Tour de Suisse: Das Autorennen

Wir begrüssen heute Martin Platter*, unseren neuen Kollegen im Outdoorblog. Er schreibt ab sofort jeden zweiten Donnerstag in der Rubrik «Velo».

Als Zuschauer an der Strecke der Tour de Suisse gerät man in Zweifel, ob es sich hier tatsächlich um ein Velorennen handelt. In Anbetracht der grossen Anzahl Begleitfahrzeuge könnte das «Volksfest auf Rädern» leicht auch als Auto- oder Töffrennen durchgehen.

«Komm, wir gehen an die Tour de Suisse. Sie fährt heute durch unser Dorf – und das gleich viermal.» Die Begeisterung meines Achtjährigen, der selber sehr gerne Rennvelo und Mountainbike fährt, hält sich in Grenzen. Deshalb ändere ich meine Taktik: «Willst du Geschenke, mein Sohn?» Sofort blitzen seine Augen auf. «Ja, gerne!» Wir ziehen zeitig los, um die Werbekarawane, die rund eine Stunde vor dem eigentlichen Radrennen der Tour de Suisse kreist, nicht zu verpassen.

Wir fahren zunächst nach Ebertswil an den höchsten Punkt der Runde im Kanton Zürich und sind nicht die Einzigen mit dieser Idee, obschon es leicht regnet und ein kühler Wind bläst. Die sonst sensationelle Aussicht auf das Zugerbiet ist wolkenverhangen. Nach unzähligen Streckensicherungsmotorrädern und Wagen aus dem Begleittross fahren endlich die ersten Autos der Werbekarawane heran. In Kürze hat mein Sohn einen Hut und drei Käppis auf dem Kopf. Dazu eine kleine Treichel vom Hauptsponsor um den Hals und haut mit Krawall begeistert die mit Luft gefüllten Stäbe eines grossen Schweizer Erlebnisbads zusammen. Seine Skepsis ist wie weggeblasen. Da hält auch noch der Glacewagen. «Papa, hilf mir!», fleht der Kleine. Meine Aufmerksamkeit gilt aber mehr den Autos und Motorrädern, die mit hoher Geschwindigkeit durch das Zuschauerspalier preschen. An der Tour der France, wo im Vergleich zur Schweizer Radrundfahrt alles gefühlt zehnmal grösser ist, kommt es in der Werbekarawane deswegen immer wieder zu schweren und sogar tödlichen Unfällen, in die oft Kinder verwickelt sind.

Ein Auto rammt einen Rennfahrer. Quelle: Youtube

Bei uns geht glücklicherweise alles gut. Inzwischen hat die Anzahl offizieller Fahrzeuge wieder zugenommen. Ein Indiz, dass sich bald die Velofahrer nähern. Sie haben eine 47 Kilometer lange Runde viermal zurückzulegen. Schon bei der ersten Passage kommt ein Quartett mit fünf Minuten Vorsprung auf den Rest. Das Hauptfeld kündigt sich mit noch mehr Fahrzeugen und Motorrädern an. Dann endlich gibt die Armada Motorisierter die Sicht auf die Rennvelofahrer frei. Danach folgt wieder eine lange Kolonne Teamfahrzeuge.

Wäre das Spektakel nicht viel grösser, wären die Sportler wieder wie früher im Rennen auf sich alleine gestellt? Ohne Teamfahrzeuge und ohne Funk im Ohr mit den Anweisungen des sportlichen Leiters. Erlaubt wären nur die Streckensicherung und die TV-Motorräder. Schreckensbilder von Begleitfahrzeugen, die aus Unachtsamkeit Rennfahrer über den Haufen fahren, würden der Vergangenheit angehören. Die vier Ausreisser wären an diesem Tag womöglich durchgekommen. Der Spannung hätte es gut getan.

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13 Kommentare zu «Tour de Suisse: Das Autorennen»

  • Carroz claude sagt:

    Es geht hier im Radsport, im Speziellen, nur um Werbung Geld,Geld, sehr viel Geld und gesehen werden. Spektakel, Show, Kamikaze, Unfälle durch eben diese unfähigen Motorfahrzeugchauffeure. Es liegt einzig und allein am unfähigen UCI Chef.

  • Laszlo sagt:

    Hört auf von Früher.Die heutige Zeit zählt.Verhältnismässigkeiten sind in der Politik auch nicht hinterfragt.Nur die ,diesen mit dem Metier zu tun haben kennen diese Vorschriften und Verhältnisse.Solche Kritik gehört nicht zum Sport und schon gar nicht an diese Medien.Schraubendreher an den Töff Li diese letzten Sonntag auch unverhältnismäßig 24 Stunden durch CH fuhren.Jedem seinen Spass und Toleranz.Ohne Natel kann ja auch fast niemand mehr leben.Diese Leute werden so gesteuert,darum hat in Zukunft jeder Fahrer einen Betreuerwagen.Tschau luege.De lieber Fußball.ole

  • 1-800-CallGary sagt:

    Also ich weiss nicht, Herr Platter.
    Ich glaub ich habe mein erstes Velorennen im 55zgi gesehen. Und die Begleiter sind schon damals gefahren wie die Idioten.
    Wenn auch ohne Smartphone.

  • Philipp R. Adler sagt:

    Und wie bitte ist denn der Autor mit seinem Spross „zunächst nach Ebertswil“ gelangt? Wohl kaum mit dem Velo… Wäre das Spektakel aber nicht noch viel grösser, müssten die Zuschauer wieder wie früher zu Fuss hin?? Tja, früher war alles besser, bekanntlich auch die Zukunft.

    • Walker Philipp sagt:

      Ja Hallo
      Ich finde auch, dass man mehr zu Fuss oder mit dem Fahrrad an die Veranstaltungen gehen sollte. Ich war zu Fuss, ein schöner Spaziergang mit nicht so tollem Wetter. Aber man ist ja heutzutage wetterfest.

  • andreas sagt:

    @Stefan Moser… die Fahrer, die damals während der Tour de France (das obige Video) umgefahren worden, waren schon prominent. Und der Fahrer des Autos wurde bestraft.

    Und die Nachricht, das ab nun wieder regelmässig in die Rubrik Velo geschrieben wird, freut mich – diese wurde doch in der Vergangenheit sehr, sehr vernachlässigt! Prima und danke schon mal.

  • Urs Steiner sagt:

    Die Konsequenzen aus dem Unfall im Video war der Ausschluss des betreffenden Autos. Das schuldige Auto wurde also streng bestraft.

  • Otto Lindauer sagt:

    Danke Herr Platter für diesen treffenden Kommentar. Sie sprechen mir aus der Seele. Ich gebe zu, diese (von Jahr zu Jahr) mehr überhandnehmende Unsitte hätte ich nicht annähernd so gut beschreiben können. Habe die Zeiten von Ferdi Kübler und Hugo Koblet hautnah miterlebt. Quo Vadis Radrennsport? Von den Dopingfällen fangen wir schon gar nicht an. Einfach Schade!

  • Martin Kallmann sagt:

    Wie in anderen Sportarten hat die technische Unterstützung einen Grad an Perfektion angenommen, die dem Sporterlebnis an sich schadet. Wer gerne Velorennen anschaut, möchte nicht zwischen den Autos zufällig ein paar Velofahrer entdecken. Ich wünschte mir hier wieder eine Entwicklung „back to the roots“ wie offensichtlich auch der Autor.

  • Stefan Moser sagt:

    Die Motorkolonne ist tatsächlich abartig an der Tour de Suisse und völlig nutzlos. Ich hoffe der Fahrer des Autos im Video, welcher vorsätzlich den Fahrer rammte (anders kann man es nicht bezeichnen) wurde rechtlich belangt. Aber wahrscheinlich war der Fahrer zu wenig prominent. Mir hats auch an der Fussball-EM zu viel Kommerz – 22 usefull idiots auf dem Rasen, für dass mal wieder so schön Reibach gemacht werden kann. Weniger Pöblic Fiuing – mehr Stimmung täte gut.

    • Ehrensberger Rolf sagt:

      Dieses Video stammt von einer Etappe der Tour de France. Einer der Fahrer flog durch einen Stacheldrahtzaun und verletzte sich an der Hüfte, fuhr aber die Etappe zu Ende. Soviel ich weiss, wurde der Chauffeur des Autos sofort aus dem Rennen genommen. Als langjähriger Begleiter von Radrennen -auf Stufe Rennen- weiss ich, wie heiss es manchmal beim Überholen des Feldes werden kann. Wenn Zuschauer am Strassenrand standen, liess ich schlicht und einfach die nötige Vernunft walten, hielt Abstand zum Strassenrand und reduzierte das Tempo, Radrennen hin oder her!

  • Paul Kaegi sagt:

    Die Begleiter müssen sich ja motorisieren, den mit dem Fahrrad werden sie von den Profis sofort abgehängt.

    • Helena sagt:

      Sie könnten ja einen modifizierten Stromer nehmen – das gleiche Modell, das jeweils bei Start und Landung des Solar Impuls zu sehen war. Die Dinger machten 70 km/h – es bräuchte dann nur noch ein einziges Auto mit einer Ladung voller Ersatzakkus :)

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