Da bleibt nur die Flucht
Ein Sommerabend im Mittelland. Langsam sinkt die Sonne hinter den Horizont, die Luft kühlt allmählich ab. Am Waldrand streift ein Fuchs durchs hohe Gras, drei Rehgeissen suchen nach saftigen Kräutern. Der Rehbock zögert noch und späht aus einem Busch. Doch dann treibt auch ihn der Hunger ins Freie.
Oben in der Baumkrone sieht man das Unheil derweil schon kommen: Eine Frau mit zwei grossen Hunden läuft gerade querfeldein auf Fuchs und Rehe zu. Während sie vor sich hin träumt, haben es die Hunde schon in der Nase: Rehe! Ohne zu zögern und ihrem Jagdtrieb folgend, schiessen sie auf den Waldrand zu. Erst beherztes Schreien vom Hochsitz stoppt die Hunde und verschafft den Rehen die notwendige Zeit zur Flucht.
Man sieht viel, wenn man gut getarnt in den Baumwipfeln sitzt. Doch auch von da nicht alles: So überrascht es immer wieder, wie plötzlich Mountainbiker um die Ecke geflitzt kommen oder Wanderer aus dem Nichts auftauchen – oft an den unmöglichsten Orten, abseits von Strassen und Wegen. Tiere reagieren dabei in der Regel alle gleich: mit Flucht.
Dabei macht sich jedes Tier anders aus dem Staub. Rehe fliehen meist nur über eine kurze Strecke. Sie verstecken sich lieber in Büschen und im Unterholz. Sie sind «Schlüpfertypen». Ihr Körper ist geschaffen, um sich in Gestrüpp und dichtem Wald zu bewegen. Ganz anders der Rothirsch: Er imponiert mit voluminöser Brust und muskulösen, langen Beinen. Als «Läufertyp» flieht er teilweise über weite Strecken. Untersuchungen von Tieren mit Sender haben gezeigt, dass aufgeschreckte Rothirsche über mehrere Kilometer weit an die andere Talseite flohen.
Wer die Natur kennt …
Flucht ist immer ein negatives Erlebnis. Es fordert Energie und zehrt an der Substanz. Insbesondere im Winter, wenn die Nahrung ohnehin knapp ist, wird das zum Problem. Zudem droht bei Flucht Verletzungsgefahr. Nicht wenige Tiere enden dabei unter einem Auto oder zerschmettert in einer tiefen Schlucht.
Am besten geht es Hirsch und Co., wenn der Mensch sie in Ruhe lässt. Doch wir dringen ständig in ihren Lebensraum ein – als Sportlerinnen und Sportler, Erholungssuchende und mit immer neuen Hobbys. So ist es mittlerweile eine Gesetzmässigkeit: Wo einer eine Fussstapfe hinterlässt, da folgt bald eine zweite, darauf kommen Bikespuren, Hufabdrücke und irgendwann Grillstellen.
Man halte sich an Wildruhezonen
Ein friedliches Nebeneinander wäre allerdings möglich. Denn Wildtiere können sich an den Menschen gewöhnen. Wenn sie die Kontrolle über ihr Revier behalten, dann bleiben Tiere meist ruhig. So schauen zum Beispiel Gämsen unbekümmert den langsam aufsteigenden Tourenskifahrern und Mountainbikern zu. Doch fahren diese dann mit hohem Tempo den Berg herunter, fliehen Gämsen – zu sehr sieht das nach einem Angriff aus.
Wer die Natur respektiert, hält sich kompromisslos an Wildruhezonen und verlässt Wege möglichst nicht. Insbesondere Waldränder (Nahrungsaufnahme) und dichten Wald (Ruheplätze) sollten Outdoorbegeisterte meiden.
Regeln auswendig lernen ist zwar nützlich. Noch besser ist es, ein tieferes Verständnis für unsere Tier- und Pflanzenwelt zu entwickeln. So tut man instinktiv das Richtige – und nimmt die Natur erst noch bewusster wahr.
Welche Erfahrungen haben Sie mit Wildtieren gemacht? Und wie passen Sie persönlich Ihr Verhalten an, wenn Sie mit dem Mountainbike unterwegs sind?
10 Kommentare zu «Da bleibt nur die Flucht»
Na ja, wenn ich mit dem Bike unterwegs bin, dann sehe ich immer wieder Tiere. So schlimm kann es also nicht sein. Vor allem aber plädiere ich für mehr Bike-Trails. Dann muss man auch nicht abseits der Wege fahren, um Spass zu haben.
Ich bin gerne und oft im Wald unterwegs. Dabei stelle ich fest, dass ca. 50% der Hunde nicht angeleint sind und sich frei bewegen können. Als Laie finde ich dies bedenklich und glaube das dies für viele Wildtiere bedrohlich wirkt.
Jeder, der Fleisch isst, motzt mal besser nicht gegen Jäger. Und da wir keine Bären und fast keine Wölfe mehr haben, muss jemand deren Funktion übernehmen. Allerdings werden die Abschussquoten für Hirsche, Rehe und vor allem die äußerst cleveren Wildschweine in der CH soweit mir bekannt nicht mal annähernd erfüllt.
Naja, finde ich schon zwiespältig, dass ein Jäger sich über jagende Hunde aufregt. Wieso darf ein Hund nicht, was ein Jäger selbstverständlich tut?
„Ein friedliches Nebeneinander wäre allerdings möglich.“
„Raphael Hegglin ist leidenschaftlicher Jäger[…]“
Ich habe gar nicht gewusst, dass Tiere abzuknallen zu einem friedlichen Nebeneinander gehört. Tja, man lernt nie aus bei diesen Jägern.
@Onkel Arnold: Ob es nun in Ihr Weltbild passt oder nicht, Jagd ist ein gesetzlicher Auftrag der erledigt werden muss.
Ob es nun in Ihr Weltbild passt oder nicht, Gesetze stehen und fallen mit den Werten, die in den jeweiligen Gesellschaften vorherrschen. Natürlich zählen in einem Land wie der Schweiz, wo aus rein kulinarischen Gründen zwei sogenannten Nutztiere pro Sekunde getötet werden, die paar tausend Wildtiere, die der Jagd zum Opfer fallen, rein gar nichts. Aber vielleicht wird sich das ja mal ändern.
Ein beherztes Schreien stoppt die Hunde? Leider wohl nur in den seltesten Fällen!
Leider interessieren sich die meisten Menschen in Ihrem Egotrip nur für ihre Partikularinteressen. Ein höflicher Hinweis oder bitte wird mit „…ich darf das“ goutiert. Besonders Städter haben den Bezug zur Natur und deren Regeln verloren, glauben jedoch der Landbevölkerung erzählen zu müssen, wie die Natur funktioniert. Dabei leidet vor allem eine Gruppe: die Wildtiere!
Schiesst Fotos, nicht Tiere!