Die zwei Wunder von Gobi
Die Geschichte hätte der Traumfabrik Hollywood nicht besser gelingen können. Alle Ingredienzen sind vorhanden: Abenteuer, Liebe auf den ersten Blick, eine brutale Trennung, eine aussichtslose Suche, bange Tage der Hoffnung und ein Ende, das zu Tränen rührt.
Die weibliche Hauptrolle spielt Gobi: Eine eher kleinwüchsige, schlanke Sie mit braunen Kulleraugen, einer grossen Portion Charme und garantiertem Jöh-Faktor.
Der Held ist Dion: Ein durchtrainierter, grossgewachsener Australier, der in Schottland wohnt, mit unheimlicher Ausdauer, braun gebrannt, entschlossen und mit breitem Grinsen.
Die Szenerie des Plots: Die Öde der Wüste Gobi.
Bis ins Ziel und noch viel weiter: Freundschaft zwischen Marathonläufer und Streuner. (Youtube/Breaking News)
Erster Akt – die Begegnung
Der Ultramarathoner Dion Leonard nimmt die zweite Etappe eines Langstreckenrennens durch die Wüste Gobi in Angriff, als sich eine kleine Hündin an seine Fersen heftet. Gobi, wie der Läufer die streunende Hündin später taufte, verlässt ihren Athleten nicht. Im Zwischenziel angekommen, folgt sie ihm schnurstracks ins Zelt, wo sie an seine Seite gekuschelt nächtigt und ihn in der Dunkelheit sogar zum stillen Örtchen begleitet.
Zweiter Akt – die Verbundenheit
Seite an Seite gewinnen sie die dritte Etappe. Die struppige Hündin begleitet ihren Auserwählten auf den übrigen Streckenabschnitten. Sie legt mit ihm 125 der 250 Kilometer im heissen Sand und über Geröll zurück. Das Paar ist unzertrennlich – teilt Schlafsack und die knappen Essensrationen. In Dion wächst der Wunsch, seiner Begleiterin ein Zuhause zuschenken.
Dritter Akt – die Trennung
Die Ziellinie liegt hinter dem ungleichen Paar, die Zukunft vor ihm. Der Läufer hat mit seiner Frau und indirekt mit seiner Katze Kriegsrat gehalten. Die kleine Hündin soll nach Peking in die Quarantäne und von dort aus per Flugzeug von China nach Schottland reisen. Doch dann nimmt die Geschichte eine tragische Wende: Gobi nimmt Reissaus, noch bevor sie ihre Reise nach Peking antritt – in Urumqi, einer Stadt mit drei Millionen Einwohnern. Dion fliegt schweren Herzens nach Hause.
Vierter Akt – die Suche
Der Läufer wäre kein Ultramarathoni, würde er sich nicht mit Entschlossenheit dem Schicksal entgegenstellen. Er reist zurück nach China, nach Urumqi, um seine Verlorene wiederzufinden. Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen beginnt. In den Strassen der 3-Millionen-Stadt, wo kaum einer Englisch spricht, durchforstet er jedes Hundeasyl, streift bis tief in die Nacht hinein durch die Strassen, klebt Vermisstenanzeigen an Hauswände, mobilisiert die sozialen Medien – erfolglos.
«Ich musste es tun, damit ich alles getan habe, um sie wiederzufinden», sagt Dion Leonard.
Fünfter Akt – die Vereinigung
Als der Schotte die Hoffnung schon fast aufgegeben hat, klingelt sein Telefon. Am Apparat ist ein Chinese, der einen streunenden, struppigen Hund gesichtet und bei sich aufgenommen hat – es könnte Gobi sein, mutmasst der Mann. Dion bleibt skeptisch, es ist nicht der erste Anruf dieser Art. Er betritt das Haus des Chinesen, hat noch kein Wort gesagt, als die Hündin sich an seine Beine wirft – winselnd vor Glück.
We bloody well found her!!! pic.twitter.com/tIw5fEIDIg
— Dion Leonard (@Oh_Yes_Please) 24. August 2016
Abspann:
Die kleine Hündin hat inzwischen die Quarantäne in Peking angetreten und macht sich bald schon auf ihre grosse Reise nach Schottland – wo Dion auf sie wartet. In der Zwischenzeit sammelt der Schotte Geld für herrenlose Hunde (http://www.crowdfunder.co.uk/bringgobihome).
Ein Kommentar zu «Die zwei Wunder von Gobi»
schnief – schöne geschichte :)