuseum Cima führen lassen. Vielleicht essen wir auch etwas in einem Restaurant. Garantiert mustern wir den Salzstreuer aufmerksamer als sonst.
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Route: Vuiteboeuf, Bahnhof – Vuiteboeuf, Dorf – historischer Pfad, braun ausgeschildert, zu den Karrengeleisen und ihnen entlang (identisch mit dem Wanderweg am Strassenhang) – Le Château-de-Ste-Croix – Sainte-Croix – Sainte-Croix, Bahnhof.
Wanderzeit: 2 1/2 Stunden.
Höhendifferenz: 575 Meter auf-, 100 abwärts.
Wanderkarte: 241 T Val de Travers, 1:50’000.
GPX-Datei: Hier downloaden.
Retour: Mit dem Schmalspurbähnli sehr schön von Sainte-Croix nach Yverdon. Oder, bei trockenem Wetter (Kalk ist schlüpfrig), wieder hinab nach Vuitebouef durch die Gorges de Covatanne.
Charakter: Historischer Verkehrsweg in klassisch verkalktem Jurasetting.
Höhepunkte: Das reizend verlotterte Dörfchen Vuiteboeuf. Die Karrengeleise. Der erste Anblick des Plateaus von Sainte-Croix.
Karrengeleise: Sehr guter Link auf Französisch hier. Übergreifender Link zum Themenweg «Via Salina» von Arc-et-Senans nach Yverdon und Bern hier.
Kinder: Bei etwas Beaufsichtigung (steile Hänge) geht das gut.
Hund: Ob er den historischen Gehalt des Weges schätzt? Ansonsten alles bestens.
Einkehr: Am Anfang und am Schluss.
Tipp: Musikdosen- und Automatenmuseum in Sainte-Croix – grossartige Sache.
Rückkehr zum Ausgangspunkt: Schmalspurstrecke Sainte-Croix–Yverdon.
Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.
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