Zwei Extremkletterinnen in «Riders on the Storm»

Starke Nerven, starke Leistung: Mayan Smith-Gobat in der 31. Seillänge (7c+) der Route «Riders on the Storm» am Torre Central in Patagonien. (Foto: Thomas Senf)
15 Tage Schinderei im vertikalen Granit, um sich am Ende «für einen Moment wie die glücklichsten Menschen der Erde» zu fühlen: Das erlebten diesen Winter die Kletterspezialistinnen Ines Papert (41) und Mayan Smith-Gobat (36). Die Deutsche und die Neuseeländerin kämpften sich zusammen mit dem Berner Oberländer Fotografen Thomas Senf (35) durch die berühmte Route «Riders on the Storm» in der Ostwand des Torre Central in Patagonien, Südamerika.

Routenverlauf von «Riders on the Storm». (Foto: Franz Walter)
Die 1300 Meter lange Route wurde vor 25 Jahren von den Kletterlegenden Wolfgang Güllich, Kurt Albert, Bernd Arnold, Norbert Bätz und Peter Dittrich während einer sechswöchigen Expedition, mit der Idee der freien Begehung, eröffnet. Die Schwierigkeit: 7c, A3, ABO – ABO steht für «abominable», Französisch für «abscheulich». Diese Bewertung stellt für den Gesamtcharakter die höchste Stufe dar, noch über «Extrêment Difficile» (ED).
Erst von vier Teams wurde «Riders on the Storm» je geklettert. Aber keines schaffte es bisher, sämtliche 34 Seillängen frei (ohne technische Hilfsmittel) zu meistern. Die Erstbegeher nicht – und auch Papert und Smith-Gobat nicht, wobei die beiden Frauen dem Traum einen beachtlichen Schritt näher kamen als alle vor ihnen.
Zu den Schwierigkeiten gehören auch die wilden Stürme im Nationalpark Torres del Paine in Chile. Papert und Smith-Gobat konnten im Januar 2016 bei stabilem Hochdruckwetter, warmen Temperaturen und moderaten Windgeschwindigkeiten einsteigen und nutzten die ersten Tage bis zur Erschöpfung, um den Gipfel zu erreichen. Als besondere Knacknuss erlebte Papert die 18. Seillänge (7B+ offwidth).
Sie trug am einen Fuss einen reibungsstarken Kletterfinken, am anderen Steigeisen. Der vereiste Riss habe ihr keine andere Wahl gelassen. «Eine für mich völlig unbekannte Technik, deren Namen ich vielleicht prägen könnte – hochgepapert?» Ihre Eisgeräte nutzte sie nicht nur zum Klettern, sondern auch als Zwischensicherung.

In traumhafter Naturlandschaft: Ines Papert in der 23. Seillänge. (Foto: Thomas Senf)
«Nicht selten klemmten die Finger, die Hand oder gar der ganze Körper in einem vereisten Riss, was auch für mich eine neue Erfahrung darstellte», sagt Smith-Gobat. Wegen der Kälte habe sie oft das Gefühl in den Fingern verloren, konnte aber trotz blutender Hände die 29. und 30. Seillänge «befreien», also als Erste und ohne künstliche Hilfsmittel zur Fortbewegung durchsteigen.
Am 6. Februar 2016 um 12.48 Uhr stand das Team auf dem höchsten Punkt des Torre Central. «Ein wahrlich magischer Moment. Was sich uns präsentierte, ist kaum in Worte zu fassen: Unzählige Gletscherseen in allen Blau- und Grüntönen, schneebedeckte Gipfel so weit das Auge reicht, steile Felswände in allen Richtungen, der Blick dahinter in eine endlos weite Ebene und in entgegengesetzter Richtung das Inlandeis.»

«Riders on the Storm» durchstiegen: Ines Papert and Mayan Smith-Gobat auf dem 2800 Meter hohen Gipfel des Torre Central. (Foto: Thomas Senf)
Die Freude über den Gipfelerfolg wurde allerdings bereits in der darauffolgenden Nacht arg gedämpft: Ein kühlschrankgrosser Felsblock löste sich über ihnen aus der Wand und donnerte an den schlafenden Kletterinnen vorbei. Ein Stein, der ihr Portaledge traf, riss das Fly (Zelt) in zwei Hälften und blieb knapp neben den erschrockenen Alpinistinnen liegen. Mit dem Glück war es danach fertig: Das Wetter wurde «richtig patagonisch». Sie versuchten zwar nochmals, die zwei schwierigsten Seillängen im unteren Wandteil frei zu klettern, mussten aber akzeptieren, dass dies bei diesen Bedingungen nicht möglich ist.
Die Ernsthaftigkeit dieser Wand hatte das Team durchwegs vor gewaltige Nervenproben gestellt. Paperts Helm wurde durch Eisschlag zerstört. Und als sie sich am letzten Tag zur noch «unbefreiten» Seillänge hocharbeitete, merkte sie, dass das Fixseil durch Steinschlag zerstört war und sie nur an einer einzigen verbliebenen Litze hing.

Ines Papert and Mayan Smith-Gobat (r.) beim Abstieg vom Torre Central. (Foto: Thomas Senf)
«Ich hatte reichlich Glück», sagt Papert. «So reizvoll es erscheint, wiederzukommen, um das Projekt zu finalisieren, habe ich mich dagegen entschieden.» Smith-Gobat möchte sich dieser Aufgabe dagegen erneut stellen und sämtliche Seillängen frei klettern: «Ich hatte das Projekt so lange vor mich hergeschoben, weil ich mich vor der Schwierigkeit, der Dimension und dem intensiven Wetter an diesem Berg gefürchtet hatte. Doch jetzt waren es genau diese Faktoren, die mir gefallen haben. Ich freue mich darauf, zurückzukehren.»
Fotograf Thomas Senf, der schon etliche Expeditionen begleitet hat, attestiert den beiden Frauen «noch nie gesehenen Kampfwillen». Obschon selber Extremalpinist, kletterte er «Riders on the Storm» nicht. «Ich bin wohl der erste Mensch, der sich am Jumar durch diese Wand hochgezogen hat», sagt er lachend.
Das Video der Expedition zeigt die Schwierigkeiten von «Riders on the Storm» eindrücklich. (Youtube/Arc’teryx)
9 Kommentare zu «Zwei Extremkletterinnen in «Riders on the Storm»»
Klasse Artikel! Und einfach nur beeindruckend, welche Leistungen Menschen abrufen können. Ich bestaune solche Aktionen und freue mich immer, wenn alles gut verlaufen ist. Doch eins steht fest: ich würde sowas nie machen. Das ist mir einfach zu riskant. Wohlmöglich fehlt mir auch das Talent und diesen Drang nach Risiko und Adrenalin.
Ich bin ein Typ, der es gerne ruhig angehen lässt und eher auf der Suche nach Entspannung ist anstatt nach Risiko. Daher ist es nicht erstaunlich, dass mein Hobby Angeln ist. Wobei man beim Angeln auch sehr viel Geschick braucht und es auch sehr actionreich werden kann sobald ein Fisch anbeißt. Da brauch man auch stabile Ruten, solche wie bei shadland.de!
Toller Artikel und beeindruckendes Video!
Eine beeindruckende Leistung!
Das mit dem Kletterfinken an einem, dem steigeisenbewehrten Bergschuh am anderen Fuss ist allerdings nicht neu: Das habe ich schon vor 25 Jahren von einem Urner Bergführer gehört!
Schon beim betrachten dieser Bilder wird mir halb schwindlig.
Ist absolut nichts für mich, aber Hut ab vor den beiden Frauen.
Nicht zu vergessen bei solchen Extremsportarten sind die Fotografen und Kameraleute. Auch die müssen gut drauf sein. Das geht oft dabei unter.
Ich habe mir beim Lesen dieser Zeilen fast in die Hosen gemacht. Vor Angst und auch vor Respekt.
Was diese beiden Frauen geleistet haben, ist einfach unglaublich.
Für mich sind Extrembergsteiger Personen, welche Ihre Publicity höher einstufen als ihr eigenes Leben.
Stimmt.
Und gilt sinngemäss auch für Blog-Leser, die nichts Konstruktives beizutragen haben, aber gerne ihren Namen lesen.
Ich glaube, da gäbe es deutlich einfachere Wege um zu Publicity zu kommen. Jahrelanges Training, perfekte Technik und körperliche Fitness, um es dann hier auf 5 Kommentare zu schaffen… Dazu noch ein paar Beiträge in anderen Zeitungen und allenfalls Vorträge vor einem meist überschaubaren Publikum – wenn es wirklich um die Publicity gegangen wäre, hätten die 2 Frauen auch einfach haben können (Patagonien-Diavortrag hätte wohl schon gereicht).
Der Beitrag ist spannend. Die Leistungen der Frauen und des Fotografen sind einmalig. Erfolg oder Katastrophe waren an einigen Seillitzen aufgehängt…, hoffen wir es gehe auch in Zukunft alles gut aus.
Faszinierend. — Man muss wirklich einen starken „Kampfwillen“ haben, wenn man diese Wand an dem einen Fuss mit Kletterfinken und am anderen mit Steigeisen besteigt. Gratulation für die erfolgreiche Begehung der Route.