Die Polterfrauen von der Mostelegg
Diese Woche von Steinen auf die Haggenegg und nach Brunni (SZ)
Steinen wird auch «Stauffacherdorf» genannt nach Werner Stauffacher. Was der alte Landammann wohl denken würde, wenn er heute wiederkäme und sähe, wie der Ort und überhaupt die Gegend verbaut ist, denke ich am Bahnhof.
Wir ziehen los, die breite Fassung der Steiner Aa beeindruckt uns, der Bach hat offensichtlich Gewalt. Der Dorfkern von Steinen ist dann doch hübsch. Eine Skulptur zeigt zwei Kerle. Dem einen schlappt die Zunge aus dem Mund, er trägt eine steile Kappe. Der neben ihm macht ein Ferkelmäulchen und hat einen Söldnerhelm auf. Es sind der Talibasch und der Välädi, die Hauptfiguren der örtlichen Fasnacht. Välädi kommt wohl von Valentin, und der Talibasch hat nichts mit den Taliban zu tun. Er ist der tolle Basch, also Sebastian.
Charmant betrunken
Nun geht es aufwärts, was mehr oder minder bis zum Mittagessen so bleiben wird, die Mythengruppe ist unser Blickfang. Soweit wir sie sehen. Denn in manchen Lagen am coupierten Hang liegt Nebel. Vorbei am Schwimmbad Spiegelberg erreichen wir das gleichnamige Aussichtsrestaurant, queren die Raserstrasse von Schwyz nach Sattel. Die Gegend ist nun ganz ländlich, ab und zu ein Hof, ein paar Bäume, Waldstücke, ein Bach, viel mehr ist da nicht. Kari’s Beizli bei der Engelstockweid ist zu. Bei schönem Wetter wäre es offen. Oder wenn man sich angemeldet hat.
Herbstlaub polstert den Boden. Weiter oben zur Mostelegg fetter Nebel. Aus ihm lösen sich sechs junge Frauen. Sie tragen rote Mützen und Hüte, bei zweien ragen Teufelshörner aus dem Hut. Die eine wird demnächst heiraten, erfahren wir, heute wird gepoltert. Alle halten sie Bierdosen in der Hand und sind charmant betrunken, Nachschub haben sie in zwei Migros-Papiersäcken dabei.
So ein Hafechabis
Schneeflecken im Gras. Der Himmel reisst auf, direkt vor uns zackt der Haggenspitz, der Nebengipfel des Kleinen Mythen. Wir passieren eine Holzkapelle. Dann die Wirtschaft, ein Kasten an historischem Ort, die Haggenegg-Passhöhe ist der höchste Punkt auf dem Schweizer Jakobsweg. Die Wirtschaft steht, wo es schon vor Jahrhunderten eine Pilgerherberge gab.
Wir treten ein, haben bald etwas zu essen vor uns, meine Käseschnitte entschädigt für alle Mühen, Ronja hat Hafechabis, einen Eintopf aus Weisschabis und Fleisch. Wie die Jagd gelaufen sei, fragen wir die Jäger am Nebentisch. Sie reagieren verhalten. Jäger sind heute potenzielle Unpersonen. Rehkiller. Tierlimörder. Die Jäger sind sichtbar erleichtert, als sie merken, dass wir sie gut finden, nun kann man reden.
Auf ewig im Nebel
Der Abstieg durch den Gummenwald mit seinen Geröllbrocken und Moosfelsen ist hernach leicht. Bald sind wir unten bei Brunni. Der Riesenparkplatz dient den Wanderern auf den Grossen Mythen und den Skifahrern zu. Unser Bus nach Einsiedeln wird erst in 40 Minuten fahren. Im Restaurant Brunnialp nehmen wir einen Kafischnaps und sinnieren. Irgendwie waren die Polterfrauen irreal. Vielleicht sind es verwunschene Gestalten. Sagenfiguren, die auf ewig durch den Nebel gehen müssen mit einer Bierdose in der Hand.
++
Route: Steinen, Bahnhof – Steinen – Spiegelberg -Engelstockweid – Mostelegg – Haggenegg – Brunni (Bushaltestelle im SBB-Fahrplan: «Brunni SZ, Talstation LBH»).
Wanderzeit: 4 1/4 Stunden.
Höhendifferenz: 994 Meter auf-, 340 abwärts.
Kürzer und leichter: Wer erst bei der Bushaltestelle «Steinen, Spiegelberg», also beim Restaurant Spiegelberg, startet, spart 50 Minuten und 233 Höhenmeter im Aufstieg.
Wanderkarte: 236 T Lachen, 1: 50’000.
GPX-Datei: Hier downloaden.
Retour: Von Brunni per Bus nach Einsiedeln, Bahnhof.
Charakter: Voralpines Herbstwandern in recht coupiertem Gelände. Aussichtsreich, wenn es nicht nebelt.
Höhepunkte: Die Pilgerkapelle der Haggenegg, die Einkehr daselbst. Der Anblick des Haggenspitzes und Kleinen Mythen von ganz nah.
Kinder: Geht gut. Einige Passagen führen durch steile Hänge, Beaufsichtigung ist nötig.
Hund: Alles gut.
Einkehr: Restaurant Spiegelberg, ab November Mi Ruhetag, vorher durchgehend offen. Kari’s Beizli, Engelstockweid, offen bei schönem Wetter oder auf Anmeldung, 041 810 30 43. Berggasthaus Haggenegg, täglich offen. Restaurant Brunnialp, Brunni, Mi/Do Ruhetag.
Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.
++
Kommentarfunktion deaktiviert.