Jakob, Beatus und die grosse Lakshmi
Diese Woche der Jakobsweg Interlaken – St.-Beatus-Höhlen – Beatenbucht (BE)
Kürzlich war auch ich ein Jakobspilger. Allerdings nur für einen Tag. Meine Pilgerei begann am Bahnhof Interlaken-West und zielte auf die Höhlen des Heiligen Beatus.
Vorerst war mein Ambiente neuzeitlich und nicht spirituell: die Hotelkästen Interlakens und Unterseens. Ich querte am Bahnhof Interlaken-West die Schienen, mein erstes Ziel war die Weissenau. Es gab zwei Varianten. Die eine führt entlang des Schifffahrtskanals, die andere via die Tschingeley-Holzbrücke parallel dazu entlang der begradigten Aare. Diese Variante nahm ich, die nächsten zwei Kilometer waren zufriedenes Einlaufen.
Der Pilger kaut am Ovo-Stängel
Bei der Weissenau praktisch am Thunersee ein Rechtsknick. Kaum hatte ich ihn vollzogen, sah ich rechter Hand ganz nah die Ruine jener Feste, von der aus im Mittelalter der Schiffsverkehr kontrolliert wurde. Anschliessend wanderte ich im Naturschutzgebiet. Ingeniös die Wegführung mit Holzstegen, auch war da ein erhöhtes Holzhäuschen für Vogelbeobachter. Mal sah ich nur Ried, Bäume, Moorwasser, dann wieder durfte der Blick weit über den See zum Niesen gleiten.
Beim Neuhaus kam ich ins Reich der Camper; im Hotel Neuhaus und im Lombach-Bistro hätte ich einkehren können. Aber als Jakobspilger übte ich Bescheidenheit: Ich kaute an einem Ovo-Stängel, während ich am Camping Manor-Farm vorbeizog.
Am Hang über dem Nordufer des Thunersees endete das flache Terrain. Auf schmalem Pfad stieg ich in die Höhe und war beglückt über meine perfekte Seesicht. Bei Gelbenbrunnen musste ich schon wieder hinab. Der Weg senkte sich zum Delta von Sundlauenen, einem Weiler am Wasser mit der Schiffstation Beatushöhlen/Sundlauene. Und schon ging es wieder aufwärts, bei der Bushaltestelle Pilgerweg über die – stark befahrene – Strasse und auf einem perfekt hergerichteten Treppenweg Richtung St.-Beatus-Höhlen.
Dann die Höhlen. Ihr Namensgeber haust als umdunkelte Gestalt tief in der Antike. Ein Brite soll er gewesen sein, der in Rom von Petrus persönlich geweiht und zu den Heiden Helvetiens entsandt wurde. In einer Felsfluh über dem Thunersee legte sich Beatus eine Klause an, nachdem er einen Drachen verjagt hatte; er wirkte wohltätig und soll so manchen Kranken geheilt haben.
Das gefiel meinem Jakobsherzen. Weniger mochte ich die vielen Leute, die vor einem Flimmerschriftband auf die nächste Führung warteten. So zog ich weiter, ohne die Tropfsteinhöhlen besucht zu haben, nachdem ich das Ensemble historisierender Häuschen am Fels anerkennend gewürdigt hatte.
Budelbach und Beatenbucht
Ein letzter Anstieg war bald zu bewältigen, vor Merligen musste ich den Balmholz-Steinbruch an der oberen Kante umgehen. Kurz darauf der Steg über den Budelbach. Beim Abzweiger wählte ich schliesslich als Ziel nicht Merligen, weil ich dieses schon kannte. Sondern die Beatenbucht, in der ich nie gewesen war.
Erst nach der Busfahrt von der Beatenbucht nach Thun stillte ich meinen Hunger. Das indische Restaurant beim Bahnhof hiess – das Essen war köstlich – passend zu meinem Pilgertag Maha Lakshmi. Die grosse (maha) Lakshmi ist eine Göttin, die zuständig ist für Liebe, Glück, Schönheit, Fruchtbarkeit, Gesundheit und Wohlstand. Was für ein Portfolio, ich bin nicht sicher, ob Jakob da mithalten kann.
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Route: Startort Bahnhof Interlaken-West. Bis zur Ruine Weissenau gibt es zwei gleichwertige Wege, entweder entlang der Aare oder entlang des parallelen Schifffahrtskanals. Ruine Weissenau – Neuhaus – Manor-Farm – Gelbenbrunnen – Sundlauenen – St.-Beatus-Höhlen – Balmholz – Nase – Beatenbucht, Bus oder Schiff.
Wanderzeit: 3½ Stunden.
Höhendifferenz: Je 410 Meter auf- und abwärts.
Wanderkarte: 254 T Interlaken, 1: 50’000.
GPX-Datei: Hier downloaden.
Retour: Von der Beatenbucht gibt es Busse Richtung Thun und Interlaken sowie Schiffskurse.
Charakter: Zwei Teile. Zuerst Naturschutzgebiet und Wasser. Dann (sehr gute) Pfade durch den Steilhang am Thunersee.
Höhepunkte: Das Naturschutzgebiet Weissenau-Neuhaus. Der erste Blick von oben auf den Thunersee vor Gelbenbrunnen. Die in die Felsfluh gepassten Gebäude der St.-Beatus-Höhlen.
Kinder: Vorsicht in den Steilpartien – auch wenn diese gesichert sind.
Hund: Keine Probleme. Im Naturschutzgebiet anleinen!
Einkehr: Interlaken. Restaurant (und Hotel) Neuhaus, täglich geöffnet. Gleich anschliessend: Lombach-Bistro, Camping Alpenblick, täglich geöffnet. Camping Manor-Farm. Restaurant am Eingang zu den St.-Beatus-Höhlen, täglich geöffnet während des Höhlenbetriebes. Maha Lakshmi in Thun, täglich geöffnet.
St.-Beatus-Höhlen: Täglich von 9.30 bis 17 Uhr bis Ende Oktober. Führungen alle 45 Minuten, Dauer 75 Minuten. Neuerdings kann man die Höhlen auch allein besichtigen.
Wanderblog: Täglich ein Eintrag auf Thomas Widmers privatem Journal.
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