Bike-Guide als Jekami-Business

Technik als Kursinhalt: Anwärter einer Bike-Guide-Ausbildung sollte technisches Können mitbringen. Foto: Swiss Cycling Guide

«Mountainbiken entwickelte sich in den letzten Jahren in rasendem Tempo zu einer der bedeutendsten Sommersportarten der Schweiz», schreibt der Schweizer Radsportverband Swiss Cycling auf seiner Website. Die Kehrseite der Medaille: Mit der wachsenden Anzahl an Mountainbikern nehmen auch die Unfälle deutlich zu, wie eine gerade veröffentlichte Statistik der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) bestätigt. Im Stadtverkehr seien die Zahlen dagegen stabil geblieben, was auf gute Präventionsarbeit zurückgeführt wird. Doch wie könnte eine Vorsorge auf dem Singletrail aussehen? Dass man anspruchsvolle Trails nicht ohne die nötige Schutzausrüstung – mindestens jedoch mit einem Helm auf dem Kopf – fährt, ist hoffentlich jedem klar. Oder?

Als Mountainbiker sollte man ein gutes Gespür für die eigenen Grenzen entwickeln, sie vorzugsweise sachte statt radikal ausloten. Für manchen, ich behaupte vor allem männlichen Zeitgenossen, ist das leichter gesagt als getan. Und wir wissen alle: Ein gewisses Risiko bleibt immer – beim Biken wie bei jedem anderen Sport. Man kann auch einfach Pech haben. Mehr Sicherheit, besonders für weniger erfahrene Biker oder in unbekanntem Terrain, bietet das «Rundum-sorglos-Paket» einer geführten Tour. Der Guide geht auf das individuelle Können der Teilnehmer ein, wählt die passenden Strecken aus und meistert Schlüsselstellen gemeinsam mit der Gruppe. So viel zur Theorie. Negativschlagzeilen gibt es auch hier – man erinnere sich an den tragischen Fall, als 2009 McDonald’s-Schweiz-Chef Martin Knoll bei einer geführten Bike-Tour ums Leben kam. Dem Guide wurden mangelnde Erfahrung und Anleitung vorgeworfen, im Sommer letzten Jahres wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt.

Im Gegensatz zum Bergführer, der seit einigen Jahrzehnten einen eigenen Berufszweig mit verbindlich geregelten Ausbildungswegen darstellt, ist der Begriff des Mountainbike-Guides derzeit nicht gesetzlich geschützt. Im Klartext: Jeder darf sich als Bike-Guide bezeichnen. Das möchte Swiss Cycling gerne ändern und setzt sich für die Anerkennung ihrer Guide-Ausbildung als eidgenössische Berufsprüfung ein. Wie schnell sich dieses Ziel verwirklichen lässt, ist unklar. Fest steht: «Wir wollen die Thematik im kommenden Jahr erneut angehen und voranbringen», sagt Marco Schärer, Ausbildungsleiter bei Swiss Cycle Guide.

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Die richtige Hilfe im Notfall: Ein wichtiger Bestandteil des Kurses. Foto: Swiss Cycling Guide

Das Interesse an der Guide-Ausbildung steigt rasant, auch weil geführte Bike-Touren grosses touristisches Potenzial haben. «Aktuell haben wir jährlich um die 60 Teilnehmer», berichtet Schärer. Vor fünf Jahren war es nur ein Zehntel. Dabei ist die Ausbildung nicht gerade ein Schnäppchen: Der einwöchige Grundkurs kostet schlappe 2550 Franken. Wer ihn absolvieren möchte, muss langjährige Bike-Erfahrung mitbringen – und eine vorgeschaltete Aufnahmeprüfung bestehen. Ist es das wert? Neben Fahrtechnik, Tourenplanung und -führung werden die angehenden Guides auch in Erster Hilfe, Wetterkunde, Gesetzen, Kartenlehre und Orientierung ausgebildet. Dazu gibt es weitere Kursangebote, wie etwa «Gruppendynamik und Führung» oder «Guiding als Geschäftsmodell».

Neben nachweisbarer Kompetenz und damit besseren Vermarktungschancen erhält der Guide auch versicherungstechnische Vorteile. Ähnliche Ausbildungsmodelle findet man in Österreich und Deutschland, doch nur Frankreich und die Schweiz haben bislang gemeinsame Standards definiert. Mit der just gegründeten European Organisation of Mountain Bike Insctructor Guides (EO-MTBInG) wollen sie diese auch in anderen Ländern verankern. «Gerade Länder, in denen es aktuell noch keine Ausbildungsangebote gibt, wie Norwegen, Zypern oder Slowenien, sind sehr interessiert», so Claude Balsiger, Schweizer Sprecher von EO-MTBInG. Damit wären irgendwann entsprechend ausgebildete Guides auch im Ausland auf der sicheren Seite. Und der Kunde ebenso.

Nutzen Sie das Angebot geführter Biketouren? Wie wichtig ist Ihnen dabei, dass der Guide seine Kompetenz nachweisen kann? Sollte der Titel des Bike-Guides Ihrer Meinung nach gesetzlich geschützt werden – oder steckt für Sie bloss Geldmacherei dahinter?

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14 Kommentare zu «Bike-Guide als Jekami-Business»

  • Peter sagt:

    Ich habe schon einige geführte Bikewochen hinter mir und bis jetzt nur gute Erfahrungen mit den jeweiligen Bikeguides gemacht. Wichtiger als ein Diplom oder Zertifikat ist, dass sie auf die Teilnehmer eingehen können. Die unvernünftigen „Raser“ einbremsen und den ängstlichen „Zauderern“ Selbstvertrauen geben. Neben vermitteln von Fahrtechnik finde ich den kulturellen Aspekt auch wichtig; Infos über Land, Natur und Leute weitergeben und so ein Gesamterlebnis ermöglichen. Der Bikeguide sollte auch Reiseführer, Motivator, Mechaniker, Kulinarikexperte, Psychologe und Hirte für seine Schäfchen sein. Kann man sicher teilweise lernen, aber ob das ein offizielles Bikeguide Zertifikat auch garantiert, bezweifle ich.

  • Thomas Holtkamp sagt:

    Ich würde auch nicht gern in ein Flugzeug einsteigen, bei dem ich nicht weiss, ob der Pilot eine standardisierte Ausbildung abgeschlossen hat oder nur glaubt, dass er ein Flugzeug fliegen kann.
    Wie eine Ausbildung für Guides auszusehen hat und wieviel sie Kosten sollte ist sicher diskussionwürdig.
    Aber , dass Bike Guides eine standardisierte Ausbildung haben sollten, steht ausser Frage.

  • Martin sagt:

    Und weiter geht’s mit der schweizerischen Regulierungswut… Noch ein Diplom mehr. Früher gab es J+S Ausweise, Kurse, um irgendwelche Lager zu leiten. Heute muss man gleich ein Diplom haben, für alles und jeden Mist.

    • Severin sagt:

      Genau! Und ein Diplom macht noch keinen guten Guide. Und übrigens: Wie meinen Sie das Herr Balsiger mit dem „ehrenamtlich“? Die Gebühren im Vergleich zu ähnlichen Kursen im Ausland sind meiner Meinung nach unverhältnismässig teurer, was nicht auf „ehrenamtlich“ deutet…

      • Claude Balsiger sagt:

        Swiss Cycling Guide bildet Personal für den kommerziellen, touristischen Einsatz aus. Das heisst, das Kunden Geld für eine Leistung bezahlen. Im Gegenzug sollte der Kunde einen minimalen Ausbildungsstand und Professionalität des Anbieters erwarten dürfen. Deshalb das Bedürfnis nach dieser Ausbildung. Wir sprechen hier nicht von Kinderkursen oder Schullagern – dafür ist nach wie vor J&S zuständig.
        Ehrenamtlich ist die Arbeit ausserhalb der Kurse, Lehrpläne, Kursvorbereitungen, Sitzungen etc.
        «Kursen im Ausland»: Kurse in Frankreich, wo der Staat die Ausbildung bezahlt? In Deutschland wo die Kurse deutlich kürzer sind? In Österreich wo Kost & Logis nicht beinhaltet sind? Swiss Cycling Guide wird leider weder vom Staat noch von Sponsoren finanziert, daher die höheren Preise als J&S.

        • Severin sagt:

          ..ich meine Österreich, wo die Ausbildung INKL. Kost & Logis halb so teuer ist wie jene von Swiss Cycling und wie ich gehört habe gleich oder gar besser ist.

  • Andy Forster sagt:

    Trotz allem muss auch ein Bike-Guide zugeben: Er ist kein Bergführer und muss auch keiner sein – egal in den Alpen oder wie Herr Balsinger im Himalaya. Punkto objektiver Gefahren bewegt sich der zweite in einer anderen Liga. Man sollte die ganze Ausbildungshysterie mal nicht überdrehen und auf dem Boden bleiben…

  • Carmen Heidelberger sagt:

    Wer früher mit Yo Eddie und Farmer John’s Cousin auf dem Schnebelhorn war, Tremalzo unplaniert, ohne GPS und Shuttle kennt, für den sind die schmalzigen Guides mit ihren „Elektrobike-Abenteuergruppen“ heute nur noch Weicheier, auf demselben Weg wie ihn die Skifahrerei bereits genommen hat. Komerzialisierte Belanglosigkeit, als Abenteuer verkauft, zuviel ist ja schliesslich noch nicht genug. Und da geht ohne Diplom natürlich nichts. Eigentlich bräucht’s noch viel mehr solches Zeug. Cameltrophy-Awards für SUV-Fahrer die vorher nicht wissen was Radschrauben sind, Charles Lindbergh-Button für Aviatik-Einkaufstouristen, und Indiana Jones-Tätowierungen für jene, die sich trauen in Adiletten durch den Zoo zu schlappen. Warum also nicht auch ein gebührenpflichtiges Guidediplom bei dem Jekami?

  • Belinda Schäfer sagt:

    ..im Bikepark braucht’s keine Guides ;-)

  • Andreas Forster sagt:

    Sicherheit ist wichtig und dagegen hat niemand was. Aber in diesem Punkt muss ich Herr oder Frau Müller Recht geben: Lasst doch den Kunden entscheiden, ob er einen dipl. Guide möchte oder nicht und dafür allenfalls mehr zahlt oder nicht. Wir haben genug Vorschriften in diesem Land! Auch wenn die Tätigkeit des Mountainbike-Guides unbestritten vielseitig ist, sind die objektiven Gefahren auf einer Tour im Vergleich zum Bergführer im Hochgebirge dann doch auf tiefem Niveau. Man sollte diese Branche nicht unnötig aufblähen und mit Kosten belasten. Der starke Franken macht der Branche das Leben ohnehin schon schwer…

  • Claude Balsiger sagt:

    Geldmacherei ist bestimmt die falsche Bezeichnung für eine Ausbildung, die noch immer zu einem grossen Teil von ehrenamtlicher Tätigkeit lebt. Es geht nicht nur darum Gäste sicher durchs Gelände zu führen, sondern auch darum Fahrtechnik zu vermittlen und damit mehr Sicherheit unter Mountainbikern zu schaffen – inbesondere in Bikeparks wo unsere Guides und Instruktoren auch unterwegs sind.

  • S. Müller sagt:

    Reine Geldmacherei und einmal mehr Tendenzen zu einer weiteren Regulierung. Der Markt, bzw. der Kunde soll doch selbst entscheiden, ob er mit einem ausgebildeten Guide mehr Sicherheit hat. Denn die Unfälle passieren nicht auf geführten Touren, sondern auf dem Weg zur Arbeit, auf den E-Bikes und im Bikepark.

    • Daniel sagt:

      In der Theorie der Ökonomen ist es so, dass der Kunde immer bestens informiert ist über die Qualität des Angebotes. In der Praxis ist es etwas schwieriger. Bewertungen durch Kunden auf irgendwelchen Internetplattformen sind auch nicht ohne Tücken. Eineerseits sind gefälschte Einträge möglich. Andererseits gibt es auch echte Kunden, die unqualifiziete Kommentare schreiben. Sei es, dass sie unkritisch loben, weil zufälligerweise gerade kein Unfall geschehen ist. Sei es, dass sie einen Verriss schreiben, weil ein Guide Kritik an ihren eigenwilligen Praktiken gewagt hat.

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