Guten Flug!

Diese Woche eine Abwärtswanderung vom Weissfluhjoch nach Langwies (GR)

Weissfluhjoch, fast 2700 Meter über Meer. Die Standseilbahnfahrt ab Davos Dorf in zwei Sektionen war atemberaubend gewesen. Zwei Dinge frappierten mich oben: erstens die geschmacklose Präsenz des Wintertourismus, überall Skiliftmasten und Werbeschilder und dergleichen.

Zweitens die Landschaft. Grauschwarzes Geröll. Ich kam mir vor wie auf dem Mond.

Ich ging los und… nein, halt, eine Vorbemerkung. Diese Route ist dem Stamm der Gern-abwärts-Geher gewidmet. Bis zur Bahn unten in Langwies an der Linie Chur–Arosa geht man nur 40 Meter aufwärts, aber 1382 Meter abwärts. Ich finde, es liegt darin etwas Wunderbares, wenn nur die Knie mitmachen; natürlich kann man sie mit Stöcken ein Stück weit entlasten.

Man hat, wenn man absteigt, stets sein Ziel oder Zwischenziel vor Augen und visiert es an wie ein Pilot die Landepiste. Ja, ich war an jenem Tag ein Flugzeug.

Spektakel Felsenweg

Das erste Ziel in diesem Fall war der Strelapass. Es dauerte, bis ich auf der Totalp die Skivorrichtungen los war. Die Sicht, übrigens, war fantastisch, die grauen Bastionen des Rätikon sah ich nun zwar nicht mehr, blickte dafür weit Richtung Süden: Gipfel, Gipfel, Gipfel.

Alsbald fesselte mich etwas Nahes: Mein Weg, Felsenweg genannt, führte durch die Westflanke des Gross Schiahorns. Galerien machten es in der heikelsten Partie möglich, überhaupt die Flanke wandernd queren zu können. Wo ich kein Dach über dem Kopf hatte, ging ich schnell, Steinschlaggefahr. Mit ihr muss der Wanderer in dieser Passage leben.

Beim Strelapass gab es ein Restaurant. Aber nun lockte mich das Grün weiter unten im Haupter Tälli respektive Sapün, wie der grüne Einschnitt gegen Langwies zu heisst; ich stieg gleich weiter ab. Dieser Abschnitt war nicht mehr extraterrestrisch, hatte es aber in sich, weil der Passweg steil war und ungemein rutschig.

Endlich fand ich mich in sanfter Lage: ein Fahrweg, Gaden, Weiden mit Kühen. Beim Gasthaus Heimeli im Jatz (so heisst der Weiler) ankommen fühlte sich an wie heimkommen. Über die Jahre bin ich dort immer wieder gewesen, vor allem winters, die Wirtsleute pfaden das Strässchen hinab nach Langwies. Einst, als ich von unten kam, gumpte mir eine Wollsau fröhlich grunzend entgegen; sie nahm eine Abkürzung durch den Schnee und wälzte sich.

Zorn eines Mädchens

Ich kehrte ein, ass, genoss, mir fiel wieder ein, dass sich der Name des Sapün vom lateinischen «symphonium», gleich Kuhglocke, ableitet. Schliesslich zog ich weiter, vorbei an der Walsersiedlung Dörfji aus geschwärzten Gehütten, die heute vor allem zu Ferienzwecken genutzt werden.

Kurz vor Langwies wieder ein alter Bekannter, der Sapüner Steg. Die gedeckte Holzbrücke hat ein berühmtes Walserlied inspiriert, die zornige Klage eines Mädchens darüber, dass sein Liebster es wegen eines reichen Mädchens verlässt. Der Text beginnt so: «Mis Büeli gäid über Sapüner Steg i/ I wünschä-mä Wassär in d Schuä.»

Der Rest: Auslaufen ins Dorf. Ein Kurzbesuch in der Kirche mit ihren uralten Fresken. Und ein letzter kleiner Abstieg hinab zur Station. Dort befand ich, dass es ein fantastischer Flug gewesen war.
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Route: Weissfluhjoch, Bergstation (Standseilbahn in zwei Sektionen ab Davos Dorf) – Totalp – Felsenweg – Strelapass
– Jatz/ Restaurant Heimeli – Chüpfen – Dörfji – Langwies, Dorf – Langwies, Station.

Wanderzeit: 3¼ Stunden.

Höhendifferenz: 40 Meter auf-, 1380 abwärts.

Wanderkarte: 248 T Prättigau, 1:50’000.

GPX-Datei: Hier downloaden.

Retour: Langwies (Station) liegt an der Bahnlinie Arosa–Chur.

Charakter: Herrliche Unterschiede, oben grau, unten grün. Viel Höhendifferenz, der Abstieg geht in die Beine. Keine ausgesetzten Stellen, trittsicher muss man aber sein.

Höhepunkte: Die Fahrt aufs Weissfluhjoch. Die Mondlandschaft oben. Der abenteuerliche Felsenweg (Steinschlaggebiet). Das liebliche Hochtal von Sapün mit der alten Walsersiedlung.

Kinder: Wenn sie fit sind und beaufsichtigt werden, kein Problem.

Hund: Ja.

Einkehr: Auf dem Weissfluhjoch. Auf dem Strelapass (bei gutem Wetter immer offen bis circa Mitte Oktober). Berggasthaus Heimeli (Di Ruhetag). In Langwies.

Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.

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