Das können die neuen Lawinenairbags

Es gibt keine Entschuldigung mehr, ohne Lawinenairbag die Piste zu verlassen, schreibt unsere Autorin. Foto: ABS

Es gibt kaum noch Entschuldigungen, ohne Lawinenairbag die Piste zu verlassen. Foto: ABS

Ich nutze schon seit 15 Jahren einen Rucksack mit integriertem Lawinenairbag. Egal ob ich eine Skitour mache oder nur mal kurz neben der Piste in den Powder schwinge. Manchmal ist das vielleicht übertrieben. Aber es wäre doch dumm, ihn zu Hause stehen zu lassen.

Doch wie viel Sicherheit bietet mir der Airbag wirklich? In der Vergangenheit gab es immer wieder Diskussionen über seine tatsächliche Wirksamkeit. Laut einer aktuellen internationalen Studie reduziert sich die Sterblichkeit in einer grossen Lawine mit aufgeblasenem Airbag von 22 auf 11 Prozent. Das bedeutet: Wenn alle im freien Gelände einen Lawinenairbag nutzen würden, könnte die Zahl der Lawinentoten halbiert werden. Vorausgesetzt, sie lösen den Airbag auch aus. Das grösste Problem ist nämlich, dass viele Anwender ihren Airbag in einer Lawine gar nicht auslösen. Das zeigt, wie wichtig es ist, das Auslösen immer wieder zu üben und die Funktionsfähigkeit des Airbags zu überprüfen.

«Der Lawinenairbag hat in den letzten fünf Jahren seinen kommerziellen Durchbruch geschafft – besonders bei Freeridern. Viele Skitourengeher sind wegen des zusätzlichen Gewichts jedoch noch skeptisch», erklärt Michael Vollmer, Produktentwickler bei Mammut. Das könnte sich allerdings bald ändern: Es gibt viele neue Anbieter, und bei der Entwicklung hat sich wahnsinnig viel getan. Die Systeme sind deutlich leichter und bedienerfreundlicher geworden – und sie ermöglichen Trainingsauslösungen. Damit gibt es eigentlich keine Entschuldigung mehr, ohne Lawinenairbag die sicheren Pisten zu verlassen.

Leichtgewichts-Airbag. Foto: Mammut

Dieser Leichtgewichts-Airbag bringt rund 1,5 kg auf die Waage. Foto: Mammut

Mit rund 1,8 kg (Ortovox Avabag 22 l) und 1,5 kg (Mammut Ultralight Removable Airbag 3.0) kommen nächsten Winter echte Leichtgewichts-Airbags auf den Markt. Die herausnehmbaren, kompakten, mechanisch ausgelösten Airbagsysteme erlauben es – ohne eingebaute Kartusche – das Ziehen des Auslösegriffs zu üben. «Zusätzlich haben wir den neuen Griff so designt, dass er noch einfacher bedient werden kann – egal mit welchen Handschuhen und egal ob Rechts- oder Linkshänder», sagt Johannes Kuntze-Fechner, Product Manager Safety System bei Ortovox.

Der Airbag-Pionier ABS versucht das Problem der nicht ausgelösten Airbags künftig mit einer Partnerauslösung per Funk in den Griff zu bekommen. Zusätzlich werden Einsatzbereitschaft, Akkuladestand und der korrekte Sitz der Patrone elektronisch überprüft und per LED angezeigt.

Für noch mehr Sicherheit sorgt ab Herbst 2016 auch eine DIN-Norm für Lawinenairbags. «Die neue Norm fordert insbesondere in Bezug auf die Zug- und Reissfestigkeit deutlich höhere Werte als bisher, da der Lawinenairbag im Ernstfall extremen Belastungen ausgesetzt ist», betont Peter Aschauer, Geschäftsführer bei ABS. Neben dem elektronischen Airbagsystem von Black Diamond (Pilot Jet Force) bringt auch die kanadische Outdoormarke Arc’teryx ein batteriebetriebenes Airbagsystem auf den Markt (Voltair, 3,2 kg), das den Airbag mithilfe eines Zentrifugalgebläses befüllt.

Damit kann man das Fahren mit aufgeblasenem Airbag üben. Foto: Arc'teryx

Mit dem Voltair kann man das Fahren mit offenem Airbag üben. Foto: Arc’teryx

Diese Systeme ermöglichen pro Akkuladung ein mehrmaliges Auslösen des Airbags, sodass Anwender nicht nur das Ziehen des Auslösegriffs, sondern auch das Skifahren mit aufgeblasenem Airbag üben können. «Das richtige Verhalten in einer Lawine kommt nicht von allein. In einer heiklen Situation kann man sich nur auf das verlassen, was man trainiert hat», erklärt Gordon Rose, Senior Industrial Designer bei Arc’teryx. Wer eine kostengünstige Alternative zum relativ teuren Produkt von Arc’teryx sucht, wird bei BCA (z. B. Modell Float 8) oder Scott (z. B. Free Air AP) fündig.

Aber egal, für welches System man sich letztlich entscheidet, weder der Preis noch das Gewicht können zukünftig noch ein Grund dafür sein, ohne Airbag die gesicherten Pisten zu verlassen.

Besitzen Sie bereits einen Lawinenairbag? Wenn nicht: Weshalb haben Sie sich dagegen entschieden? Sind die sinkenden Preise und Gewichte Grund genug, einen Kauf zu prüfen?

Beliebte Blogbeiträge

12 Kommentare zu «Das können die neuen Lawinenairbags»

  • Rucksackträger sagt:

    Ich bin seit zwei Jahren nur noch mit Airbag unterwegs – auch bei längeren Touren mit 2000 Höhenmetern und mehr. Ich sehe keinen Grund auf den Airbag zu verzichten, bei gleichem Verhalten nimmt das Risiko verschüttet zu werden massiv ab. Wieviel Prozent kann niemand genau sagen. Ich war allerdings einmal mit und einmal ohne Airbag in einer Lawine . Tatsache ist, dass einem der Airbag in der Lawine Orientierung gibt, den Oberkörper nach oben zieht und so tendenziell hilft den Kopf über dem Schnee zu halten. Ich verstehe, dass Manche mangels Fitness oder einfach aus Bequemlichkeit auf einen solchen Rucksack verzichten. Aber weshalb man aus finanziellen Gründen verzichtet ist mir unverständlich. 700 CHF für eine Lebensversicherung sind nun wirklich nicht so viel.

  • Chris sagt:

    Was mich ein wenig stört bei diesen Berichten über Lawinenairbags, sind die (meist gestellten) Fotos. Es sieht ein wenig danach aus, als hätte sich da jemand mit aufgeblasenen roten Flügeli gemütlich in den Schnee gesetzt. Das entspricht wohl kaum der Realität eines Lawinenunfalls und täuscht eine überaus grosse Schutzwirkung des Airbags vor.

    Selber besitze ich noch keinen Airbag, obwohl ich diese prinzipiell als sinnvoll erachte (Aktivität: Schneeschuhtouren). Hauptgründe sind die hohen Kosten und das weitere Entwicklungspotential. Neuere Systeme mit Akku sind vielversprechend. Die Preise werden wohl noch etwas sinken. Der Unterhalt wird vermutlich einfacher werden… Deshalb möchte ich noch 1-2 Saisons warten mit der Anschaffung. Man muss ja nicht immer zu den ersten gehören.

  • Josh sagt:

    Teil 1:

    Im Grundsatz gehe ich einig mit Frau Auras, wenn ich schon so ein Airbag habe dann sollte ich diesen auch tragen.

    Trotzdem stehe ich diesem Blog skeptisch gegenüber, denn die Wirksamkeit der Airbags wird überschätz und sie können zu einer negativen Beeinträchtigung des Risikoverhaltens (Risikokompensation) führen.
    Es ist weit hergeholt eine Studie zu zitieren in welcher explizit darauf hingewiesen wird, dass man nicht davon ausgehen kann das die Zahl der Lawinentoten durch das Tragen eines Airbag halbiert (22% auf 11%) werden kann.
    Hinzukommt das mich der Airbag nicht schütz wenn ich von einer Lawine gegen ein Hindernis gedrückt werde oder über den nächsten Felsen abstürze.

    • Josh sagt:

      Auch wenn dies „nur“ ein Blog ist, wünschte ich mir für die Zukunft eine differenziertere Betrachtung dieses Thema. Wie wäre es wenn der Fokus einmal nicht auf das Lawinenunglück sondern auf das davor gerichtet wird. Nicht einfach ein Blog über die neusten Ausrüstungsgegenstände sondern dar-über wie ich befähigt werden kann die richtigen Entscheidungen im Gelände zu treffen.
      Gerne unterstütze ich bei solch einem Blog.

  • Peter sagt:

    Es gibt noch den Avalanche Ball, der ohne Batterie und Patronen auskommt
    Aber grundsätzlich muss sportweise eine Lawine vermieden werden. Lawinenrisiken müssen dem Militär / Kampfauftrag vorbehalten sein.

  • Daniel Tanner sagt:

    Wer kein Risiko eingehen will, bleibt zu Hause. Auch mit ABS bleibt ein Restrisiko und die Versuchung Steilhänge zu befahren, die sich lawinentechnisch am Limit befinden, ist eindeutig höher, als wenn man sich nach den gängigen Unfallverhütungsregeln gemäss Broschüre „Achtung Lawinen!“ richtet. Der Artikel hier verfolgt in erster Linie die Interessen der Hersteller. Alle weiteren Aspekte werden ausser Acht gelassen.

  • Alex Beck sagt:

    Für alle Skeptiker:

    Meinen Airbag habe ich mir besorgt nachdem ich eigenhändig die erste (und bislang einzige) Lawinenleiche ausgegraben habe und beim gleichen Unfall noch beiwohnen durfte wie ein Regaarzt einen zweiten Skifahrer reanimiert hat.

    Nach dem Anblick der nicht ganz taufrisch aussehenden Gesichter dieser Personen habe ich beschlossen, dass Plan B („oben bleiben“) eine konkurenzlose Alternative darstellt wenn Plan A („vermeiden“) versagt und daher Gewicht und Preis dieser Dinger Nebensache ist.

  • Matthias Kalt sagt:

    Für jede Aktivität außerhalb von gesicherten Pisten ein absolutes „must“. Wer sich als Tourengänger „bewusst“ dagegen entscheidet, belügt sich selbst, handelt fahrlässig und wird zukünftig auch Abstriche oder komplette Verweigerung der Versicherungsleistung im Rettungsfall gewärtigen müssen. Andererseits darf natürlich ein solches System NICHT zu einer höheren Risikobereitschaft oder nachlässiger Vorbereitung führen – aber da sollte jeder, der sich solchen Risiken aussetzt, „erwachsen genug“ sein …

  • Yves sagt:

    Die jeweiligen Systeme sollten aber auch richtig getragen werden. Beobachte immer wieder in Pistennähe Personen die die Rucksäcke falsch tragen.

    Ich schätze gerade diese Personen als sehr risikofreudig ein, auch wenn sie dies nicht zugeben. Oft fahren gerade solche Personen spontan in die Hänge ganz nach dem Motto: „Es wird schon nichts passieren und wenn doch habe ich den Rucksack“, oft noch gepaart mit: „… und ein cooles Video mit meiner Actioncam“.

    Die Videos mit wegfliegendem Airbagrucksack werden wohl nicht mehr geteilt.

  • Martin sagt:

    Für reine Freerider sicher vorteilhaft. Als Skitourengänger bin ich skeptisch – die Tour sollte den Verhältnissen angepasst sein. Notfalls eben nur Tanzboden oder Stockberg, etc.

  • Toni Müller sagt:

    Ich benutze bewusst keinen Lawinenairbag, weil ich ebenfals bewusst nie neben der Piste Ski fahre. Übrigens, Frau Malin Auras; „Sind Sie sicher das Ihre Ding funktioniert?“

    • Thomas Patrik sagt:

      @Toni Müller
      das ist schön und löblich, aber ich zum Beispiel bin Hüttenwart einer SAC Hütte, die auch im Winter bewartet ist. Manchmal erfordern es die Umstände, dass man auch bei SLF „erheblich“ wieder hinauf oder hinunter muss. Und da will ich auf eine solche zusätzliche Sicherheit nicht verzichten, auch nicht, wenn ich „nur“ mit Schneeschuhen unterwegs bin.

Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.