Wir möchten Bäume küssen und Schnecken segnen
Diese Woche von Tavannes nach Tramelan im Berner Jura
Tavannes, der Ort im Berner Jura, heisst zu Deutsch «Dachsfelden»; in Basel erinnert an diesen verblichenen Namen noch die Dachsfelderstrasse. So weit zu unserem Startort. Unser Ziel ist Tramlingen. Also Tramelan.
Wir steigen in Tavannes aus dem Zug, orientieren uns am Wegweiser, unser erstes Ziel ist La Tanne. Bald sind wir aus dem Ort, es geht im Folgenden lange aufwärts, aber nie happig. In der Forêt de la Voité müssen wir kurz etwas absteigen, bevor der Weg wieder steigt.
Römerstrasse ohne Römer
Wir wandern alsbald zehn Minuten lang auf der «Route Romaine», der Römerstrasse. Die alte Bezeichnung ist irreführend. Bei den Parallelrinnen im vermoosten Kalkboden, die von Stufen begleitet sind, handelt es sich um eine spätmittelalterliche Vorrichtung. Um eine Geleisestrasse für Ochsenkarren, die tramartig in den Schienen aus Stein die Steilpassage bewältigten. Ein Pendant von wesentlich grösserer Dimension findet man übrigens im Hang zwischen Vuiteboeuf und Sainte-Croix im Waadtländer Jura; dort ist ein Themenweg ausgeschildert.
Das eine oder andere Foto wird gemacht, freilich ist das Licht schwierig, Sonne fällt durch die Bäume, der Boden ist ein Flickenteppich aus hell und dunkel. Oben bei La Tanne, dem Scheitelpunkt der Wanderung, treten wir kurz darauf wieder in die Sonne. Was folgt, ist eine halbe Stunde Herrlichkeit. Die Hochebene vor uns: Der Geist der Freiberge waltet. Durchatmen, Weite inhalieren, alles beruhigt sich, wir Wanderer lächeln selig wie der heilige Franz von Assisi. Wir möchten Bäume küssen, Kräutlein streicheln und Schnecken segnen.
Das Esswunder zu Tramelan
Nach sanftem Abstieg durch die Weiden erreichen wir Tramelan. Dort wird uns, was die Assoziation zum heiligen Franziskus erhärtet, ein Esswunder zuteil. Der Wanderweg leitet zum Hotel-Restaurant Union. Was wir serviert bekommen, macht glücklich. Ich habe ein Poulet jaune, also eine Maispoularde, gebettet in eine Morchelsauce – formidabel.
Nicht einmal zweieinhalb Stunden hat die Wanderung gedauert. Den einen genügt das. Andere mögen fragen: Was nun? Es gibt Möglichkeiten. Erstens: Wir könnten von Tramelan via Le Cernil zum berühmten Moor-Seelein Etang de la Gruère halten, es umrunden und zur Bushaltestelle Moulin de la Gruère gehen. Das dauert 2,5 Stunden. Ebenso viel Zeit braucht, zweitens, der Aufstieg von Tramelan via Bise de Cortébert zum Col du Mont Crosin; auch dort fährt ein Bus.
Jobsharing in der Antike
Drittens könnten wir mit dem Zug von Tramelan retour nach Tavannes fahren. Dort führt ein einstündiger, ab dem Bahnhof signalisierter Spaziergang zur Quelle der Birs, die durch eine Scheibe zu bestaunen ist. Weiter oben am Hang wartet der Römertunnel von Pierre Pertuis.
Der kühne Durchstich ist im Unterschied zum Römerweg bei La Tanne echt antik. Das Loch durch den Felsriegel am Passweg war zwar schon von der Natur angelegt. Dann aber, so verkündet eine Inschrift, kam Marcus Dunius Paternus und liess es erweitern als Teil einer Durchgangsstrasse. Besagter Beamter war, auch das steht auf dem Schild, ein Duumvir. Ein «Zwiemann». Das heisst, dass er einen gleichgestellten Kollegen hatte, was ein bisschen nach Jobsharing klingt.
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Route: Tavannes, Bahnhof – Forêt de la Voité – Rillenweg – La Tanne – Prés Renaud – Tramelan, Bahnhof.
Wanderzeit: 2 ¼ Stunden.
Höhendifferenz: 314 Meter auf-, 180 abwärts.
Wanderkarte: 232 T Vallon de St-Imier und 222 Clos du Doubs, 1:50’000.
GPX-Datei: Hier downloaden.
Retour: Kurze Bahnfahrt von Tramelan nach Tavannes.
Charakter: Leichte Route mit historischem Flair. Wunderbare jurassische Hochebene im Mittelteil.
Höhepunkte: Die Rillen von La Tanne. Gleich anschliessend der Blick über die Hochebene. Das Essen im Hotel-Restaurant Union in Tramelan.
Kinder: Geht gut.
Hund: Geht ebenfalls gut.
Einkehr: Hotel-Restaurant Union in Tramelan. So/Mo zu. Reservieren!
Verlängerung: Vieles ist denkbar. 1. Von Tramelan via Le Cernil zum reizenden Moor-Seelein Etang de la Gruère, Umrundung, dann zur Bushaltestelle Moulin de la Gruère. 2,5 Stunden. 2. Von Tramelan via Bise de Cortébert zur Bushaltstelle auf dem Col du Mont Crosin. 2,5 Stunden. 3. Mit dem Zug retour nach Tavannes. Dort kurze Visite bei der Birsquelle (zu sehen hinter einer Scheibe; ausgeschildert ab Bahnhof) und weiter oben zum Römertunnel von Pierre Pertuis. Hin und zurück eine Stunde.
Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.
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