Das Radhosen-Dilemma
Liebe Leserinnen und Leser, in den Sommerferien erlauben wir uns einen Blick zurück und präsentieren Ihnen einige unserer Highlights. Viel Vergnügen! Die Redaktion.
Folgender Beitrag ist von Jürg Buschor, Erstpublikation: 18. Februar 2016.
Komisch – beim Anblick von Mountainbikern in eng anliegender Beinbekleidung geht bei mir das Kopfkino los und ich höre den irrwitzigen Song aus Mel Brooks’ Film-Parodie «Helden in Strumpfhosen». Die Darsteller singen: «We’re men in tights…» Kein schöner Anblick, denke ich und stelle mir die Frage: Darf man als Mountainbiker eigentlich noch Lycra tragen, wenn man nicht gerade als Rennfahrer um Titel und Ehren fährt?
Eng macht schnell
Sie gilt als funktionelle Race-Hose: Perfekter Sitz, keine Falten, kein Flattern. Im Cross-Country- und Marathon-Sport geht der weitaus grösste Anteil der Fahrer daher nach wie vor in eng anliegenden Hosen an den Start. Als sich Manuel Fumic – seines Zeichen dreifacher deutscher Cross-Country-Meister – 2012 in Nove Mesto selbstbewusst über den ungeschriebenen Dresscode seiner Kollegen hinwegsetzte und mit lässigen Shorts das World-Cup-Rennen fuhr, erntete er neben Be- auch grosse Verwunderung und Kritik. Und sah sich zu einem Kommentar genötigt: «Es passt einfach super gut zum modernen Cross-Country-Sport», schrieb er auf seinem Facebook-Profil. «Schnell, sportlich, stylisch. Nachteile kann ich keine erkennen.» Mittlerweile ziehen auch andere nach. Doch stimmt Fumics Behauptung? Gibt es wirklich keine Nachteile? Bike-Hersteller Specialized suchte die Antwort im Windkanal. Das Ergebnis ist wenig überraschend: Lycra macht schneller. Durchaus überraschend: Über eine im Windkanal nachempfundene Strecke von 20 Kilometern führten weite Shorts gegenüber der Lycrahose zu einem Zeitverlust von ganzen 70 Sekunden. Im Rennsport ist das eine halbe Ewigkeit.
Wie wirkt sich die Hosenwahl auf die Geschwindigkeit aus? Baggy vs. Lycra im Specialized-Test.
Dresscode für Downhiller
Unter den Fahrern der Downhill-Elite hat sich die weite Hose dagegen schon seit längerem durchgesetzt. Kombinierte man Anfang der Neunzigerjahre auch in dieser Disziplin hautengen Stoff mit Protektoren, diskutiert man heute allenfalls noch über Stilfragen. Zum Beispiel wenn Downhill-Ikone Missy Giove mit 43 Jahren in Jeans und ohne Handschuhe beim World Cup antritt. Ansonsten gilt der Kleidung eher wenig Aufmerksamkeit. Dass nicht doch ein Downhill-Pilot auf die Idee kommt, nach einer verlorenen (Bier-)Wette in Tights anzutreten, verhindert auch das Reglement des Weltverbands UCI. In dem Dokument ist «lycra-elasthan-basierte, eng anliegende Kleidung» für die Disziplinen Downhill und Four Cross schlichtweg nicht erlaubt. Dies mag der Robustheit der Kleidung geschuldet sein, denn in dieser Hinsicht sind die Shorts durchaus funktional. Mit anderen Worten: Wenns mich bergab tatsächlich aus der Kurve haut, reisse ich mir nicht gleich die Hose und den Arsch auf. Mit Knieprotektoren lässt sie sich ebenfalls leicht kombinieren. Bergauf kanns dafür schon mal heiss werden, wenn auch regulierbare Belüftungseinsätze Linderung versprechen.
Mode-Liebling
Funktionalität hin oder her – auch bei den Freizeitbikern wird der Anblick von Lycra immer seltener. Aus ästhetischen Gründen kann ich nur sagen: zum Glück! Nach einer offiziellen Statistik zu den Hosenvorlieben von Mountainbikern sucht man zwar vergeblich, doch Shorts sind «in». Möglicherweise auch deshalb, weil sie nicht nur Beinkleid sind, sondern ausserdem noch ein Lebensgefühl transportieren. Das Gefühl, ein wenig tougher, ein wenig lässiger, ein wenig unkonventioneller zu sein. Doch irgendwann ist es da wohl wie mit dem Hipster: Plötzlich sind wir alle unkonventionell. Und natürlich sind Bikeshorts längst Mainstream geworden. Aber zurück zur Lycra? Das dann doch lieber nicht!
Fühlen Sie sich auch in weiten Bikeshorts am wohlsten oder halten Sie der Lycra die Treue? Welche Hose ist Ihr Favorit – und warum?
8 Kommentare zu «Das Radhosen-Dilemma»
Ich mag sie auch, die engen Lycras, sitzen gut, sind bequem und bleiben nirgens hängen. Sind auch keine Insektenfänger !!
Ich würde hier noch die Trägerdiskussion mit einbringen. Lycra’s sehen vielleicht nicht so attraktiv aus, dafür bei denen mit Trägern – im Gegensatz zu Shorts – kein Klempner-Décolleté …
Wer gern Dreck und Insekten (hoffentlich Bienen oder Wespen) in der Hose resp. im Schritt hat, der trägt natürlich die weiten. Logisch, oder?
Nur weil sich gewisse Leute mit ihren behaarten Zündholzbeinchen nicht in Lycrashorts zeigen wollen, dafür aber lieber schwarze (sic!) Socken und weite Shorts tragen möchten, dann können die das so machen. Ich bleibe aber bei meiner Wahl und fordere noch so gerne jeden zu einem Duell heraus, ob 100m, 100km, Begauf mit 53-21… Hauptsache man fährt nicht wie ein Weichei
Was sind das bloss für Egoisten, wo trotz Fahrverbot und Holzschranken im Wald mit dem Bike runterfahren müssen? Man sieht es an den Reifenspuren, die sie hinterlassen. Die Pneus fordern die Erosion. Sollte mir mal ein solcher begegnen, könnte ich meine gute Kinderstube glatt vergessen.
Wenn Holzschranken im Wald gesetzt werden um Biker abzuhalten, dann sollte der Wanderer evt. dort auch nicht unbedingt durchlaufen…
Wen intessierts? Soll jeder tragen, was ihm passt. Gilt auch für die angeblich modischen langen Socken auch.
ich besitze auch solche Bikeshorts, bevorzuge aber die engen Tights.
kein Scheuern an den Oberschenkeln.